Erflammter Widerstand

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Kallias Augen weiteten sich entsetzt. Er starrte die Göttin vor sich an. Sah erneut in ihre Augen, auf die helle Haut und das hellblonde Haar, das in blutigen und verschneiten Strähnen um Ophilies Kopf herum wehte.

Er betrachtete die Schneeflocken, die Ophilies Händen entsprangen und rund um ihren Körper tanzten.

Er spürte ihre Macht, die sie nicht mehr klein hielt, sondern offen und für jedermann erkenntlich.

„Odluna." flüsterte er heißer und schien die Ähnlichkeit zwischen den beiden Göttinnen zu bemerken. „Du bist ihre Tochter. Die verstorbene Prinzessin."

„Unsinn!" ertönte eine eiskalte Stimme, die nur Beron gehören konnte.

Im Saal war es inzwischen ruhig geworden. Jeder starrte auf die verletzte Göttin, die am runden Teich mitten im Saal der Versammlung der High Lords stand.

Ophilies Kopf drehte sich zu ihrem Vater herum. Sie zog die Augen zu zwei gefährlichen Schlitzen zusammen.

Beron hatte sich von seinem Thron erhoben und lief nun auf Ophilie, Kallias und Eris zu. „Nichts als Lügen." schimpfte er und blieb mit gebührenden Abstand vor den dreien stehen.

Kallias hob nachdenklich eine Braue an. „Dafür, dass sie nur die Bastardtochter einer deiner ehemaligen Geliebten sein soll, scheint dir ihr Auftritt hier ziemlich viel auszumachen."

Beron knurrte und zog nun ebenfalls die Augen zusammen. „Weil ich einen Verräter kenne, wenn ich ihn sehe. Und Verrat war in meinen eigenen Reihen schon immer an der Tagesordnung."

„Lustig, dass du von Verrätern sprichst, Vater!" fuhr Eris dazwischen und legte Ophilie unterstützend eine Hand auf die Schulter. „Du hast sie verstoßen. Verraten. Du hast sie gejagt. Du wolltest sie tot sehen und bist für all diese Narben an ihrem Körper verantwortlich! Du hast sie zum sterben, einsam und verlassen, an einer Grenze zurück gelassen. Du hast eine Göttin getötet und damit ihr die Mutter genommen. Die einzige Person, bei der sie damals sicher gewesen wäre. Bei der sie hätte lernen können, mit ihren Gaben umzugehen. Und das alles nur, weil du Angst hattest, dass sie erfahren könnte, was sie ist und dass du sie nur gezeugt hattest, damit sie dein Erbe antreten kann. Unter seinem Einfluss und mit seiner Brutalität!"

Ophilie hörte einige der High Lords nach Luft schnappen. Sie selbst musste bei den Worten an ihre Mutter mit den Tränen kämpfen.

Er hatte sie ermordet. Ihre Mutter. Ihre Göttin und Beschützerin.

Kallias hatte sämtliche Farbe in seinen bereits schon von Natur aus blassen Gesicht verloren. Er schüttelte unglaubwürdig den Kopf. „Das kann nicht sein." sagte er flüsternd und starrte den High Lord des Herbstreiches erschrocken an.

Beron bleckte die Zähne. Er verlor immer mehr seiner lang geübten eisernen Maske. Er schien sich wirklich sicher gewesen zu sein, dass Azriels Brüder und Vater sie beide vernichtet hätten. Doch nun stand sein einziger Beweis, der ihn verraten würde, direkt vor ihm. „Kallias, Ihr glaubt doch nicht ernsthaft einer dahergelaufenen Frau mehr als mir?"

„Sie ist zumindest ein Frau, die es geschafft hat, Eurem finsteren Sohn Gefühle vor allen anderen zu offenbaren. Mehr als nur Mordlust und Tücke." sagte Tarquin in fester tiefer Stimme und stand nun ebenfalls von seinen Thron auf. Er sah zu Ophilies Vater und verengte die Augen. „Sie ist eindeutig nicht seine Geliebte. Das scheint der Mann zu sein, dem gerade das Leben gerettet wird. Und Ihr, werter Beron, scheint daran beteiligt zu sein, oder nicht?"

„Unsinn!" fuhr Beron los.

„Es steht Aussage, gegen Aussage", sagte nun Tamlin laut und erntete von Feyre einen finsteren Blick. Daran schien er sich jedoch nicht zu stören. „Wie wissen weder wer diese Frau ist, noch wie sie in Verbindung mit Beron steht. Sie könnte genauso lügen, wie sie es selbst Beron vorwirft."

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt