10 Helen

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"Es kann nicht mehr weitergehen, Eva. Wir haben alles versaut, wirklich alles.", sagte ich zu meiner Halbschwester, die mit neutraler Miene auf die Tischdeckchen starrte, als würden sie jeden Moment Augen bekommen.

"Wir gehen jetzt zu Ethan und beenden sein dummes Spiel! Er wird uns an Marco verraten, wenn wir es nicht verhindern! Schreib Ethan eine SMS, dass wir ihn auf dem Schuldach treffen wollen." Und mit diesen Worten verschwindet Eva aus der Küche und ich schreib die SMS an Ethan.

Etwa kalte Füße bekommen? Schrieb er und ich antworte:

Ja, treffen wir uns auf dem Schuldach?

Gebongt,

Das war das letzte, was Ethan mir schreibt, bevor er offline geht. Ich lege das Handy weg und Eva kam zurück in die Küche. "Kommt er?", frage sie und ich nicke bestätigend. Mit einem Griff  nehme ich mir meine Jacke von der Stuhllehne und ziehe sie mir über das Neckolder Kleid, welches ich trage. Eva nimmt sich einen Hoddie von Aiden und zieht ihn sich über das weiße Baumwoll T-Shirt, dann gehen wir zurück zur Schule, um uns dort mit Ethan zu treffen und das endlich Problem zu klären.

Als wir an der Schule ankommen, kletterten wir beide die Feuerwehrleiter hinauf und wie erwartet sitzt Ethan schon abwartend an der Kante und dreht sich zu uns um. Er zuckt die Mundwinkel nach oben und stand auf. Ethan kam mit großen Schritten auf uns zu, die Hände in den Jackentaschen versteckt.

Mir wurde bei seinem Anblick unwohl zumute und Ethan deutet auf die Kulisse vor uns dreien. "Hier geschah es und hier endet es wohl", sagte er melancholisch und stellte sich zwischen mich und meiner Halbschwester. "Was wollt ihr denn jetzt von mir?", fragt Ethan mit einem leichten Grinsen auf dem Lippen, welches mir eine kleine Gänsehaut auf der Haut bereitet.

"Dass du deine Klappe hälst und zwar auf ewig, bis in den Tod und dass du mit deinem Spielchen aufhörst!", zischte Eva den rothaarigen an wie eine Schlange ihre Beute. Und in diesem Fall ist Eva die Schlange und Ethan die Beute.

Oder ist es doch anders herum?

Ethans Grinsen wurde voll und er verschränkte die Arme vor der Brust. "Und was wenn nicht, werde ich dann auch getötet?" Mit überlegendem Blick und siegessicheren Grinsen schaut der rothaarige Junge meine Halbschwester an, die langsam rote Wutflecken im Gesicht bekommt.

Mir schwärmt böses vor Augen, denn Eva ist in Situationen von Wut und Verzweiflung zu allem fähig. Und der Punkt töten gehört auch dazu.

Nun ist es Eva, die trotz Wutflecken anfängt siegessicher zu grinsen. Sie tritt einen Schritt näher an Ethan, der sich nicht vom Fleck bewegt und ich trete währenddessen einen Schritt zurück. Mir ist diese Situation echt nicht geheuer! Wir stehen alle drei nahe an der Kante und ein falscher Schritt würde genügen um einen von uns umzubringen.

"Dass du nicht von Schuldgefühlen zerrissen bist überrascht mich ehrlich gesagt, Eva. Auch wenn wir uns nicht gut kennen, nur aus Erzählungen von Christian. Ach und Diva- Helen, bevor wir dich noch vergessen. DU warst nur ein Alibi für Christian und mich, nichts besonderes in keinerlei Hinsicht. Während du ihm hinterher gedackelt bist wie ein notgeiler Welpe haben wir beide und prächtig amüsiert. Und Christian insbesondere, die Geschichte kennst du ja schon. Du hast sie ja schließlich aus erster Hand erzählt bekommen", spottet Ethan herablassend und nun  bin ich an der Reihe Wutflecken im Gesicht zu bekommen. In mir brodelte es, wie in einer überhitzten Teekanne auf dem Gasherd, die dort viel zu lange draufstand und in jeden Moment ihren kochenden Inhalt mit denen Teilen konnte, der, die, das nicht mehr schnell genug in Deckung laufen konnte.

Ich lache hämisch auf und setze mein bestes Bitch-Lächeln an den Tag, welches ich früher immer meiner Cousine Celine zugeworfen habe, wenn sie den Gang runter und an mir vorbei geht. Und jetzt ist es wieder an der Zeit dieses lächeln zu entstauben und wieder zu gebrauchen.

"Du denkst wirklich mich interessiert Christian seit er tot ist?", frage ich. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und meine blonden Locken fangen an im Takt zu wippen. " Nein, das tut er schon lange nicht mehr. Auch schon vor seinem Tod nicht. Und daran bist du schuld Ethan, du verbiesterst alles und jeden um dich herum. Du bist einfach ein psychotisches Gift und dein dummes "Wahrheit oder Pflicht"- Spiel unterstreicht dies nochmal dick in blutrot. Ironisch nicht wahr?"

Mit jedem Schritt komme ich Ethan einen Schritt näher und dränge ihn näher an die Kante des Daches, bis der Abstand vom Dach bis hin zur Tiefe nur noch sehr gering ist. Einmal umkippen und er oder eine von uns ist eine verewigte Briefmarke für diese Schule.

Ethan lachte schallend über meine Rede der inneren Wut und hebt belustigt die Hände. "Willst du mich umbringen, Helen? So wie Eva Christian nur ohne Eisenhut und einem gefälschtem Brief, worin der Suizid erklärt wird?" Er lachte nur weiter und Eva habe ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Jetzt sind nur ich und Ethan wichtig. "Wie wollt ihr meinen Körper ohne Beweise verschwinden lassen? Gibt's zu, ihr würdet früher oder später erwischt werden und endet dann wie unsere Liebe Davina Luna hinter Gittern. Also was wollt ihr tun?"

"Zwei Schlangen, die andere Schlangen töten müssen um in den Garten der Freiheit zu kommen. Da merken sie gar nicht wie wertlos und emotionslos selbst die schlimmsten Sachen, wie ein Kinderspiel umsetzen. Mord, ihr Süßen, schämt euch in Grund und Boden noch auf Erden zu wandeln!"

Und dann reißt die Leine der Geduld und ich traue mich es zu tun. Vor Wut, Verzweiflung an der ganzen Sache  mit Christian und allem anderem reiße ich Ethan an der Jacke und stoße ihn vom Schuldach, ohne nur einen Gedanken an etwas zu verschwenden.

Jetzt fliegt Ethan mit einem grellen Schrei in die Tiefe und keiner wird diesen jemals wieder hören.

Ethan ist tot und ich habe ihn getötet.

"Hast du jetzt Gewissensbisse deswegen?", fragte Eva monoton und reichte mir ein Handy. Ich nehme es in die Hand und schaute auf das Display. Ein Bild von Ethan und Christian in einer Bar in Norwegen letzten Sommer.

"Nein, das Thema Christian und Ethan ist für mich vom Tisch. Lass ihn uns wegschaffen und nach Hause gehen. Ich bräuchte jetzt ein Spa- Wochenende mit Maniküre, Pediküre, Massage und allem was dazugehört. Wir haben uns eine Pause verdient und zwar von allem. Jetzt haben wir das lästige Problem Ethan Dinkel aus der Welt geschafft."

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