♥︎°Kapitel 22°♥︎

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Abwehrend hob Remus die Hände. "Ich habe nichts getan, was du oder dein geliebter Evan nicht verdient hättet."
Ich zitterte und war kurz davor zu explodieren.
"Das ist keine Antwort. Ich frage dich also nochmal. Was hast du mir angetan?"

Dieses Mal brüllte ich die Frage geradezu heraus. Das Blut war in meinen Kopf geschossen, der sich mittlerweile heiß anfühlte. Ich musste wie eine knallrote Tomate aussehen, doch das war mir gleichgültig.

"Hat es dir damals nicht gereicht mich halb Tod zu prügeln?
Du bist ein erbärmlicher Feigling! Deine zwei Freunde mussten mich festhalten, damit du mich überhaupt treffen konntest. Du hast dich noch nicht einmal getraut, dich mir alleine gegenüber zu stellen."

Remus machte eine abwinkende Bewegung mit seiner Hand. So, als wolle er eine Fliege vertreiben.
"Jetzt bleib mal ruhig. So tragisch wie du das Ganze darstellst war es gar nicht. Die Frage ist eher wieso du dich daran erinnern kannst."
Er musterte mich von oben bis unten.
"Eigentlich wollte ich gerade für das Gegenteil sorgen." Remus knetete sein Kinn und schien mit sich selbst zu reden.

Doch ich horchte auf.
Hatte ich gerade richtig gehört? Er wollte das Gegenteil erreichen? Hieß das etwa, dass er gewollt hatte, dass ich Dinge vergaß?
Hatte er bei der Ganzen Sache möglicherweise seine Finger im Spiel?
Aber wieso würde er mir so etwas antun?
Was hatte ich nur getan?
Er musste mich wirklich sehr hassen.

Ich starrte ihn an. Begutachtete prüfend seinen Gesichtsausdruck. Er wirkte nachdenklich und hatte gleichzeitig etwas bedrohliches an sich. Ich stellte fest, dass Remus mich ebenfalls prüfend anschaute. Schließlich öffnete ich den Mund. Ich brauchte Antworten und diese konnte ich eben nur durch Fragen bekommen.
"Willst du damit sagen, dass du wolltest, dass ich bestimmte Dinge vergesse?", hörte ich meine Stimme und war überrascht von meinem prüfenden sowie strengen Tonfall.

Zuerst herrschte für ein paar Sekunden Stille. Dann brach Remus in ein schallendes Gelächter aus. Er schien sich gar nicht mehr einzukriegen. Es machte mich beinahe wütend. Was fiel ihm ein? Ich hatte doch eine normale Frage gestellt. Was zum Teufel war daran so lustig?

Nach einer Weile beruhigte er sich einigermaßen und begann zu sprechen.
"Hast du wirklich geglaubt, dass du durch reinen Zufall vor wenigen Tagen in Weneseco von einem Vampir gebissen wurdest? Ach, ne halt. Das weißt du ja noch nicht mal haha!"
Ich schwieg. Evan hatte mir nur von diesem Ereignis erzählt. Doch erinnern konnte ich mich nicht. Ich beschloss es für mich zu behalten, dass Evan mir bereits von der Nacht erzählt hatte.

"Nun ja. Da du aufgrund deiner Gedächtnislücken eh nicht viel weißt, kann ich es dir ja verraten."

Er holte einmal tief Luft. Anschließend begann er zu erzählen.
"Vor einer Woche haben sich drei junge, neugeborene Blutsauger irgendwie in unser Territorium verlaufen.
Natürlich haben wir sie gleich eingefangen. Als sie dann so jämmerlich am betteln waren, dass ich ihnen bitte ihr Leben lassen soll und sie mir jeden Dienst erweisen würden, kam mir eine geniale Idee.
Ich habe sie beauftragt dich zu finden und dafür zu sorgen, dass du gewisse Dinge vergisst.
Im Gegenzug würde ich ihnen das Leben, wenn man es so nennen kann, schenken.
Sie hätten ihre Arbeit wahrscheinlich einwandfrei erledigt, wenn Evan und sein Gefolge von Nichtsnutzen nicht ebenfalls in der Nähe gewesen wären. Sie haben wieder alles kaputt gemacht und meine ganzen Pläne zerstört!"

Remus verzog wütend das Gesicht, machte eine Pause und ich hielt die Luft an.
Dann sprach er weiter.
"Aber dieses Mal wird alles glatt laufen."
Ich schauderte und fühlte mich plötzlich unwohl. Remus war also schuld daran, das ich von dem Vampir gebissen worden war und das deswegen sein Bruder hinter mir her war.

Aber was hatte ich ihm nur angetan, dass er mich so sehr hasste?
Und wieso hatte er mich vor Jonathan gerettet, wenn er sich meinen Tod wünschte?
Ich schüttelte den Kopf.
Wünschte er denn meinen Tod?
Vielleicht glaubte ich das ja nur und es war ganz anders.
Nur was wollte er dann mit mir?

Remus hatte sich dem Lagerfeuer zugewandt. Er warf einen Ast in die Flammen und starrte sie anschließend an.
Ich überlegte, was ich tun sollte. Remus meine Fragen stellen, die mich quälten?
Einen Fluchtplan schmieden?
War das denn überhaupt möglich?
Ich beobachtete Remus genau. Ich wollte mehr wissen. Etwas in mir drängte mich dazu ihn einfach zu fragen. So lange bis die seltsamen, verwirrenden Ereignisse einen Sinn für mich ergeben würden.

"Was willst du eigentlich von mir? Warum hast du mich vor Jonathan gerettet, wenn du doch willst, dass ich sterbe?"

Remus schaute weiterhin in die loderenden Flammen und bewegte sich nicht. Zuerst glaubte ich, er würde mich ignorieren. Aber dann begann er zu sprechen.

"Wer hat denn behauptet, dass ich deinen Tod will?"
Ich schwieg, da ich keine Antwort auf seine Frage wusste. Schließlich war es nur eine Vermutung von mir gewesen. Einen richtig Beweis hatte ich nicht.
"Jonathan hätte dich getötet. Das steht außer Frage. Das konnte ich nicht zulassen. Dich zu töten stand dem Blutsauger ohnehin nicht zu. Außerdem bist du viel zu wertvoll und lebendig bist du Tausendmal mehr Wert als Tod", erklärte Remus.

Zu meiner Überraschung erzählte er mir das alles bereitwillig. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte angenommen, dass er schweigen oder mich anschreien würde, dass mich das alles nichts anginge. Doch das tat er nicht.

"Was hast du dann jetzt mit mir vor?", fragte ich leise und hielt die Luft an.
Remus löste nun endlich seinen Blick von den Flammen und schaute mich an.
"Erstmal nichts weiter. Ich warte darauf, dass Evan oder irgendjemand anderes aus dem Clan der Cosantoir kommt, um dich vor mir zu retten. Wenn nicht. Nun ja. Dann muss ich eben dafür sorgen, dass sie kommen."

"Clan der Cosantoir?", wiederholte ich nachdenklich. Die Worte kamen mir vertraut und bekannt vor. Aber ihre Bedeutung wollte mir einfach nicht einfallen.
Ich bemerkte nicht, dass Remus mich prüfend anschaute. Ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt.
Seine Stimme ließ mich schließlich trotzdem hochschrecken.

"Ja. Das ist der Clan von Nichtsnutzen und Schwächlingen. Du kannst dich nicht mehr an sie erinnern haha. Sonst wüsstest du, dass sie sich für die Beschützer der Menschen, vor den bösen Vampiren, halten. Evan Costello ist ihr Alpha. Also ihr Anführer. Dieser Trottel hat es damals tatsächlich gewagt mich und meine Freunde",Remus nickte zu den anderen Personen, die um dem Feuer saßen,
"zu verstoßen. Und das nur, weil wir der Ansicht waren, dass man mit den Vampiren zusammen gegen die Menschen kämpfen sollte. Statt gegen die Vampire und für die Menschen."

Plötzlich beugte er sich zu mir vor. Ich wich erschrocken zurück.
"Wärst du nicht gewesen, dann hätte er mir wahrscheinlich zugestimmt."

Remus Gesicht war nun direkt vor meinem. Seine Stirn berührte meine. Ich wünschte mich fort. Zu Evan. Die Sehnsucht nach ihm zerfraß mich mit einem Mal von innen nach außen. Ich schaute zum Himmel. Zum einem, weil ich die Tränen wegblinzeln wollte, die allmählich aufkamen und zum anderen, weil ich sehen wollte, ob der Vollmond noch immer da war.

Unglücklicherweise, stellte ich fest, dass noch immer eine silberne Scheibe am Himmel prangte.
Auf einmal entfernte Remus sich von mir. Ich atmete erleichtert auf.
Ich ordnete das Chaos in meinem Kopf. Langsam machte alles einen Sinn. Ich begann zu verstehen, was alles passiert war und wie es zusammenhing.

Zuerst der Vampirbiss durch den ich meine Erinnerungen verloren hatte. Aber schon jetzt kamen neue Fragen auf.
Welche Erinnerungen genau?
Ich hatte schließlich nicht alles vergessen. Es waren bestimmte Ereignisse gewesen.
Wieso konnte ein Vampirbiss mir meine Erinnerungen nehmen?
Wie war das möglich?

Ich verdrängte die Fragen und versuchte erst einmal weiter zu überlegen. Remus hatte diesen Vampir beauftragt. Er wollte mich bzw. eher Evan bestrafen, weil dieser ihn und seine Freunde verstoßen hatte. Nur ich spürte, dass da noch mehr war. Da war noch ein weiterer Grund wieso Remus so wütend reagiert hatte.
Was war dieser Grund?

Schließlich kam ich zu den Fragen aller Fragen.
Was hatte ich mit all dem zu tun?
Wer oder was war ich?

Der Clan der CosantoirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt