Schwester und Bruder

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Was hast du ihm gesagt?, fragte Ophilie in Gedanken an Rhysand, der nun zusammen mit Feyre auch das Esszimmer betrat.

So ziemlich alles. Anfangs hat er geglaubt, es wäre alles ein böser Scherz, doch je mehr und detaillierte ich von dir erzählt habe, umso interessierte und vor allem besorgter schien er um dich zu werden.
Als könnte dieser Eisblock tatsächlich etwas anderes als Arroganz und Häme fühlen.

Ophilie richtete den Blick wieder zu Eris auf, der sie zuvor noch um ein Gespeäch gebeten hatte. „Darum würde ich bitten." sagte sie leise und stand auf.

Eris hakte sich bei Ophilie unter. „Eine Runde durch die Stadt, meine Liebe?"

„Nein!" antworte die Göttin sofort. „Wir wissen nicht, ob Beron vielleicht noch weitere Spione hierher eingeschleust hat oder die auf dem Weg hierher sind. Das letzte, was wir ihm zeigen sollten, sind wir zusammen."

Eris nickte verständlich. Dann deutete er auf die Esstafel. „Hier?"

Ophilie nickte und ging zusammen mit ihrem Halbbruder an den Tisch.

„Wenn etwas ist, sind wir draußen." sagte Rhysand im ernsten Ton und sah dann zu Azriel, dessen Blick aus lodernden Flammen bestanden. „Kommst du mit?"

Azriels Schatten folgten Ophilie auf Schritt und Tritt und wirbelten um die Göttin herum. Ophilie sah ihrem Mann deutlich an, dass er nicht bereit war sie alleine zu lassen. Vor allem nicht mit einem Mann, den er nicht weder mochte und vertraute.

Doch zu Ophilies Überraschung stand er trotzdem auf. Sanft küsste er ihre Stirn. „Lass mich wissen, wenn ich dir zur Hand gehen kann." flüsterte er zart, erhob sich und ging im langsamen Schritten zu seinem High Lord. Ohne Eris aus den Augen zu lassen. Doch das war kaum nötig. Seine Schatten, die ohnehin alle bei Ophilie waren, flüsterten ihm alles wichtige zu.

Und das wusste auch Eris, der nur müde die Augen verdrehte. „Ich fasse sie schon nicht an, Schattensänger!" brummte er genervt und setzte sich Ophilie gegenüber.

„Wenn doch, wird sie sich ohnehin um dich kümmern!" brummte dieser und wurde von seinem Bruder nun sanft aber bestimmt aus dem Zimmer geschoben.

Nun waren sie alleine.

Doch Unbehagen breitete sich nicht bei Ophilie aus. Sie war selbst ganz erstaunt.

Eris studierte lange ihr Gesicht. Versuchte anscheinend Ähnlichkeiten mit ihrem Vater zu finden. Dann blieb er bei der langen weißen Narbe auf ihrem Gesicht hängen.

Eris Mundwinkel rutschten nach unten. „War Vater das auch?"

Ophilie lächelte mild. „Er nicht. Er selbst ist für die wenigstens Narben verantwortlich."

„Aber seine Lakaien." antwortete Eris sich selbst. „Rhysand hat erzählt, dass du nicht mehr riechen kannst."

Sie nickte.

„Was hat er die noch angetan?" fragte Eris nun deutlich trockener nach. Nicht mitfühlend. Nicht besorgt. Viel mehr interessiert an ihrer Geschichte.

Eigentlich kein Thema, das Ophilie am Herzen lag. Doch sie musste zuerst das Vertrauen Eris gewinnen. Und wenn sie ihm damit für sich gewinnen konnte, wollte sie nicht einschreiten.

Und so erzählte sie ihm ihre Geschichte. Ehrlich und unverschönt. Über die Jahrzehnte im Herbstreich. Über ihre Ausbildung. Über den Morgen, an dem sie Beron aus dem Land vertrieben hatte. Über ihre Flüche. Über die Verletzungen und Narben und auch, wie sie ihren Geruchsinn verloren hat. Sie sprach über die Umzüge und das Exil, wie viele Menschen sie bereits verloren hatte, die ihr Unterschlupf gewährt hatten und auch über den Tod ihrer Mutter.

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt