"Du willst sicher erstmal nachhause zu deinem Vater."
Ich warf Evan einen flüchtigen Blick zu und nickte. "Ja."Evan fuhr sich mit der rechten Hand durch seinen dunklen Lockenschopf.
Diese Geste entging mir nicht. Ich wusste, dass er das immer tat, wenn er nicht weiter wusste oder nachdenklich war.
"Du brauchst dir übrigens keine Sorgen zu machen. Ich werde solange du in Weneseco bleibst auch hierbleiben. Remus wird es dann nicht wagen dir zu nah zu kommen. Jedenfalls nicht, wenn er weiß was gut für ihn ist."Ich lächelte und drückte seine Hand, die auf meiner lag.
"Danke, dass du mich hierher zurück gebracht hast. Das bedeutet mir wirklich viel."
Evan strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
"Mach ich doch immer gerne. Ich bin so froh, dass du dich wieder erinnerst. Eine Zeit lang dachte ich schon, du würdest dich nie erinnern und ich hätte dich für immer verloren."
Evans Miene war betrübt und ohne es zu wollen verspürte ich sofort Mitleid.
Ich öffnete den Mund und wollte ihm gerade ein paar tröstende Worte sagen, als eine Stimme hinter uns ertönte."Seit ihr dann mal soweit?"
Erschrocken drehte ich den Kopf zur Seite. Als ich in Joshs erwartungsvolles, gelangweiltes Gesicht blickte empfand ich den Drang danach ihm eine Backpfeife zu verpassen.
Es machte mich einfach wütend, dass er mir und Evan nicht mal fünf Minuten alleine gab. Immer musste er dazwischen kommen, wenn wir uns näher kamen.Ich atmete laut aus und versuchte ruhig zu bleiben. Ich sollte mich nicht über solche Kleinigkeiten aufregen sondern lieber froh darüber sein, dass ich noch lebte und abgesehen von der Brandwunde an meiner Wange keine Verletzungen hatte.
"Soweit wofür?", hörte ich Evan fragen, der näher zu Josh heran trat und mich an der Hand mit sich zog.
Josh verdrehte genervt die Augen.
"Na, soweit, dass wir endlich los können. In die Stadt natürlich."Auf einmal nickte ich einfach nur. Joshs Gequängel war mir mit einem Mal egal. Ich hatte nur noch einen Gedanken. Ich musste die Personen besuchen, die mir in Wenesco am wichtigsten waren.
"Ja, wir sind soweit."
Ich stutzte und war verwundert, dass die Worte fast wie von selbst aus meinem Mund kamen. Dabei klang ich sehr entschlossen. Ich wusste nicht woher diese Entschlossenheit auf einmal kam. Vielleicht vermisste ich meinen Vater und meine beste Freundin so sehr, dass ich nicht mehr länger zögern und sie besuchen wollte.Ich ließ meine Augen umher schweifen. Erst jetzt realisierte ich, dass Kilian den Truck außerhalb der Stadt geparkt hatte.
Es dämmerte bereits, doch die letzten Sonnenstrahlen spendeten noch genug Licht, sodass ich ausmachen konnte wie ich nachhause kommen würde. Wenesco war meine Heimatstadt. Ohnehin kannte ich jede Straße, jede Gasse und möglicherweise sogar fast jedes Haus so gut wie mich selbst.Ich warf noch einen Blick in den Himmel. Es war so schön und angenehm wieder in einer vertrauten Umgebung zu sein und dann noch einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten zu können. Die orange und rosaroten Farben wirkten friedlich an dem fast wolkenlosen Himmel.
Die ganzen letzten Tage hatte ich mit den Werwolfjungen nur in regnerischen Umgebungen verbracht. Jeder Tag war grau und düster gewesen. Die Energie der Sonne hatte mir gefehlt und nun schien es als würde mein Körper sich wieder aufladen und ganz viel Sonnenlicht aufnehmen. Ich genoss diesen Augenblick, indem ich an nichts denken, mich um nichts sorgen oder fürchten musste. Ich konnte einfach frei sein.
"Zeigen sie uns dann mal den Weg Mademoiselle?"
Ich löste den Blick vom Himmel und drehte den Kopf in die Richtung aus der ich die Stimme gehört hatte. Josh hatte eine Augenbraue hochgezogen und musterte mich prüfend. Ich verdrehte die Augen.
Warum musste er mir immer meine besten Momente wegnehmen?
Wieso war er immer so ungeduldig und verhielt sich wie ein kleines Kind?
Aber schon kurz darauf musste ich ohne es zu wollen schmunzeln. Irgendwie machte ihn das ja auch süß.
Hastig schüttelte ich den Kopf. Süß? Josh? Hallo, Erde an Kayla? Hast du gesoffen? Ich verneinte innerlich und versuchte dann den Kopf von Josh frei zu bekommen.Ich zwang mich in die Wirklichkeit zurückzukehren und sah mich um. Rechts und links von mir befanden sich Mehrfamilienhäuser und weitere Gebäude, die allerdings alle heruntergekommen und ungepflegt waren. Mich überraschte dieser Anblick wenig. Schließlich kannte ich diese Gasse in und auswendig.
Außerhalb der Stadt waren die Viertel, der ärmeren Familien. Unter anderem auch das Haus meiner besten Freundin. Ich bemerkte, dass ihr Haus nicht weit von unserem jetzigen Standpunkt entfernt war. Ich war mir plötzlich unsicher, ob ich sie mit zwei fremden Jungen im Schlepptau wirklich besuchen sollte.
Oder sollte ich Evan bitten mit den Jungs beim Truck zu warten bis ich zurück kam?
Aber so wie ich ihn kannte, wusste ich, dass er das ungern tun würde.
Es war ein merkwürdiges Gefühl nun wieder alles zu wissen.
Zu wissen, wer Evan und die anderen Jungen wirklich waren. Alle Erinnerungen an meine Vergangenheit zurück zu haben und wieder zu verstehen wer ich war. Ich war glücklich darüber, dass ich es geschafft hatte gegen das Vampirgift in meinem Körper anzukämpfen. Auch, wenn es zunächst erschreckend war wie viel ich vergessen hatte. So viele Dinge von denen ich dachte, dass ich sie nie vergessen würde.Zum Beispiel das einzigartige Band, dass ich mit Evan teilte.
Wie hatte ich es nur vergessen können?
Evan war der Alpha des Clan der Cosantoir und ich war seine Mate. Er war auf mich geprägt worden.
Das eingebrannte A, dass ich vor einer Weile in einer Vision gesehen, aber nicht gewusst hatte, was es bedeutete, stand für Alpha."Evan?"
Ich berührte mit meiner freien Hand seinen Unterarm und versuchte so seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er spürte die Berührung sofort und wandte sich mir direkt zu.
"Ja?""Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich Liana alleine besuche und du mit den anderen hier wartest? Ich denke sie wäre sonst etwas geschockt und ich...."
Ich stockte.
Eigentlich wollte ich sagen, dass ich ein bisschen Zeit alleine mit meiner besten Freundin verbringen wollte. Sie wusste zwar, dass Evan mein Freund war. Schließlich war sie meine beste Freundin und ich erzählte ihr so ziemlich alles. Aber von dem Clan und der Tatsache das sie alle übernatürliche Wesen, Werwölfe, waren wusste sie nichts.Zum Glück brauchte ich meinen Satz nicht zuende sprechen denn Evan nickte bereits verständnisvoll. Eine Sache, die ich an ihm liebte. Sein Verständnis.
"Geh ruhig."
Ich lächelte ihm zu. Dann wollte ich meine Hand von seiner lösen und mich auf den Weg machen. Doch Evan zog mich mit einer blitzschnellen Bewegung noch einmal zu sich.
"Du kommst aber zurück, verstanden?"Ich nickte lächelnd und spürte im nächsten Augenblick seine Lippen auf meinen. Alles ging so schnell, dass ich kurz überrascht war. Aber schließlich schloss ich die Augen und genoss den leidenschaftlichen Kuss, der viel zu schnell vorbei war. Ich spürte Evans warmen Atem auf meiner Haut und wie von selbst legte sich meine Hand hinter seinen Kopf. Ich fuhr mit den Fingern durch sein weiches, lockiges Haar und hätte am liebsten eine Ewigkeit so verweilt. Unglücklicherweise wusste ich aber, dass ich gehen musste. Da war dieser Drang in mir. Der Drang danach Liana zu sehen. Ich vermisste sie so sehr.
Wir lösten uns langsam voneinander und ich öffnete die Augen. Meine Hand zog ich im Zeitlupentempo wieder zu mir.
Ein letztes Mal sah ich Evan in die Augen. Dann trat ich ein paar Schritte zurück. Anfangs entfernte ich mich rückwärts, doch als Evan weit genug weg zu sein schien, kehrte ich ihm den Rücken zu und schaute nur noch geradeaus in die Ferne.Heyo,
Was sagt ihr so zu dem Kapitel?
Wie findet ihr es, dass Kayla zurück nach Wenesco gekommen ist?
Denkt ihr das nun die Gefahr mit Remus und den Vampiren vorbei ist und sie wieder glücklich zuhause leben kann?
Ich freue mich wie immer auf eure Ideen :D
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Der Clan der Cosantoir
Hombres Lobo~♥︎ "Für immer", war alles, was ich sagte. Mehr Worte brauchte es nicht, denn Evan verstand. ~♥︎ Durch ein mysteriöses und gefährliches Ereignis in der Nacht ändert sich Kaylas Leben schlagartig. Sie gerät in eine Gruppe von fremden Jungen und weiß...