Eine alte Bekanntschaft

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Die weitere Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse.

Als ich erwachte und aus dem Fenster blicken wollte erwartete mich ein riesiges weißes Nichts, der Schneefall hatte derart zugenommen dass ich kaum einen Zentimeter weit aus dem Fenster schauen konnte.
Oh, wie ich das liebte. Die Ränder der Fensterläden waren mit kleinen und großen Schneeflocken verziert, weil es inzwischen so kalt draußen war, dass die Ränder begonnen hatten zu frieren. Aber hier in meinem kleinen Zimmer machte sich die Kälte nicht bemerkbar. Keinen Zentimeter breit war es ihr möglich in mein Zimmer zu kriechen. Der Kamin brannte die ganze Nacht über ruhig vor sich hin und schenkte auch jetzt noch wohlige Wärme, erst wenn ich das Zimmer verlassen würde, würde das kleine Feuer darin ausgehen. Dennoch würde es nie zu kalt in meinem Zimmer werden, der Frost würde immer draußen bleiben, eben auf magische Weise. Noch ein weiterer Fakt, warum ich Magie so liebte.
Ich hatte die erste Stunde keine Klasse und konnte in Ruhe meine Tasche für die kommende Woche packen. Mein Lieblingspullover flog gleich als erstes hinein, es war der Pullover den Molly Weasley mir zu unserem ersten gemeinsamen Weihnachten geschenkt hatte, gleich danach landete mein grünes Schlafshirt daneben. Für eine Woche würde ich diverse Pullis, Hosen und leider auch einige Röcke, sowie Zauberumhänge benötigen. Dabei mochte ich Röcke eher weniger, aber manchmal sahen sie zu bestimmten Anlässen einfach angemessener aus. Dazu legte ich noch ein paar einfache Shirts und Blusen in die Tasche.
Natürlich durften auch meine selbstgestrickten Kuschelsocken nicht fehlen, ebenfalls ein Geschenk von Molly Weasley. Aber in ihnen hatte man niemals kalte Füße. Keine Ahnung was sie für Wolle zum Stricken verwendete, aber weder kratzte sie, noch wurden die Füße kalt oder schwitzig darin. Zwei dicke Schals passten noch hinein, meine Kosmetiktasche und mein Kissen, ohne dass ich tatsächlich nicht schlafen konnte. Da mein Platz in der Tasche zuneige ging, ich aber noch einige meiner Lieblingsbücher mitnehmen wollte und natürlich Seife, Bettwäsche, eine weiche Decke etc. musste ich einen unaufspürbaren Ausdehnungszauber anwenden. Einer meiner liebsten Zaubersprüche. Nachdem alle Dinge verstaut waren, hatte ich immer noch genügend Zeit, um ein langes Frühstück in der großen Halle einzunehmen. Da aber so gut wie niemand der Lehrerschaft mehr anwesend war hielt ich mich nicht länger als nötig dort auf und zog mich in mein Klassenzimmer zur Unterrichtsvorbereitung zurück, obwohl ich bereits in den Tagen zuvor alles genau geplant hatte.
Eine halbe Stunde später betraten die ersten Schüler meinen Klassenraum und setzten sich auf ihre Plätze. Ich erzählte ihnen etwas über Zaubersprüche, die sie zur Heilung verwenden konnten und welche Kräutertees diese Sprüche noch begünstigten.
Auch die zwei anderen Klassen liefen wie so oft reibungslos und floßen dahin wie der Sand einer magischen Sanduhr. Ich brauchte nicht lange um mein Gepäck zu holen, Essen wollte ich in London. Es gab dort diese winzig kleine Pizzeria, in der ich früher schon gerne gegessen hatte. Sie lag in einer der Seitenstraßen zum Tropfenden Kessel und war immer einen Besuch wert.
Früher war ich oft mit Harry und Ron dort gewesen, später auch immer öfter mit Ginny und Luna. Heute würde ich allein dort essen, aber das machte mir gar nichts aus. Ich mochte es sehr meine Ruhe zu haben. Ich wollte das Flohnetzwerk für meine Reise nutzen und betrat dazu das Büro der Schulleiterin, nicht ohne zuvor einer der aberwitzigen Passwörter verwendete, damit sich die Treppe nach unten drehte und ich hinauf zu Minerva gehen konnte.
Elefanteneis. Wie auch immer Minerva darauf gekommen war.
"Guten Tag Minerva." sagte ich lächelnd, nachdem ich die Treppe hinaufgekommen war. Das Passwort zum Büro des Schulleiters war bis vor kurzem wie einige Jahre zuvor Zitronensorbe gewesen. Prof. McGonagalls Lieblingseis, wie ich aus sicherer Quelle wusste. Es entlockte mir jedes Mal ein kleines Schmunzeln, weshalb ich noch weniger eine Ahnung hatte, warum sie es verändert hatte. Ihr Lächeln war ebenso herzlich.
"Ich wünsche dir eine wunderbare Woche. Du hast noch Urlaub für dieses Jahr, weshalb ich deine Ferien vorverlegt habe. Wir sehen uns erst nach Weihnachten wieder. Beziehungsweise gerne im neuen Jahr meine Liebe. Ich wusste du würdest sowieso viel zu viele Sachen einpacken. Wenn du nicht verreisen willst, steht dir das Black Hause so lange zur Verfügung wie du möchtest. Gute Reise Hermine und lass von dir hören."
Mehr als ein wenig verblüfft starrte ich in Minervas Augen.
Fakt eins: Interessant das sie mich so gut kannte, Fakt zwei: ich würde dennoch freie Tage mit in das neue Jahr nehmen. Fakt drei: es wäre mir niemals aufgefallen. Fakt vier: ihre Worte duldeten keinen Widerspruch.
Also bedankte ich mich lediglich bei der Schulleiterin, betrat den Kamin und nahm das Flohpulver entgegen, welches sie mir dankenswerterweise hinhielt. Über die Zeit nach der Weiterbildung konnte ich mir später noch genügend Gedanken machen. Es dauerte keine fünf Sekunden, ehe ich durch einen Kamin im tropfenden Kessel rutschte und ich schon erwartet wurde. "Ah Ms. Granger, bitte folgen Sie mir. Sie können das Zimmer im zweiten Stock beziehen." "Oh vielen Dank, aber ich werde nicht hier übernachten Tom." winkte ich ab und verließ mit einer Geste des Abschieds das Büro und einen etwas verwirrt schauenden Wirt.
Unten vor der Tür des tropfenden Kesselns angekommen atmete ich tief durch. Winterluft roch immer anders, belebend. Fand ich.
Ich schlenderte durch die kleine Straße und steuerte direkt auf die kleine Pizzeria zu.
Nichts hatte sich in all den Jahren verändert. London war mit all seinen kleinen Gassen, den Backsteinhäuschen und kleinen Pubs einfach unverbesserlich. Besonders um den Winter und der kommenden Weihnachtszeit war London immer eine Augenweide und einen Besuch wert. Überall war eine kleine Schicht Schnee liegen geblieben. Auch in meinen Haaren mussten sich mittlerweile einige Schneeflocken verfangen haben, gleich würden sie in der Wärme des Restaurants mein Haar an einigen Stellen nass machen und sie zu Berge stehen lassen, dass ich wie Struwwelpeters Schwester aussehen würde. Tritt man aus dem tropfenden Kessel gelangt man in eine Seitenstraße mit diesen kleinen roten Holztorbögen, in dieser Stelle sind fast fünf Straßen miteinander verbunden und treffen sich auf einem kleinen Platz mit drei süßen Restaurants, einer Poststelle, die diese leckeren rosafarbenen Kaugummis hat und einem Dekorationsladen, der schon im August die tollsten und außergewöhnlichsten Christbaumkugeln verkauft. Ich weiß genau wohin mich meine Füße tragen, in einer dieser Seitenstraßen, denn am Ende finde ich dort die Pizzeria "La D'Oro". Von weitem kann ich die goldenen Lichterketten sehen, die überall an der Decke und an den Wänden hängen. An den Seiten stehen diverse Pflanzen, einige von ihnen sind höher als ich. Und die kleinen Tannen sind schon mit bunten Kugeln und Lichtern verziert worden.
Als ich vor der Eingangstür stehe kann ich schon die leise italienische Musik hören. Der Besitzer spielt sie immer nur dezent im Hintergrund ab, nie ist zu laut, oder zu aufdringlich.
"Hallo Mrs. Granger. Ein Tisch für fünf wie immer?" fragt mich die füllige, ältere Empfangsdame. Ich nickte freundlich ab. "Nein, heute nur ich."
In Ordnung, bitte folgen sie mir." Die Muggeln an den anderen Tischen beachten mich gar nicht weiter, trotz meiner für Muggel ungewöhnlichen Kleidung und ich bin froh einen Tisch in einer eher verstecken Ecke bekommen zu können. "Vielen Dank. Ich hätte gerne vorweg einen halbtrockenen Rotwein, bitte den mit der Schokoladen Note." Die Bedienung nickt freundlich und kommt keine zwei Minuten mit der Speisekarte zurück. Im Grunde benötige ich diese gar nicht, denn fast immer esse ich hier dasselbe, die Spaghetti Carbonara sind hier einfach legendär. Vor mir auf dem Tisch liegt eines meiner Lehrbücher, am Rande bekomme ich mit wie mir der Wein und ein kleiner Gruß aus der Küche gebracht werden, ich schaue erst auf als jemand meine Sicht verdunkelt und ich Schwierigkeiten beim Lesen bekomme.
Mein Blick trifft auf rauchgraue Augen und aschblonde Haare, dieses Gesicht habe ich seit Jahren nicht gesehen und muss mich erstmal erinnern, woher es mir so vertraut ist, bis all die Erinnerungen über mich hinein brechen. Ihn hier zu sehen nach all diesen Jahren, damit habe ich wahrlich überhaupt nicht gerechnet. Natürlich habe ich auch ab und zu an ihn gedacht, wie sein Weg und sein Leben wohl verlaufen ist. Aber das habe ich mich auch bei anderen gefragt die die Schlacht überlebt hatten. Es hatte mich einfach interessiert, obwohl ich Gedanken an diese Zeit so gut ich konnte zu vermeiden versuchte.

Etwas verwirrt erwidere ich seinen intensiven Blick.

Die raue See der Nacht und der Friede im SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt