♥︎°Kapitel 3°♥︎

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Ich sah ihm in die Augen und erst dann nahm ich ihre einzigartige Farbe war.
Sie waren dunkelbraun, beinahe schwarz. Sie machten auf mich einen vertrauenswürdigen, doch gleichzeitig bedrohlichen Eindruck.
Ich konnte meinen Blick nicht von ihnen lösen. Es war als würde die Zeit für ein paar Sekunden stehen bleiben. In diesen Sekunden schien es nur Evan und mich zu geben. Die drei Jungs um uns herum hatte ich komplett vergessen. Ich überlegte, ob es ihm genauso erging.

Auf einmal schlug der kleine Josh Evan freundschaftlich auf die Schulter. Der magische Moment war schlagartig verschwunden und ich kehrte in die Realität zurück. Meine Augen lösten sich hastig von Evans Gesicht und ich machte sogar einen Schritt rückwärts.
Fast so, als würde etwas in mir mich dazu drängen mich von ihm fern zuhalten. Oder besser gesagt einen Sicherheitsabstand zu ihm zu halten.
Wieso ich so empfand konnte ich nicht sagen. Möglicherweise warnte mein Inneres mich.
Doch wo vor? Ich holte einmal tief Luft, bevor ich meinen Mund öffnete, um etwas zu fragen.

"Wo genau befinden wir uns denn jetzt eigentlich?"
Ich machte ein paar Schritte weiter ins Innere des Raums und sah mich um. Das Zimmer glich einer altmodischen Küche.
Ich entdeckte ein Fenster, links von mir. Ich trat näher heran um hindurch zu schauen. Das Glas war nicht mehr klar. Ganz im Gegenteil es schien seit Jahren nicht mehr geputzt worden zu sein. Trotzdem konnte ich Umrisse der Landschaft draußen erkennen.

Ich erkannte eine grüne Wiese und Berge im Hintergrund. Die ganze Landschaft war leicht vernebelt. Ich war mir nicht sicher ob der Nebel wirklich vorhanden war oder ob es für mich nur neblig wirkte, da die Fensterscheibe so verdreckt und unklar war.

Ein Schaudern fuhr durch meinen Körper. Leichte Panik überkam mich. Diese Landschaft. Sie wirkte vertraut doch gleichzeitig fremd. Mit einem Mal befürchtete ich nicht mehr nachhause zurückkehren zu können. Wie sollte das denn auch gehen, wenn ich noch nicht einmal wusste, wo ich war?

"Tja, man könnte sagen......."
Joshs Stimme erweckte meine Aufmerksamkeit und mein Kopf drehte sich automatisch in seine Richtung.
Ich war froh, dass ich meinen Blick so, von dem Fenster lösen konnte.
Erwartungsvoll waren meine Augen nun auf den kleinen Jungen gerichtet.
"dass wir uns hier in einer Berghütte befinden."

Ich atmete geräuschvoll und genervt aus.
Glückwunsch Josh. Darauf wäre ich ja jetzt nie gekommen. Meine Ironie sprach ich nicht wörtlich aus.
Stattdessen gab ich ihm nur ein gemurmeltes "Hm, ok", als Antwort. Dennoch wusste ich das mein Desinteresse deutlich heraus zuhören war.

Ich ließ mich zu Boden sinken, zog die Beine an die Brust und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich versuchte die Situation zu verarbeiten. Mein Gehirn arbeitete mit Höchstleistung, aber kam zu keinen Erklärungen und keinen Antworten auf meine vielen Fragen, die mich allmählich verzweifeln ließen.

Mehrere Minuten verstrichen in denen ich einfach nur da saß. Zusammengekauert auf dem Parkettboden. Die Blicke von vier Jungen auf mir ruhend. Ich war erschöpft, verwirrt und verspürte auf einmal ein starkes Heimwehgefühl.

Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meinem rechten Bein. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, hob ich den Kopf, der sich in dem Augenblick etwas schwer anfühlte. Ich war zuerst überrascht, als ich in das Oval geformte Gesicht schaute. Dann, als die Person zu sprechen begann, überkam mich große Erleichterung.

"Willst du, dass wir dich zurück nach Wenesco bringen?"
Ich atmete auf und konnte ein kleines Lächeln nicht verhindern. Evan, dessen Hand noch immer auf meinem Bein lag sah mich erwartungsvoll an.
Als er mein Lächeln entdeckte wanderten seine Mundwinkel ebenfalls nach oben. Ich nickte langsam und erhob mich.

Äußerliche machte ich einen relativ gelassenen Eindruck, doch innerlich war ich auf einmal aufgeregt.
Wenesco war die kleine Stadt, in der ich Zuhause war. Evan würde mich gleich dorthin zurück bringen und alles würde wieder normal und gut werden. Immerhin wusste ich nun, dass ich nicht all zu weit von meiner Heimatstadt entfern sein konnte.
Andernfalls könnte er mich doch niemals ebenso dorthin bringen oder?

Im nächsten Augenblick tauchte eine neue Frage in meinem Kopf auf, die mir tatsächlich etwas Angst machte.
Wieso und woher wusste Evan, dass ich zurück nach Wenesco wollte?
Was verschwieg er mir?

"Kayla?"
Bei dem Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wir in der Zwischenzeit die Hütte verlassen hatten und draußen vor ihr standen. Ich musste so in Gedanken vertieft gewesen sein, dass ich nicht bemerkt hatte, dass ich mich im Gehtempo befunden hatte. Aber jetzt realisierte ich, dass ich stand.

Ein Windstoß kam auf und ließ meine braunen Locken fliegen. Ich drehte mich nach links und starrte gebannt in die Ferne. Ich wusste nicht, ob ich einen beeindruckten Laut von mir geben oder weinen sollte.
Letzten Endes tat ich keines vom beiden.

Die Landschaft war einfach nur atemberaubend und ich war mir nicht sicher, ob ich jemals etwas derartiges gesehen hatte. Die hohen Berggipfel in der Ferne waren von Nebelwolken umgeben. Der Regen hatte nachgelassen und sich in ein Nieseln verändert. Ich schloss für ein paar Sekunden die Augen und sog den Geruch von natürlichen Pflanzen und Regen ein.

Ich wusste nicht wie lange ich einfach so verharrt hatte. Irgendwann drang Evans Stimme erneut an mein Ohr.
"Kayla?"
Ich öffnete die Augen.
"Sag mir, wie ich hier her gekommen bin und woher du weißt, dass ich in Wenesco Zuhause bin."
Ich hatte meine Stimme streng und fordernd klingen lassen wollen. Doch stattdessen hörte sie sich eher bittend an.

Auch, wenn ich meinen Kopf nicht nach rechts drehte wusste ich, dass Evan direkt neben mir stand. Ich konnte seine Anwesenheit förmlich spüren. Ich fragte mich wo die anderen drei Jungen wohl abgeblieben waren.
Klebte Josh sonst nicht immer an Evan wie Kaugummi?
Hm. Vielleicht wollte er seinem großen Bruder mal etwas Freiraum geben, überlegte ich.

Doch schon im nächsten Augenblick war ich wieder verwirrt.
Woher wusste ich das?
Ich habe diese vier Jungen doch vor einer Stunde zum ersten Mal gesehen oder?
Warum hatte ich nun das Gefühl viel über sie zu wissen und ihnen vertrauen zu können?
Wieso kamen sie mir gleichzeitig vor wie Fremde?

Der Clan der CosantoirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt