Auftauen in vernarbten Händen

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„Große Scheiße, du bist eine Göttin?" krächzte Amren los und klatschte vor Freude in die Hände. „Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen? Als ob Berons Gene auch nur die Chance hätten Odlunas vererbte Macht zu drosseln."

Vorsichtig half Azriel Ophilie in die heiße Badewanne im Hotelzimmer. Er hatte noch nie zuvor jemand so kaltes berührt. Es war ein Wunder, dass sie ihre Glieder überhaupt noch bewegen konnte. ... und dass sie noch lebte.

Immer noch waren ihre Lippen eisig Blau und ihre Haut so weiß wie Schnee. Das Zittern und das Zähneklappern war für den Schattensänger beinahe schon zu einem monotonen Hintergrundgeräusch geworden, auch wenn er ihr am liebsten das größte Feuer der Welt entfacht hätte, um sie schneller wieder aufzutauen. Doch die warme Badewanne war am Ende schneller erledigt und einfacher in der Handhabung als ein riesiges Feuer.

Ophilies Körper zischte und knisterte, als das heiße Wasser auf ihre eiskalte Haut traf. Sie war kurz davor gewesen, eins mit dem Eis zu werden. Gerade noch rechtzeitig konnte ihr Azriel helfen, mithilfe der Feuersteine aufzutauen.

Jetzt galt es, sie warm zu halten. Auch wenn Azriel nicht gänzlich wusste, ob Ophilie noch in der Lage war als Göttin eine Erkältung zu bekommen.

Dennoch wollte er kein Risiko eingehen.

Amren dagegen schien sich weniger um Ophilies unterkühlten Zustand zu interessieren. Seit Ophilie mit klappernden Zähnen auf ihre Rückreise zum Hotel alles über das Treffen erzählt hatte, blieben wohl nur zwei Sachen in Amrens Kopf haften. Ophilie war eine Göttin. In Gestalt einer High Fae.
Ophilie sollte das Erbe von Odluna und Beron an sich nehmen und den Thron für sich beanspruchen.

Azriel dagegen war nur eines wichtig; sie lebte. Und sie war seine Partnerin. Seine Gefährtin. Mehr zählte für ihn nicht. Zumindest so lange nicht, bis ihr Körper wieder aufgetaut war.

Dann, vielleicht, würde er sich über die Themen, die Amren so beschäftigten ebenfalls Gedanken machen. Vorher jedoch nicht.

Mit den Beinen an den Körper gezogen und die Arme darum gelegt, zitterte Ophilie trotz des dichten Badedampfes auf. „Mich stört die Tatsache mehr, dass ich immer noch nicht weiter gekommen bin. Weder beim Tod meiner Mutter noch wie wir Beron vor den anderen High Lords damit anklagen wollen. Ich kann schlecht behaupten, meine Mutter getroffen zu haben. Wer soll mir das glauben?"

„Kallias und Viviane vom Winterhof." brummte Azriel leise und griff nach einigen Badeölen, die neben der Badewanne standen, „Du hast gesagt, Odluna sähe dir ähnlich. Sie werden die Göttin von Schnee und Eis selbst noch von früheren Geschichten kennen und dir glauben."

Amren entfuhr ein brummender Laut. „Nur blöd, dass deine Kleine über die Fähigkeit der Illusion verfügt. Außer uns hat Ophilie nie jemand wirklich zu Gesicht bekommen, in all den Jahrhunderten, in denen sie verbogen vor der Öffentlichen gelebt hat. Beim damaligen Ball am Herbsthof war sie selber noch viel zu jung, um Ähnlichkeit mit Odluna zu haben. Alle werden glauben, sie kopiere einfach nur die Göttin selbst."

Da hatte Amren nicht allzu unrecht.

Langsam ließ sich Azriel das Öl auf die Hände fließen. „Es gibt nicht mehr viele Götter auf unserem Kontinent, die wir um Hilfe bitten können." sagte er, stellte das Öl wieder am Badewannenrand ab und begann Ophilies Rücken sanft auf und ab zu fahren.

Sofort fielen ihr die Augenlider zu und ihr entfuhr ein sanftes Brummen.

Azriel bemerkte, wie Amren fasziniert den Beiden zusah. „Vielleicht brauchen wir die auch nicht. Vielleicht reicht ihr beide als Beweis aus. Ein Band zwischen einer Göttin und einen Illyrianer. Sowas gab es noch nie. Oder überhaupt ein Bündnis mit einem Gott."

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt