Kampf mit Worten und Schlägen

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Sie trat mit wackeligen Beinen aus dem Speisesaal heraus. Nahm noch beim Schließen der doppelflügrigen Tür eine dunkle glatte Stimme wahr, die sich ebenfalls entschuldigte.

Ein Stuhl wurde herangefahren. Schritte waren zu hören.

Doch Ophilie starrte nur in die Leere vor sich als ihr eine Sache schlagartig klar wurde. An ihren Händen klebte bereits Blut Unschuldiger. Das ihrer Mutter. Das der Leute, die sie über die Jahrhunderte über versteckt hatten. Viele waren gestorben - und sie stand mit ihnen allen in Verbindung.

Hatte Amren wirklich Recht? Wie könnte eine Halbgöttin dazu im Stande sein, das Blut Unschuldiger an ihren Händen zu tragen?

„Ophilie." hörte sie die dunkle Stimme hinter sich, die sich zuvor noch am Tisch entschuldigt hatte, und nun auch gegangen war.

Die Blondine drehte sich herum und entdeckte Azriel hinter sich. Sein Gesicht wirkte besorgt. Neugierig. Traurig und auch sehnsüchtig. „Ist da etwas dran? Glaubst du, Amren hat Recht?"

Ophilie senkte den Blick wieder. „Ich schätze schon. Zumindest ergibt es irgendwie Sinn. Über mich. Über meine Kräfte. Der Grund, warum Beron mich unbedingt tot sehen will. Warum ich nie etwas über meine Mutter erfahren habe.", sie schnaufte trocken auf, „Mein mittellose Mutter, die mich abgab und die mein Vater töten ließ, weil sie ohnehin nichts hatte. Genau wie Lucien's Geliebte. Genauso wie viele andere Leute auch. Aber wenn das alles stimmt - und er mich nur gezeugt hat, um ein göttliches Wesen zu erschaffen, dass die anderen Höfe irgendwann in Asche und Eis verwandeln sollte ... und dafür eine Göttin getötet hat." Ophilie brach ab.

Sie hatte noch nie zuvor solchen Schmerz gespürt. Nie zuvor, wenn sie an ihre Vergangenheit gedacht hatte. Nie, wenn sie an ihre Mutter dachte.

Erst durch Amrens Worte fühlte sie wie ein Schleier von ihren Augen gezogen wurde. Als ... wüsste sie die Wahrheit tief in ihr drin. Als hätte es nur diesen kleinen Hinweis gebraucht.

Meine kleine Prinzessin aus Eis und Feuer. Das Herz einer Löwin schlägt in deiner Brust. Mutig und weise.

Dieser Satz verfolgte sie ihr Leben lang bereits. ... War das Odlunas Stimme gewesen?

Mit einigen Schritten Abstand kam Azriel zum Stehen. Seine Haselnussbraunen Augen verfolgten jedem Atemzug von ihr, während seine Arme sie tröstend an sich zogen.

Ophilie schlang die Arme ohne zu zögern um ihn herum. Seine Wärme tröstete sie sofort - und wieder wünschte sie sich seinen vertrauten Geruch wieder riechen zu können.

„Was hast du jetzt vor?"

Ophilie überkam ein seltsames Gefühl der Melancholie. Sie lächelte bitter an seine Brust. „Weiß ich nicht. Mal wieder nicht."

„Ich kenne dich ein paar Dukaten zu lange, um zu wissen, dass du immer einen Plan hast. Du hattest schon immer Vermutungen. Amren hat sie Dir bestätigt, nicht wahr?" sagte Azriel mit einem leichten Lächeln in der Stimme.

Ophilie zog die Lippen schmeichelnd zusammen und hob eine Braue an. Dann sah zu ihn hinauf. „Keine Vermutungen. Nur Gedanken. Träume.  Erinnerungen, die allmählich zusammenpassen. Aber mir fehlt noch so viel Wissen. Ich ... habe meinen Vater geglaubt. So naiv und dumm bin ich bis heute noch."

„Du willst zum Winterhof?"

Ophilies Mundwinkel fielen wehmütig nach unten. „Ich kann nicht mehr gehen wohin ich will. Amren hat Recht. Es geht hier nicht darum, dass er mich loswerden will, weil wir beide Sex hatten. Er will mich loswerden, weil sein eigenes Leben daran hängt. Er wird sich nicht damit zufrieden geben, wenn er weiß, dass ich hier bin. Bei dir und Rhys. Für ihn hängt viel mehr daran als wir je gedacht hatten. Er wird wieder kommen und es wieder und wieder versuchen. Selbst Rhysands Leben ist ihn weniger wert als sein eigenes. Eher würde er wahrscheinlich einen Krieg der Höfe anfangen als es zu riskieren, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Und das ist verdammt gefährlich für uns alle."

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt