KAPITEL 32

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Y O O N G I

„Ich wollte dir deinen kleinen Fehltritt von letzter Woche eigentlich verzeihen, aber wenn man sich so aufspielt, hat man keine Entschuldigung verdient!", schrie mir Mary von hinten zu, als ich mich mit genervter Miene von ihr in die Richtung Eingang des Schulgebäudes drehte und los lief, jedoch sogleich plötzlich zurückgestoßen wurde. Mary nahm ihre Hände von meiner Brust und sah mich wütend an.

„Alter, geht's noch? Ich rede mit dir und du verpisst dich einfach?!" Mit jedem Wort, welches Mary von sich gab, merkte ich, wie mein Inneres anfing zu brodeln. Ich hatte nichts getan, was solch ein Verhalten gegenüber mir erklärte. Sie nahm sich irgendwelche Sachen heraus, machte eine riesen Szene und kam wieder an, wenn sie jemanden brauchte, der die leere Seite ihres Bettes fühlte, und dieser jemand wollte ich in keinem Fall sein.

Erneut wollte ich an Mary vorbeigehen, doch so oft ich dies versuchte, desto mehr stellte sie sich vor mich, bis auch irgendwann ich keine Geduld mehr hatte. „Wenn du nicht sofort damit aufhörst, werde ich kein Problem damit haben, einem Mädchen wie dir, eine Lektion zu erteilen", knurrte ich in ihr Gesicht, was sie kurz leicht die Augen aufreißen lies, sie sich jedoch schnell fing, seufzte und mich vorbei ließ. Natürlich, hätte ich ihr niemals etwas getan, denn ich war kein Schläger, jedoch bekam ich manchmal das Gefühl, das sie es in netterem Wege nicht verstand.

Mit schnellen Schritten, machte ich mich also auf den Weg in unser Klassenzimmer, von welcher ich schon von weitem die geschlossene Tür erkennen konnte. Ich seufzte und schluckte die leicht aufkommende Panik herunter, blieb davor stehen und atmete ausgiebig aus. Nach kurzem durchschnaufen, lauschte ich an der Tür und klopfte zweimal. Ich wartete nicht lange, da wurde mir die Tür von Namjoon geöffnet, welcher mich nur verwirrt ansah.

„Man, da bist du ja endlich! Taehyung und ich haben uns schon gefragt, wo du bleibst", sprach er direkt und machte mir Platz, um eintreten zu können. „Ja, ich w-, Frau Go ist noch gar nicht da?", unterbrach ich mich mitten im Satz, nachdem ich durch den Raum gesehen hatte, woraufhin Namjoon mit dem Kopf schüttelte. Erleichtert entspannte ich meine Haltung und wollte wieder zum reden ansetzen, als ich klappernde Schuhe, welche sich immer mehr näherten, hören konnte. Namjoon klopfte mir auf den Rücken, bevor wir beide zu unseren Plätzen liefen und uns setzten.

Von diesem aus, drehte ich mich noch kurz nach hinten zu Jimin, welcher mich gar nicht bemerkte und gedankenverloren aus dem Fenster sah, während er sich weiter in meinen Schal, den er immer noch umtrug, kuschelte. Ich musste kurz lächeln und drehte mich wieder nach vorne, wo schon Frau Go mit einem kleinen Stapel von Zetteln in Ihrer Hand stand. „Guten Morgen, ihr Lieben", begrüßte Sie uns mit einem kleinen Lächeln, während die Klasse Ihre Begrüßung erwiderte. „Ich habe mir übers Wochenende eure freiwilligen Aufgaben angesehen und muss sagen, dass ich wirklich überrascht und zufrieden mit euren Ergebnissen bin und das jeder einzelne von euch ihre Zettel überhaupt abgegeben haben."

Lächelnd fing Sie an, die Zettel an die dazugehörigen Schüler auszuteilen, bis mir meiner in die Hand gedrückt wurde. „Gut gemacht, Yoongi. Die Nachhilfe scheint zu helfen", zwinkerte Sie und nickte mit dem Kopf nach hinten. Ich drehte mich kurz verwirrt um, nur um zu verstehen, weshalb Sie das tat. Ich lächelte und nickte, sobald ich mich wieder zu Frau Go umgedreht hatte, ebenfalls.

Anschließend ging Sie weiter, um die letzten Zettel auszuteilen, bevor Sie sich wieder an Ihren Lehrertisch setzte und uns noch wegen der Spendengala lobte, welcher anscheinend jede der Aufgaben wirklich ernst genommen hatte. Sie schien noch den Rest der Stunde begeistert und äußerst gut gelaunt zu sein. Währenddessen hatte ich mir den Zettel angesehen, welcher viele, rote Häkchen an den Aufgaben zierte und zu der Note zwei gezählt wurde, welche mit einem Smiley groß darunter geschrieben wurde. In mir kribbelte alles und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, wenn ich bedenke, was für Noten ich in Mathe sonst immer hatte.

Ich war im Nachhinein so froh, weiterhin zur Nachhilfe gegangen zu sein und merkte allmählich, wie sehr mein Verhalten am Anfang unnötig war. Jimin hatte mir dabei geholfen, einen kleinen Erfolg zu haben, sowie das Lächeln, wenn ich an ihn dachte. Denn er hatte mir gerade den schönsten Mathemoment überhaupt beschert.

***

Nachdem der Matheunterricht vorbei ging, schulterte ich meinen Rucksack und lief durch den Gang, bis nach hinten, um an einem bestimmten Tisch anzuhalten. Während ich wartete, verließen schon einige Schüler den Klassenraum. „Danke", fing ich an, als es still wurde und sah dem kleineren Jungen ins Gesicht. Verwirrt blickte er zurück, bevor auch er seine Tasche schloss und auf seinen Rücken gleiten ließ. „Wofür denn?", fragte er, woraufhin ich lächelte und ihm mein Blatt hinhielt. „Wegen dir, habe ich die bekommen."

Er nahm den Zettel entgegen und warf einen kurzen Blick darauf, bevor er mich lächelnd musterte. „Das war ich nicht, sondern du allein, Yoongi", sagte Jimin und umgriff seine Henkel, um seinen Rucksack noch höher zu ziehen, als sowieso schon. „Wieso hast du denn nichts gesagt, dass es gut geworden wäre?", fragte ich, ehe wir beide langsam den Weg zur Tür antraten. „Weil ich..wusste, dass du das schaffst", antwortete Jimin und ging aus der Tür raus, vor welcher schon seine und meine Freunde wartend davor standen.

Jimin wollte zu seinen Freunden gehen, blieb allerdings noch mal stehen. Er wickelte den Schal, der noch an seinem Hals lag aus und drückte ihn an meine Brust.

„Danke, aber der hier gehört dir", flüsterte er schon fast und blickte runter, darauf wartend ihn abgenommen zu bekommen. Ich jedoch, umschloss sein Handgelenk, was ihn aufblicken ließ. „Behalt ihn, er ist mir nicht so wichtig." Jimins Augen wurden in dem Moment groß und seine Wangen leicht rot, bevor er den Kopf schüttelte. „Nein, den kann ich nicht behalten, Yo-", „Jimin, ich will, dass du ihn hast. Ich habe zuhause genug von denen." Der Braunhaarige verstummte nur, weshalb ich ihm den Schal abnahm und ihm den wieder an den Hals legte. Dann schmunzelte ich kurz, bevor er sich nickend bedankte und zu seiner kleinen Gruppe ging. Auch ich ging zu den beiden und folgte den anderen vieren in den nächsten Klassenraum zu.

„Richtiger Romantiker, deinen Lieblingsschal, deinem Feind zu geben", durchbrach Taehyung die Stille, was Namjoon einen zustimmenden Laut von sich geben ließ. „Es scheint besser zu werden, aber das ist auch gut so", gab ich ehrlich zu, was die anderen dazu brachte, es dabei zu beließen. Mein Alltag wurde dadurch deutlich weniger anstrengend und fühlte sich gut an, mit jedem im Reinen zu sein. Jimin war ein netter Junge, auch wenn ich das am Anfang niemals so gesagt hätte. Doch irgendwas in mir sagte, und egal wie bescheuert das klang, dass er jemand für mich zu werden schien.

𝙎𝘼𝙑𝙀 𝙈𝙀  / 𝙥𝙟𝙢 𝙭 𝙢𝙮𝙜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt