Kapitel 10

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Johnny stürmte förmlich in das Haus. Er durchsuchte jedes Zimmer, doch Lu fand er nirgends. Der Chauffeur war zu jener Zeit noch nicht wieder zurück. Ohne zu zögern, stieg Johnny wieder in sein Auto und fuhr die Straßen ab. Stehts auf der Suche nach ihr.
"Fuck!", brüllte er und schlug auf das Lenkrad. Verzweifelt und aufgebracht fuhr er sich immer wieder durch die Haare. Eine Ewigkeit verging, ehe er wieder zu Hause ankam und sich fluchend auf die Couch fallen ließ. Sein Blick blieb an der Bar hängen, wobei seine Finger anfingen zum zucken. Erneut fuhr er sich durch die Haare und fasste sich immer wieder nervös an den Bart.
"Warum ausgerechnet jetzt?", knurrte er. Er hätte sich nicht gewundert, wenn Amber etwas mit der Stripperin zu tun hatte. Der Drang in ihm wuchs und schließlich gab er den Kampf gegen sich selbst auf. Er ging zur Bar und schenkte sich ein Glas Whiskey ein. Dann noch eines. Fluchend nahm er die Flasche und trank daraus einen kräftigen Schluck. Immer wieder versuchte er Lu zu erreichen. Schrieb ihr Nachrichten. Doch sie antwortete nicht. Mit schmerzerfülltem Gesicht betrachtete er das Bild von ihr und sich, das er als Hintergrund hatte. Eine Träne hatte sich den Weg nach draußen erkämpft. Und dann noch eine. Und noch eine. Die Flasche fand erneut den Weg an seine Lippen und er trank sie beinahe komplett aus. Im nächsten Moment schmiss er sie wütend an die Wand, wo sie in tausend Scherben zerschellte. Fluchend zerzauste er sich die Haare und trat dabei gegen den Tisch.

Als ich Helen's Haus verließ, war es bereits Abend. Sie hatte mir netterweise ein Taxi gerufen. Ich war überglücklich, dass ich sie als Freundin bezeichnen konnte. Helen war eine herzensgute Frau. Am Weg zu Johnny's Haus läutete mein Handy. Es war Malice. Bevor ich abhob, bemerkte ich die unzähligen Anrufe und Nachrichten von Johnny. Mein Herz verkrampfte sich, doch ich drang das Gefühl in den Hintergrund und hob ab.
"Sweetwhiskey! Es tut mir so unendlich leid!", kam es sofort vom anderen Ende der Leitung. "Ich Idiot habe mein Handy beim Joggen im Wald verloren! Fuck, ich hab das Bild gerade im Internet gesehen... Ich schwöre dir, wenn er dich betrügt, dann..."
"Blueberrycake", unterbrach ich sie. "Es ist schon okay. Ich bin dir nicht böse."
Mit viel Kraft erzählte ich ihr, was alles vorgefallen war. Dabei ließ ich das Gespräch mit Helen nicht aus. Die Autofahrt war dank des Verkehrs lang genug. Als wir jedoch in die Straße von Johnny's Haus einbogen, musste ich auflegen. Meine Hände zitterten leicht, doch ich bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Scar stupste mich immer wieder aufmunternd mit der Schnauze an. Vor dem Haus atmete ich noch ein letztes Mal tief durch. Auf alles vorbereitet, betrat ich das Gebäude und zog mir meine Schuhe aus. Kaum war ich im Wohnbereich, stockte mir mein Atem. Johnny saß mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa und rauchte. An der Wand war ein kleines Loch und ein riesiger Whiskeyfleck. Darunter etliche Glasscherben. Der Couchtisch war halb durch den Raum geschoben. Seine Haare waren zerzaust und sein Hemd halb offen, als hätte er sich gerade mit jemanden duelliert. Und ich wusste auch ganz genau mit wem. Sein Gegner war niemand geringerer als er selbst. Noch hatte er mich nicht bemerkt, doch als ich auf ihn zuging, hob er erschrocken seinen Kopf und sah mich an wie ein aufgeschrecktes Reh. Taumelnd sprang er auf die Beine, wobei er sich an der Lehne festhalten musste. Anscheinend hatte er schon eine ganze Menge intus.
"Lu...", murmelte er und torkelte zwei Schritte auf mich zu. "Ich dachte... Du wärst... Weg... Die ganze Stadt ist durch mich gefahren.... Nein, ich meine ich bin durch die ganze Stadt gefahren..."
Meine Kehle war wie zugeschnürt. Erinnerungen an meine Vergangenheit kamen wieder hoch und als er noch einen Schritt auf mich zu machte, wich ich zurück.
"Lu... Es tut mir so leid... Wirklich...", brabbelte er. "Ich... Da war nichts... Sie kam einfach zu mir... Ich hab sie gleich weggeschoben, bitte glaub mir... Lu.... Ich... Ich liebe dich..."
Ich wusste nicht mehr, was ich fühlen sollte. Überwältigt von Schuld Gefühlen, meiner Vergangenheit und dem Schmerz der Eifersucht, ballte ich meine Hände zu Fäusten. Wie hatte ich nur einen Moment an ihm zweifeln können? Wie nicht?, flüsterte der kleine Teufel auf meiner Schulter.
Erneut wagte Johnny einen Versuch und kam auf mich zu, doch ich wich doch weiter zurück.
"Was ist?", stammelte er. Seine Stimme hatte sich plötzlich verändert. Sie war wütender. "Hast du Angst, dass ich dich schlage?"
Dieser Satz traf mich mit voller Wucht. Entgeistert sah ich ihm in seine glasigen Augen. Doch sein noch eben wütender Gesichtsausdruck veränderte sich schnell wieder. "Es tut mir leid... Das wollte ich.. Nicht sagen...", murmelte er und fuhr sich dabei durch die Haare.
Mein Herz schlug mir bis zur Brust. So verletzt ich auch war, ich liebte und vertraute ihm. Mit letzter Kraft ging ich zu ihm und nahm seinen Arm, um ihn um meine Schultern zu legen. Ohne ein Wort half ich ihm die Treppe hinauf ins Schlafzimmer.
"Es tut mir so leid...", murmelte er. Der Whiskeygeruch war sehr stark. "Ich wollte nicht trinken..."
Im Schlafzimmer angekommen, setzte ich ihn aufs Bett und begann ihn auszuziehen. In jenem Moment kam er mir vor wie ein kleines Kind.
"Beschwer dich nicht über die Entzugserscheinungen...", war alles was ich sagte. Johnny musterte mich wortlos, doch als ich fertig war, legte er eine Hand an meine Wange und strich zärtlich darüber.
"Verzeih mir... Bitte...", nuschelte er. Für einen kurzen Moment legte ich meine Hand auf seine. Aber ich nahm sie dann von meiner Wange und stand auf. "Ich schlafe in einem der Gästezimmer.", meinte ich noch, bevor ich das Zimmer verließ. Gemeinsam mit Scar legte ich mich in eines der Gästebetten. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Die halbe Nacht heulte ich mir die Augen aus.
In den frühen Morgenstunden schlief ich schließlich ein. Doch sollte mein Traum mir keine Ruhe gönnen. Johnny befand sich direkt vor mir. Von irgendwo oben regnete Whiskey herab und durchnässte seine Klamotten, seine Haare und seine Haut. Mit einem schiefen Grinsen leckte er sich über seine Lippen und sah mich dabei die ganze Zeit über an. Im nächsten Moment wachte ich auf und fuhr in Bett hoch. Noch etwas benommen von dem Traum, fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht.
"Fuck...", murmelte ich und ließ mich wieder ins Kissen fallen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es bereits kurz vor 12 war. Seufzend starrte ich an die Decke und dachte an den letzten Tag. Plötzlich klopfte es an der Türe und Johnny kam leise herein. Er trug ein Tablett mit Frühstück bei sich. Sein Gesicht spiegelte pure Reue wider. Und Kopfschmerzen.
"Morgen...", murmelte er verlegen und stellte das Tablett neben mir ab. Scar hob kurz den Kopf. Nur langsam richtete ich mich auf. Johnny zögerte bevor er am Bettende Platz nahm. Erst als ich den Blick von ihm abwandte, bemerkte ich einen Rosenstraus in einer Vase am Nachttisch. Er musste die Blumen gebracht haben, als ich noch geschlafen hatte. Mein Herz wurde etwas weicher und ich sah wieder zu ihm.
"Ich bin ein Vollidiot. Und vielleicht auch ein Arschloch...", brummte er und spielte dabei nervös mit den Ringen an seinen Fingern herum. Dabei bemerkte ich, dass seine Hände etwas zitterten.
"Ich würde nicht einmal eine andere Frau ansehen, Baby...", fuhr er fort und sah mir in die Augen. "Ich weiß, ich habe viele Fehler gemacht. Mehr als genügend... Und deswegen sind meine Worte mehr als nur unglaubhaft... Dennoch... Darling... Ich will dir beweisen, dass sie der Wahrheit entsprechen und dass ich dich immer lieben werde. Bitte, gib mir nur noch eine einzige Chance..."
Wie von selbst, nahm ich seine Hand und drückte sie leicht. Doch ich hielt es nicht länger aus und zog ihn in meine Arme. Schluchzend schmiegte ich mich an seine Brust, während er zärtlich über meinen Rücken strich. Dieses Leben war einfach nichts für mich. Nichtsdestotrotz liebte ich Johnny über alles. Ich wollte, dass wir es schafften.
"Ich liebe dich, baby...", raunte er in meine Haare.
"Ich liebe dich auch...", hauchte ich und küsste ihn sehnsüchtig.
Nach einigen Minuten lösten wir uns wieder voneinander und ich aß gemeinsam mit ihm etwas von dem Frühstück. "Wo warst du... Gestern?", fragte Johnny nach einer Weile.
"Bei Helen", antwortete ich. "Sie ist wirklich toll... Sie war die ganze Zeit für mich da... Obwohl wir uns nicht kennen.... Irgendwie fühle ich mich scheisse deswegen... Sie damit belästigt zu haben..."
Johnny nahm meine Hand in seine und küsste meinen Handrücken. "Mach dir deswegen keine Gedanken. Sie scheint dich wirklich zu mögen."
Schmunzelnd lehnte ich mich an seine Schulter und streichelte seinen Arm. Dabei strich er mir zärtlich durchs Haar.
"Es tut mir so leid... Ich wollte nicht trinken... Ich... Gott, ich hätte an dich denken sollen... Ich wollte dich nicht an deine Vergangenheit erinnern..."
Ich schwieg für einen Augenblick. Auch weil ich an den Traum denken musste. Was war nur los mit mir?
"Es war nicht schön, nein... Aber ich wusste ja, auf was ich mich einlasse...",entgegnete ich leise. Tatsächlich konnte ich den betrunkenen Zustand von ihm nicht ertragen.
"Es wird nicht wieder vorkommen. Ich verspreche es dir, baby.", raunte er und küsste meinen Scheitel.

Johnny wollte es unter allen Umständen wieder gut machen. Auch wenn ich ihm längst nicht mehr böse war. Er ließ mir ein romantisches Bad ein mit Rosenblüten und Kerzen. Dabei massierte er mir die Schultern und wusch mir die Haare. Obwohl ich immer wieder beschwichtigte hatte, dass das nicht nötig wäre, ließ er sich nicht davon abhalten. Also lehnte ich mich einfach zurück und genoss seine Zuwendung. Ich hatte jedoch auch leicht den Verdacht, dass er sich versuchte selbst abzulenken. Immer wieder merkte ich, wie seine Hände zwischendurch zitterten, oder er sich nervös an den Bart und den Nacken fuhr. Doch dafür, dass er fast eine ganze Flasche Whiskey getrunken hatte, hatte er sich mehr als gut im Griff. Später lagen wir am Sofa und sahen einen Film. Zärtlich strich ich über seinen Arm, wobei mir zum ersten Mal die Narben auffielen.
"Warst das du?", fragte ich und fuhr die Narben mit meinem Finger nach.
"Yeah... Es war nicht immer leicht", antwortete er rau.
Daraufhin streckte ich meinen Arm aus. Trotz der Volltätowierung erkannte man einige Narben. Vor allem die etwas tieferen.
"Ich weiß, was du meinst.", entgegnete ich leise.
Johnny war es nun, der mit den Fingern über die Stellen fuhr. Meine Haut fing an wie unter Strom zu kribbeln.
"Wir alle tragen unsere Geschichten mit uns herum. Sie machen uns zu dem was wir sind. Aber jeden Tag können wir aufs neue entscheiden, wer wir sein wollen.", meinte ich und schmiegte mich eng an ihn. Liebevoll strich er mir durchs Haar und küsste meine Stirn.
"Da hast du Recht, Darling...", raunte er.
Das Klingeln seines Handys ließ uns beide brummen. Er hob seufzend ab. Nach zwei kurzen "okays" legte er wieder auf.
"Mark?", fragte ich und setzte mich gerade hin.
"Yeah... Morgen ist der Termin bei Ellen.", teilte er mir mit und kraulte meinen Nacken. Beinahe schnurrte ich wie eine Katze dadurch.
"Begleitest du mich? Du kannst Backstage zusehen.", fragte er. Da musste ich natürlich nicht zweimal überlegen.
"Was denkst du denn?", entgegnete ich keck und küsste ihn innig.
Johnny lächelte mich zufrieden an und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Ich weiß nicht, vielleicht wartest du ja nur darauf, dass du mich los bist.", scherzte er.
"Oh ja. Ich kann es kaum erwarten.", entgegnete ich frech. "George Clooney wartet schon auf mich."
Nun lachten wir beide aus vollem Herzen. "Ich weiß ja, dass ich nicht mehr der jüngste bin... Aber... George?", raunte Johnny belustigt.
"Oh ja, baby", schnurrte ich und fiel gleich darauf wieder in Gelächter, wobei mein Kopf schlussendlich in seinem Schoß landete und ich ihn von Unten ansah. Dabei strich ich ihm zärtlich über sein Kinn und seinen Bart. "Ich liebe dich...", hauchte ich.
"Ich liebe dich auch, Darling", brummte er und beugte sich zu mir, um meine Stirn zu küssen.

Am nächsten Tag versuchte ich mich schön herzurichten. Auch wenn ich lieber ohne Make Up vor die Türe ging, dies war Hollywood. Als ich fertig war fuhren wir auch schon los. Irgendwie freute ich mich, da ich Ellen ihre Show sehr mochte.
Backstage trafen wir auch auf sie und sie war so freundlich wie ich es mir vorgestellt hatte. Nachdem sie mit Johnny alles kurz besprochen hatte, setzte er sich zu mir auf die Couch. Scar lag am Boden und gähnte. Nur wenig später wurde Johnny auch schon auf die Bühne gerufen. Er küsste mich noch schnell, ehe er auch schon ging. Neugierig sah ich mir alles durch den TV an der Wand an. Unglaublich das Gefühl mitten im Geschehen zu sein.
"Johnny!", begrüßte Ellen ihn. "Wie lange ist es jetzt schon her?"
Johnny setzte sich und fasste sich kurz grinsend an den Bart. "... Fünfzehn... Dreißig Jahre?", scherzte er und sah zu ihr.
"Das dürfte hinkommen, denke ich.", entgegnete Ellen und lachte kurz dabei. "Ich hab gehört, du hast tolle Neuigkeiten?"
Johnny lehnte sich zurück und fuhr sich kurz schief lächelnd durch die Haare. "Yeah...", raunte er. Seine Art war so liebenswürdig, dass ich mich ertappte, wie ich mir auf die Lippe biss.
"Du bist in einer festen Beziehung, stimmt das?", half Ellen ihm auf die Sprünge, woraufhin er wieder an seinen Bart fasste und nickte.
"Yeah... Ihr Name ist Lu.", antwortete er und lächelte aus vollem Herzen.
"Ich freu mich wirklich für dich, Johnny", meinte Ellen Ehrlich. "Wo habt ihr euch kennengelernt?"
"Im Urlaub?...", gab er schüchtern zur Antwort und sah kurz wieder zu Ellen. Immer wieder huschte ein Schmunzeln über sein Gesicht. "Ich stand da auf dieser ewig langen Straße...", erzählte er mir Handgestiken. "Mitten am Arsch der Welt. Und es regnete wie Hölle. Und das alles nur, weil ich unbedingt alleine los wollte.... Tja... Hätte ich das nicht getan.... Hätte ich die Frau meiner Träume nie kennengelernt...."
Das Publikum gab "Aww" Geräusche von sich und auch Ellen schien die Geschichte sehr süß zu finden. "Das ist reif für einen Hollywood Film!", entgegnete sie euphorisch. "Ihr solltet wirklich darüber nachdenken, daß zu verfilmen!"
"Ja?" Johnny fuhr sich mit einer Hand an den Nacken und grinste. "Ehrlich gesagt...Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie wirklich mit mir mit kommt... Hier her... Sie hat soviel auf sich genommen... Nur für mich... Ich glaub, das kann ich nie wieder gut machen."
Wieder waren die Zuschauer und Ellen gerührt. "Sie ist nur wegen dir hier her nach Hollywood gekommen?", wiederholte Ellen erstaunt. "Wow.... Wow! Ich meine... Wow!"
"Ja..." Johnny lachte leise und Schmunzelte in sich hinein. "Wow... Das denke ich heute noch." Sein Blick ging wieder zu Ellen.
"Wenn das einer verdient, dann definitiv du.", meinte Ellen, woraufhin das Publikum klatschte und kreischte.
Johnny fasste sich wieder verlegen an seinen Bart. "Danke...", murmelte er. "Ich hoffe nur, ich kann sie ebenso glücklich machen... Sie ist wirklich etwas Besonderes..."
Ellen nahm ein Taschentuch aus der Box und tupfte sich theatralisch die Augen ab. Das Publikum und Johnny lachten.
"Nein wirklich...", beschwichtigte er und schlug ein Bein über das andere. Die Hände faltete er am Knie zusammen. "Sie sieht mich... Akzeptiert mich... So wie ich bin... Am liebsten hätte ich sie die ganze Zeit um mich..."
Auch ich benötigte nun ein Taschentuch. Zwei Tränen kullerten mir die Wange runter. Nie wieder wollte ich an diesem Mann zweifeln. Oder an mir.

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