Gespräche unter Brüdern

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Die Nacht machte es Azriel schwer zu erkennen, wo genau er landen musste. Dank seiner Schatten, die ihm bereits zuflüsterten da zu sein, landete er auf weichem Boden.

Mit sicheren Schritten lief er auf das alte Waldhaus zu, dass ohne Ophilies Illusion deutlich vom Angriff von Berons Männern gezeichnet war.

Azriel erlaubte sich nicht weiter um Ophilies Vergangenheit zu sorgen, sondern dachte nur an das, was noch alles vor ihnen lag. Ansonsten hätte der Anblick der maroden Hütte ihm wohl endgültig das Herz gebrochen.

Er fand den Eingang recht schnell und trat ein - und erschrak, als ihm das Gesicht seines zweiten Bruders grinsend entgegen sah.

„Was zum Kessel machst du hier?" Und nicht in Nestas Bett? wollte Azriel weiter fragen, entschied sich aber nur für den ersten Teil des Satzes.

Cassian, der auf seinem Stuhl saß, die Beine überkreuzt auf den Tisch abgelegt hatte, grinste frech auf. „Ich dachte, ich helfe dir bei deiner Suche." sagte er und hielt etwas in die Höhe.

Azriel erkannte es sofort und lief zu seinem
Bruder zu. „Woher wusstest du, dass ich hierher kommen würde?"

Cassian warf die Kette durch die Luft. Der Schattensänger fing sie sofort und begutachtete das Stück in seiner Hand. Alles war noch ganz und in bester Ordnung.

„Du willst oder musst morgen mit deiner Liebsten in ein verdammt kaltes Land reisen und hast keine Ahnung, was ihr dort über sie herausfinden werdet. Noch kommt hinzu, dass sie gerne mal verschwindet, wenn ihr Situationen zu heikel werden und euer Band ist längst nicht so stark wie das zwischen anderen Gefährten. Da war mir fast klar, dass du dir die Kette holen willst. Ich gebe allerdings zu, Ich musste länger suchen, als gedacht. Sie hat sie wirklich weggeworfen. Sie lag in der hintersten Ecke ihres Nachttisches."

Dennoch trug sie sie immer bei sich. Bei all ihren Reisen.

Azriel hätte sie so jeder Zeit finden können.

Und heil war der kleine Anhänger, in der einer seiner vielen Schatten steckte, auch noch.

Ihm wurde schwer ums Herz. Sie hatte ihn immer bei sich gehabt. Egal wie oft sie gewandert war. Egal wo der Weg sie hingeführt hatte.

Und er hatte geglaubt, sie hätte die Kette in den nächsten Bach geworfen. Er hatte sich deshalb schon lange nicht mehr die Mühe gemacht, dem Schatten in der Kette zu rufen.

„Geht es ihr gut?"

Der Schattensänger nickte müde. „Den Umständen entsprechend, ja."

„Und dir? Wirst du klar kommen?"

Wieder ein Nicken, bevor er die Kette in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Ja. Mir gehts gut. Nichts, was wir nicht schon einmal hatten."

Cassian hob fragend die linke Braue an. „Nichts was wir nicht schon mal hatten? Kann mich nicht erinnern, dass jemals einer unserer Gefährtinnen von ihrem dreimal verfluchten Vater umgelegt werden soll. Mit Spionen, die nicht mal Rhys Wachen bemerken."

Seufzend zieht Azriel sich einen freien Stuhl zu sich, dreht ihn herum und setzt sich darauf. „Ähnliche Situationen. Rhys wurde auch schon das ein oder andere mal nach dem Leben getrachtet."

Cassian Zähne blitzten auf. Er grinst frech über beide Ohren auf. „Aber Rhys ist weder deine Bettgeschichte noch deine Gefährtin."

Sofort lief Azriels Kopf rot an. „Sie ist nicht meine Bettgeschichte!"

„Nein", sagt Cassian nun deutlich strenger, „Sie ist die Frau, die du aus vollem Herzen liebst und der du die dümmsten Geschichten auftischst und sie für deine Kleine glaubhaft schmackhaft machst, damit dein beschissenes Gewissen Ruhe gibt. Und all das nur, weil du dir einredest, nicht genug für sie zu sein."

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt