Kapitel 1

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„Nun, hier wären wir.", meinte ich und deutete auf das rosafarbene Haus auf dem in schöner Schrift „Rosemary's Bed & Breakfast" stand. Wieder ertönte ein Donner, diesmal lauter.
„Willst du noch mit rein?", fragte Johnny. „Wir sind weit gegangen. Du solltest zumindest den Regen abwarten."
„Dann würde ich warten, bis ich tot bin.", erwiderte ich lachend. „Wir sind im Nord-Westen Irlands. Hier regnet es so gut wie immer."
Johnny faste sich wieder kurz an den Nacken. „Aber ich komme gern mit rein.", fügte ich noch schnell bei. Am liebsten hätte ich mir selbst eine Ohrfeige verpasst. Ein solches Angebot nicht sofort anzunehmen, war ich den geisteskrank?
Er lächelte mich so sanft an, dass meine Knie weich wurden. Mit schnell pochendem Herzen betrat ich nach ihm das Haus. Rosemary, die Besitzerin, kam sofort auf uns zu gerannt.
„Ihr seid ja ganz durchnässt!", rief sie besorgt. „Ich bringe euch sofort Decken!"
Die alte Dame wollte schon wieder verschwinden, doch Johnny hielt sie sanft zurück. „Bitte, keine Umstände. Ich wär mit einem Zimmer und Bad schon zufrieden."
„Aber natürlich!", entgegnete Rose lächelnd. Sie war eine bezaubernde, alte Dame. Graues Haar lockte sich um ihr rundes Gesicht. Sie hatte etliche Lachfalten, die sie meiner Meinung nach noch schöner machten. Rose trug steht's Kleidung in Pastellfarben und war immer gut gelaunt. Erst jetzt erkannte sie mich.
„Lu!", begrüßte sie mich und nahm mich herzlich in die Arme. „Was machst du denn hier?"
„Ich hab ihn auf dem Weg aufgegabelt.", erklärte ich grinsend. „Und ihn hergebracht."
„Oh und ich dachte bereits, du kämst endlich unter die Haube!", meinte Rose, wodurch mir die Röte ins Gesicht schoss. Verlegen räusperte ich mich. Rosemary war wie eine Großmutter für mich.
„Na, jetzt will ich mal den Zimmerschlüssel holen!", flötete sie und trat hinter die mit Blumen geschmückte Rezeption. Sie reichte Johnny einen Schlüssel. „Zimmer drei. Das Gepäck musst du leider selbst tragen. Mein Rücken ist nicht mehr der Beste."
Johnny schmunzelte und winkte ab. „Alles gut. Danke." Er drehte sich zu mir um und schien kurz zu überlegen. Dabei kratzte er sich am Kopf. „Willst du mit rauf? Ich weiß nicht, wie ich mich bei dir bedanken soll..."
Fragte mich Johnny Depp gerade ernsthaft, ob ich mit ihm aufs Zimmer wollte? Hilflos erstarrte ich an Ort und Stelle. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
„Steh da nicht so rum, kleine Hexe und hilf dem attraktiven Mann endlich!", kam es von Rose. Sofort wurde ich wieder rot, aber ich setzte mich in Bewegung und eilte mit Scar die mit Teppich bezogene Treppe hinauf.
„Das Haus ist so alt wie das ganze Dorf.", erzählte ich, um abzulenken. „Jahrzehnte haben die Wände auf dem Buckel. Genau das ist es, was es so umwerfend macht."
Als wir vor seinem Zimmer ankamen, tapste ich nervös von einem Fuß auf den anderen und ließ ihn aufsperren. Er sah sich kurz im Raum um, während ich ihm zögerlich hinein folgte.
„Ich weiß, du bist bestimmt ... anderes gewohnt. Aber...", fing ich an.
„Ich liebe es.", schnitt er mir ins Wort und brachte mich somit zum Staunen. Glücklich darüber, dass es ihm genauso gut gefiel wie mir, schloss ich die Tür und zog meine Schuhe aus. Johnny legte seinen Mantel ab und zog seine Boots aus.
„Stört es dich, wenn ich schnell dusche? Am Flughafen gab es keine Dusche.", raunte er und lachte kurz.
„Nein, nein. Nur zu.", entgegnete ich und bemühte mich um ein Lächeln. Selbst ungeduscht roch er himmlisch und verführerisch. Er musterte mich kurz, ehe er sich umdrehte und seinen Koffer öffnete. Zwei Sekunden später reichte er mir ein Hemd und eine Jogginghose. „Ich hätt besser nachdenken sollen. Du willst dich bestimmt genauso duschen und umziehen. Zieh wenigstens meine Sachen an, bis deine wieder trocken sind."
Meine Hände zitterten als ich die Klamotten annahm. „Danke... Geh ruhig duschen. Ich ziehe mich nur um und lege meine nassen Sachen vor den Kamin."
Johnny ging kurz ins Bad und kam dann mit einem Handtuch wieder, das er mir reichte. „Sicher?"
„Aye.", beschwichtigte ich. „Jetzt geh schon!"
Er zögerte einen Augenblick, nahm schließlich seinen Koffer und ging ins Bad. Als ich das Schloss hörte, entfachte ich ein Feuer im Kamin und zog mich um. Scar legte sich gemütlich zu meinen nassen Klamotten vor das Feuer. Die Wärme und das Knistern beruhigten mich. Ich fing an, zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Johnny Depp befand sich in meinem Kuhkaff und nun war ich gemeinsam mit ihm in einem Zimmer... Ja, und morgen würde ich Colcannon kochen. Nein, dies passte einfach nicht zusammen in einen Satz. Klar, ich sah Stars anders als die Fans. Mensch blieb Mensch. Aber wie wahrscheinlich war es, dass man einen Star wie Johnny in der Pampa traf? Wo waren die Bodyguards? Die Agenten? Seufzend rieb ich mir die Schläfen. Aus dem Bad hörte man das Wasser rauschen.
„Oh, Johnny...", murmelte ich und lehnte mich gegen das Bett. Der Boden war mit Teppich ausgelegt und fühlte sich weich unter mir an. Ich müsste zumindest Malice davon erzählen... Nein, das konnte ich nicht. Ich hoffte nur, dass ich die Möglichkeit bekäme, ein wenig mit Johnny zu plaudern.
Das Wasser der Dusche ging aus, wodurch ich mich augenblicklich versteifte. Es dauerte einen Moment, bis Johnny schließlich aus dem Bad kam. Automatisch drehte ich mich zu ihm um. Beinahe wäre mir die Kinnlade nach unten geklappt. Er trug lediglich eine enge Jeans. Sein Oberkörper glänzte vom Wasser. Mit dem Handtuch rubbelte er sich seine Haare trocken. Wenn das nicht der echte Johnny Depp war, dann war es definitiv ein perfektes Double. Plötzlich fühlte ich mich mehr als unwohl in seinen Klamotten. Ich trug zwar meistens bequeme und größere Sachen, aber vor ihm fühlte ich mich wie eine alte, jungfräuliche Katzenlady. Eigentlich fand ich meine Kurven nicht besonders, aber in diesem Moment hätte ich alles für engere Kleidung gegeben. Ohne der Jogginghose würde es bestimmt nicht mal schlecht aussehen. Aber nur mit dem schwarzen Hemd von ihm bekleidet, das wäre zu intim.
Er warf das Handtuch aufs Bett und musterte mich. „Bist du hier aufgewachsen?", fragte er.
Innerlich jubelte ich, da mein Englisch anscheinend wirklich perfekt war und meine Freunde das nicht einfach nur so gesagt hatten. „Nein. Ich bin vor einem Jahr hier her gezogen.", erklärte ich.
Da ich immer noch am Boden saß, setzte er sich einfach zu mir. Erstaunt hob ich meine Augenbrauen. Gott, konnte er sich nicht ein Shirt anziehen?
„Warum bist du nicht auf eine deiner Inseln gegangen, oder so?"", schoss es aus mir heraus. Ja, toll. Gutes Thema.
„Die kennt bereits jeder.", antwortete er und winkelte ein Bein an auf dem er lässig einen Arm ablegte. Verdammt, warum musste er so höllisch gut aussehen?
Er fuhr sich durch die Haare und atmete lange aus. Sein Blick war dabei ins Feuer gerichtet. „Um ehrlich zu sein bin ich wohl mehr oder weniger geflüchtet. Es war die Idee meines Agenten.", erzählte er. „Er meinte, ich solle irgendwohin fliegen, wo keiner freiwillig hin würde, um mal abzuschalten..."
„Das war eine gute Idee.", warf ich ein und lächelte ihn aufmunternd an, als sich unsere Blicke trafen.
„Das denke ich auch." erwiderte er und sah zu Scar, der mittlerweile schlief. „Wie viele denkst du, kennen mich hier?"
Die Frage kam so überraschend, dass ich kurz erstarrte. „Ehm... Ein paar. Die Jüngeren. Aber nur von Fluch der Karibik und so... Die Älteren, wie du bei Rose gemerkt hast, werden dich eher nicht erkennen."
Johnny nickte und atmete erleichtert auf. „Dann werde ich hier wohl vorerst eine Weile bleiben."
„Kann ich dich etwas Persönliches fragen?" Meine Stimme zitterte leicht, was er nicht zu bemerken schien. „Keine Sorge, alles was wir reden, bleibt zwischen uns.", fügte ich noch ehrlich hinzu.
Seine Mundwinkel zuckten flüchtig nach oben. „Schieß los."
„Machst du diese Auszeit unter anderem wegen dem ... Alkoholproblem?" Die Frage war mir unangenehm, doch ich wollte wissen, wie es ihm damit ging.
Ein kurzes Nicken war seine Antwort. „Ich bin seit einiger Zeit trocken. Aber die ganze Gerichtsscheiße hat mich ziemlich aufgewühlt... Zugegeben hatte ich einen Rückfall vor einiger Zeit, was kein Geheimnis ist."
Unbewusst legte ich eine Hand auf seinen Unterarm. „Ich glaube an dich.", hauchte ich und biss mir kurz auf die Lippe. Warum schlug mein Herz auf einmal höher? Unsere Blicke trafen sich und ich konnte den ganzen Schmerz in seinen Augen sehen. Wieder kam es mir vor, als würde ich in den Spiegel blicken.
„Danke...", raunte er und legte seine Hand auf meine. Erst jetzt fielen mir seine vielen Armbänder und Ringe auf. Das kalte Metall war zu seiner warmen Haut ein ziemlicher Kontrast und ließ mich innerlich erschauern.
„Wenn jemand erfährt, dass ich hier bin..."
Er musste gar nicht zu Ende reden. Ich hob die Hand und lächelte ihn an. „Nicht von mir.", meinte ich und tat so, als würde ich meinen Mund zu sperren und gab ihm den imaginären Schlüssel in die Hand. Er lachte. Der tiefe Klang brachte meinen Körper zum vibrieren.
„Ich bin froh dich getroffen zu haben.", teilte er mir plötzlich mit. „Ich hatte für einen Moment wirklich Angst, du würdest es sofort jedem erzählen. Aber deine Augen... Irgendetwas an dir hat mir gesagt, dass du nicht so bist."
Gerührt von seinen Worten, lächelte ich ihn aufrichtig an. „Wenn du willst, zeige ich dir, was unser Kaff zu bieten hat. Und keine Sorge. Hier sind so gut wie nie Touristen. Dazu halten die Einwohner alle zusammen wie Pech und Schwefel. Selbst wenn dich jemand erkennt, keiner würde dich verraten."
Johnny schmunzelte. „Dann sag mir, wie ich mich bei dir bedanken kann."
„Mit deinem Vertrauen.", schoss es aus mir heraus. Ich schluckte, als könnte ich so das Gesagte wieder zurücknehmen. Doch dann überraschte er mich erneut.
„Das hast du bereits.", entgegnete er lächelnd.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Oh, bei allen Göttern! Meine Wangen glühten förmlich und ich musste mich räuspern, aus Angst meine Stimme könnte sich überschlagen.
„Darf ich dann ein Selfie von uns machen?", fragte ich verlegen. „Ich hab die gemeine Angewohnheit, mir meistens die negativen Dinge zu merken. Viele positive Erinnerungen gehen dabei verloren. Deswegen mache ich so viele Bilder wie möglich."
Johnny hörte mir aufmerksam zu und nickte. „Tu was du nicht lassen kannst.", schmunzelte er. „Solange niemand da draußen erfährt wo ich gerade bin."
Vor Freude hätte ich mir beinahe die Lippe aufgebissen. Ich zückte mein Handy aus der Tasche und klickte auf die Kamera. Zu schüchtern, um ihm näher zu kommen, hielt ich das Handy einfach hoch und sah in die Kamera. Just als ich abdrücken wollte, rückte er an mich heran und legte einen Arm um meine Schulter. Er lächelte in die Kamera und ich hatte Mühe nicht doof drein zu gucken.
Beruhig dich. Er macht das andauernd mit Fans und Promis, dachte ich.
Ich schoss zwei Bilder und zeigte sie anschließend Johnny. „Die sind gut geworden.", meinte er und nahm sein Handy vom Bett. „Schickst du sie mir?"
Seine letzten Worte hallten wie ein Echo in meinem Kopf. „Ehm...Ja, klar gerne. Wenn du willst..."
Im nächsten Moment hielt er mir sein Handy hin und ich tippte meine Nummer ein. Er schrieb mir eine Nachricht und mein Blut schoss wieder in mein Gesicht. Schnell schickte ich ihm die Fotos, damit er meine Röte nicht bemerkte.
Draußen ertönte ein Donner, der so laut war, dass wir beide zusammenzuckten. Der Regen peitschte wild gegen die Fensterscheibe und plötzlich fiel der Strom aus.
„Das passiert hier öfters.", meinte ich wieder etwas beruhigter. Mir kam es fast so vor, als wollte mir das Gewitter helfen, ruhig zu bleiben. Johnny schmunzelte wieder. Da klopfte es an der Tür und Rose trat herein.
„Ich habe hier ein paar Kerzen für euch.", flötete sie und stellte die Kerzen auf den kleinen Tisch neben der Tür. „So wie es draußen stürmt, wird das wohl die ganze Nacht so gehen. Die Straßen sind bereits überflutet. Flynn musste seinen Truck mitten auf der Straße stehen lassen."
Überrascht riss ich meine Augen auf. „Aber Flynns Truck hält beinahe allem stand?"
„Tja. Das dachte ich auch.", meinte Rose und ging wieder.
Ich stand auf und zündete die Kerzen an. „Ich kann trotzdem nur wiederholen, dass ich dieses Wetter liebe.", meinte ich grinsend und stellte eine Kerze auf den Nachttisch.
Johnny lehnte sich lässig an das Bett. Der Kamin gab zwar viel Licht ab, aber die Hälfte des Raumes blieb trotzdem dunkel.
„Obwohl wir jetzt nicht viel machen können", fügte ich noch verlegen bei.
„Mein Laptop müsste noch Akku haben.", entgegnete Johnny. „Ich hab ein paar Filme drauf, wenn du willst."
Mir war, als würde ich aus Wackelpudding bestehen. „Klingt gut. Solange es keine Horrorfilme sind. Ich sehe keinen Sinn dahinter, mir verstörende Dinge anzusehen..."
Johnny schwang sich auf die Beine und kramte seinen Laptop aus seinem Koffer. „Deal.", raunte er grinsend und warf sich aufs Bett. Er klopfte kurz auf den Platz neben sich, während er den Laptop einschaltete. Nervös ging ich um das Bett herum und legte mich zu ihm. Die Liegefläche war nur 1,40 m breit, was dazu führte, dass unsere Arme sich berührten. Und er trug immer noch kein Shirt. Ich versuchte meine Gänsehaut zu verbergen, aber er bemerkte sie. „Ist dir kalt?", fragte er.
Mir war nie kalt. Aber ja, in jenem Moment hatte ich das Gefühl zu erfrieren. Ohne meine Antwort abzuwarten, zog er die Decke über uns und legte den Laptop wieder auf seinen Schoß. Klar, einen Arm um mich zu legen, wäre übertrieben gewesen. Verdammte Axt, ich wünschte er hätte es getan. Am liebsten kuschelte ich mit Scar bei solch einem Wetter und genoss es. Aber ich konnte schlecht Johnny fragen, ob er mit mir, einer wild Fremden, kuscheln würde. Also versuchte ich mich auf den Film zu konzentrieren.
Ich unterdrückte ein Gähnen und merkte wie mir die Augen zu fielen. Das passierte mir zum ersten Mal. Normalerweise war ich diejenige, die nie verstand, warum Menschen einfach so einschliefen. Gerade fühlte ich mich das erste Mal in meinem Leben so wohl und sicher. Mein Körper entspannte sich wie von selbst und ich merkte gar nicht, wie ich schließlich einnickte.

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