Ein Treffen mit der Familie

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„Meinst du, es ist wirklich eine gute Idee, deine Fledermaus im selben Raum zu lassen, in dem auch Eris ist?"

Amren hatte sich bei Ophilie untergehakt und lief mit der Göttin an ihrer Seite durch die Flure des Haus des Windes.

Ophilie seufzte schwer. „Nein. Überhaupt nicht. Ihn hat nach unserer Trauung gestern endgültig die volle Wucht seiner Hormone getroffen. Als wir heute morgen wieder hier angekommen sind, ist er ohne Umwege zu Cas gegangen und hat ihn nach allen Künsten der Gewalt vermöbelt. Es hat zwei Stunden gedauert und die komplette Übungsstunde mit den Walküren, bis sie fertig waren.
Danach sind beide gehumpelt. Auf beiden Beinen. Nesta und ich sind kaum hinterher gekommen mit der Versorgung ihrer Wunden. Az hat Cas die Nase gebrochen. Zweifach.
Dafür hat Cas ihn zwei Rippen gebrochen und die Farbe von Azriels Oberschenkeln ist so bunt wie ein Regenbogen."

„Illyrianische Babys."

Amren grunzte gehässig auf und bog mit Ophilie um die nächste Ecke.

Die Blondine schüttelte ihren Kopf, sodass ihre langen Haare, die sie heute offen trug, um ihre Schultern tanzten. „Er tut mit wahnsinnig leid. Ihn hat nicht nur die volle Breitseite dieses Hormonchocktails getroffen, ich weiß auch, wie sehr er Eris hasst. Trotzdem macht er mit. Ich hoffe, Rhys lässt sich noch irgendwas einfallen, was seinen Bruder nicht allzu sehr quälen sollte."

Amren gab einen nachdenklichen Laut von sich. Dann sah sie ihre beste Freundin vorsichtig von der Seite an. „Wer weiß außer mir, dass ihr euch gestern still und heimlich das Ja-Wort gegeben habt? Cas? Rhys? Ich will ungern damit posaunen, dass ich keine Trauzeugin bei der Hochzeit meiner besten Freundin war."

Ophilie verdrehte genervt die Augen und schüttelte den Kopf. „Es war spontan. Hätten wir dich eingeladen, hättest du es früher oder später Cas unter die Nase gerieben. Cas wäre zu tiefst enttäuscht gewesen, dass Az ihn nicht eingeladen hatte - und so wäre es der Anfang vom Ende gewesen. Du weißt doch, wie nahe Cas Azriel steht.
Dann wäre es heute wohl nicht nur bei ein paar gebrochenen Rippen und blauen Flecken geblieben.
Aber wir werden es nachholen. Irgendwann."

„Also weiß er es nicht?"

Ophilie schüttelte den Kopf und blieb vor der Tür zum Esszimmer des Haus des Windes stehen. Sie lächelte zart auf und legte auch noch die andere freie Hand an Amrens Arm. „Nein. Niemand weiß es außer dir. Vielleicht ahnt Rhys etwas, aber wenn, dann hat er es sich heute morgen nicht ansehen lassen. Ich kann mich auf dich verlassen, dass du die Klappe halten wirst?"

Grinsend hob Amren eine Braue an. „Du weißt, wie sehr ich Drama liebe - und du hast Glück, dass du meine beste Freundin bist und ich für dich schweigen kann."

„Sehr heroisch von dir."

„Nimm es als Wiedergutmachung für die öffentliche Enthüllung deines wahren Wesens."

Kurz verfinsterten sich Ophilies Gesichtszüge, als sie an den Abend dachte, an dem sich ihr Leben so schlagartig geändert hatte. Doch dann klärten sich die Regenwolken in ihrem Geiste wieder.

Sie atmete nervös aus.

Plötzlich kam ihr das Kleid, das sie trug viel zu eng und ungemütlich vor. Mor hatte ihr extra eines für diesen Anlass nähen lassen - und unter anderen Umständen, hätte es Ophilie auch wirklich geliebt.

Sie trug ein mit Juwelen besetztes schillerndes Bandeau-Oberteil, das mit einem seidenen, drapierten silbernen langen Rock verbunden war. Das Kleid hatte einen Seitenschlitz und auch einen Ausschnitt an ihrer unversehrten Rippenseite, das ihr Eulentattoo perfekt zur Geltung brachte.

Dazu trug sie silberne Sandaletten.

Ophilie trug nicht oft Kleider - und am liebsten hätte sie auch an diesem Tag ihre Trainingssachen angezogen. Doch Rhys und auch Mor legten großen Wert darauf, dass Ophilie wenigstens heute so damenhaft wie möglich aussieht.

A Court of Fire and Ice | Azriel Fanfiction  | Watty 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt