Kapitel 36

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Kapitel 36

Direkt nach den ersten Minuten spürte ich den Kloß in meinem Hals. Natürlich musste der ach so tolle Junior Chef von Universal das Meeting mit einem Kollegen führen. Ich konnte ihn beim letzten Treffen schon nicht leiden, ebenso wie er mir deutlich zeigte, was er von mir hielt. Lilly meinte nur, er wäre Eifersüchtig auf mich und hätte sich im Gebäude verlaufen, da er nicht mit Erfolg anderer umgehen kann. Links neben mir spürte ich auch schon die Hand von Amelie auf meinem Oberschenkel, sie versuchte mich wieder von meiner Wut zu befreien und mich zwang ein Lächeln aufzusetzen.

„Die bereits veröffentlichen Nummer, können ihre Stelle auf der Platte behalten, aber meinst du nicht die Reihenfolge oder eher die Songauswahl ist eher unpassend?" fragte er mich. „Nein, das finde ich ganz und gar nicht. Durch die Auswahl, die ich mit der Hilfe von meiner Familie und meinen Freunden getroffen habe und die Vielfältigkeit der Songs, finde ich die Tracks gerade erst perfekt." „Wir sind uns da leider nicht so sicher. In den letzten Monaten ist einiges passiert, es hat sich viel verändert, du hast dich verändert. Wir sind uns nicht sicher, ob diese Veränderungen so positiv ankommen. Allein die gespalteten Meinungen zu „Realität" zeigen, dass die Fans alte Muster mehr feiern." Ich schwieg. „Was bedeutet das jetzt?" fragte Kevin und begann unterm Tisch mit seinem Bein zu wackeln. „Die Songauswahl muss definitiv überarbeitet werden. „Wann" muss runter, das ist kein Deutsch Pop mehr, dass ist Metall Musik. Es kann gut durch die Ballade ersetzt werden, dass passt zu den alten Alben. Wie heißt die nochmal?" mein Puls stieg und ich begann meine Hände unterm Tisch zu kneten. „Nur wegen dir." Warf Kevin ein und guckte mich an. „Genau die. Dann muss auch definitiv „Was die Menschen nicht wissen runter und Winter eigentlich auch. Du kannst den Fans nicht solche Geschichten auftischen. Das wird völlig nach hinten losgehen." Mir reichte es. Kommentar los stand ich auf und holte mir ein Glas Wasser, während Kevin begann zu Diskutieren.

„Nur weil der Song oder die Songs vielleicht nicht die erhofften Einnahmen bringen, darf ich ihn nicht veröffentlichen? Was ist das denn bitte für eine bescheuerte Ausrede? Ich bin Musiker. Ich verarbeite meine Gedanken in der Musik. Alle Song sind Momentaufnahmen. Das spricht für einen gewissen Zeitraum der Realität, ist danach aber wieder Geschichte." War ich kurz vorm Platzen. „Trotzdem." Und ein Schulterzucken war seine einzige Antwort. „Sonst noch etwas auszusetzten? Noch mehr Songs, die vom Album gestrichen werden sollen oder nicht in die Öffentlichkeit kommen sollen, weil dadurch die Einnahmen sinken könnten?" fragte ich ironisch. „Wenn du schon so fragts, wir hatten uns da etwas überlegt. Wir haben mitbekommen, dass du zu den einzelnen Songs deine Gedanken aufgeschrieben hast. Wir könnten daraus ein kleines Buch machen und eine Deluxe Box erstellen. Anbei könnte es einen Bilderrahmen geben und eine CD mit den Songs „Zeit bleibt, Mama, Realität und einer Caraokeversion von die guten Zeiten". Damit erreichen wir viele verschiedene Zielgruppen und da „Zeit bleibt" bei dem Sneak Peak schon so durch die Decke gegangen ist, kann dass die Einnahmen nochmal um einiges steigern." Ich dachte ich höre nicht richtig. Da wollen die wegen ihrem scheiß Marketing den Song vom Album schreiben, der mit einer der wenigen ist, der gute Laune bereiten kann und mit in die fröhliche Richtung geht. Wieder sprang ich von meinem Stuhl auf, schmiss dabei noch versehentlich mein Wasserglas um. Ich schnappte mir mein Handy und verließ kommentarlos das Studio. Leise hörte ich noch, wie mir jemand hinterherrief, aber die Fahrstuhltüren waren zu schnell geschlossen.

Lilly

Ich hatte gerade die Kleinen für ihr Mittagsschläfchen ins Bett gebracht, als mein Handy klingelte. „Wincent hi, wie geht's dir. Ich hab gar nicht mit dir gerechnet." Brabbelte ich los. „Hey." Kam trocken zurück. „Was ist los?" fragte ich direkt und setzte mich. „Universal will, dass ich das alles umschmeiße." „Was genau?" „Die wollen, dass ich 'Was die Menschen nicht wissen' und 'Winter' von der Platte nehmen, da dadurch die Einnahmen gefährdet sind und wollen, dass ich 'Wann' durch die Ballade über Yvonne ersetze. Das kann doch nicht deren Ernst sein. Bei denen dreht sich alles nur ums Geld, ich bin denen völlig egal. Hauptsache ich bringe die Kohle auf den Tisch und ziehe die Aufmerksamkeit auf mich. Und dann wollen die auch noch, dass ich 'Zeit bleibt' in eine Deluxe Box packen soll, mit einem Buch wo die Gedanken zu den Songs drinstehen. Alles nur, damit die Einnahmen noch mehr steigen." Wincent überschlug sich wieder in seinen Worten, aber dieses Mal fand ich es absolut berechtig. Wie kann man so herzlos sein und den Menschen hinter den Songs vergessen. Ich muss gestehen, die Gedanken, die er notiert hatte, waren selbst mir noch fremd und sorgten bei mir für Neugier, aber ich wusste, ich kann ihn immer fragen. Trotzdem ist es unter aller sau von denen. „Diese Drecks Ballade. Ich hatte mich schweren Herzens gegen sie entschieden. Erstens Yvonne zur liebe und zweitens um mit 'Wann' noch eine andern Musikrichtung zu zeigen. Eine Musikrichtung, die eher meinem Musikgeschmack ähnelt. Er meinte, ich hätte mich verändert und Veränderungen wären nicht gut." Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie es Wincent gerade ging. Er wird einfach aus dem Studio gerannt sein und jetzt verzweifelt draußen auf dem Parkplatz stehen und mehrfach die Augen verdrehen. „Wincent, tu mir einen gefallen. Steig jetzt bitte nicht ins Auto oder aufs Motorrad, das endet nicht gut. Schnapp dir lieber deine Laufschuhe und renn dir die Seele aus dem Leib und anschließend zockst du den Nachmittag mit Fabi. Vergiss Universal und mach einen Tag Pause. Morgen sieht die Welt vielleicht schon wieder anders aus und ihr werdet eine Lösung finden. Amelie, Kevin, Johannes und Dario sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen, die werden schon eine Idee haben und sie dir Morgen präsentieren." „Aber ich brauche den Sound meines Babys." Schmollte er. „Nein, ich brauche dich, genau wie deine Kinder, die auch deine Babys sind. Wir brauchen dich heile und nicht im Krankenhaus. Ich muss hoch, Jona quengelt. Zieh dir deine Sportsachen an, nimm die Airpods mit und los. Ich hab dich lieb und grüß Amelie von mir." Musste ich unser Gespräch beenden. „Danke schön, ich hab dich auch lieb und vermisse euch ganz dolle, gib den Kindern einen Kuss von mir. Bis bald." Sagt er und drückte einen Schmatzer ins Mikro. „Bis bald." Sagte ich noch, drückte den roten Hörer und ging nach oben, wo Jona quengelte. Er hatte aber nur seinen Schnuller verloren, sodass das Problem schnell behoben war und ich wieder runter ging.

Unten schrieb ich zuerst Amelie eine Nachricht und danach Fabi, dass er sich bitte einen schönen Nachmittag mit Wincent machen soll. Abschließend schickte ich meinem Mann noch ein Foto, schrieb ein paar nette Worte und widmete mich der Küche, die mal wieder im Chaos versunken war.

Tausend Meilen mir dir...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt