Kapitel 36

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„Und du bist dir wirklich sicher, dass du das durchziehen willst?" Harry legte die Hand auf die Schulter seiner besten Freundin und drückte sie sanft. Über seinem Gesicht lag ein besorgter Schatten. Hermine nickte schwach.

„Es wäre falsch ihn in dem Glauben zu lassen, seine Gefühle mir gegenüber wären echt." Ihr Blick schweifte über die Landschaft, die rasend schnell an ihnen vorbeizog. Eine dicke Schneeschicht begrub die Wiesen, Felder und Bäume unter sich und die grelle Sonne glitzerte vom Himmel wie Gold.

„Aber ich mache mir Sorgen wie es dann weiter geht, vorallem bei dir. Sicherlich wird Malfoy dich wieder schikanieren und beleidigen, denn er hat ja dann keine Erinnerungen mehr an eure gemeinsame Zeit während du dich wahrscheinlich noch an alles erinnern kannst." Wieder brachte Hermine nur ein schwaches Nicken hervor. „Das weiß ich Harry, aber was bringt es mir denn auf eine Liebe zu schwören, die auf einem Unfall im Zaubertrankunterricht auf baut? Ich könnte niemals glücklich werden, wenn ich wüsste Draco liebt mich nur wegen dieses verunglückten Kürbissaft."

„Aber das sah in den letzten Wochen ganz anders aus, ich hab dich selten so fröhlich und glücklich gesehen." Mit einem gezwungenen Lächeln griff sie nach Harry's Hand und drückte sanft seine kalten Hände. „Es ehrt mich, dass du dich um mich sorgst, aber ich habe meinen Entschluss gefasst und davon wird mich niemand abbringen."

Die restliche Fahrt nach Hogwarts verlief schweigend und als der Zug den Bahnhof erreichte, hatte sich bereits der Sternenhimmel über ihnen ausgebreitet. Während Hagrid, der Wildhüter, die Erst-und Zweitklässler abholte, bestiegen die restlichen Schüler die selbst fahrenden Kutschen. Luna hatte sich vor eines der Gefährte gestellt und schien mit einem unsichtbaren Wesen zu sprechen oder mit sich selbst. Hermine lief schulterzuckend an ihr vorbei und ließ sich neben Parvati Patil fallen, die ihre Nase in den Tagespropheten gesteckt hatte.

„Und ist etwas spannendes passiert auf der Welt?"fragte die braunhaarige Gryffindor und erntete ein seufzendes Kopfschütteln von der dunkelhaarigen Hexe. Die Kutsche setzte sich in Bewegung und Hermine starrte sehnsüchtig auf die Lichter, die das Schloss hoch oben auf dem Berg umgaben. Bald war sie wieder in ihrem zweiten Zuhause angekommen, nur dass sich diesesmal ihre Freude in Grenzen hielt und daran waren nicht die bevorstehenden UTZ-Prüfungen Schuld.

„Habt ihr Lust nach den Prüfungen im Dreibesen zu feiern? Madam Rosmerta hat allen Schülern des sechsten Schuljahres Tische reserviert."Seamus sah die Mitreisenden mit erregtem Gesicht an. „Ja klingt gut." Hermine bemerkte erst jetzt Ron Weasley, der ihr schräg gegenüber saß. Er hatte sich seine roten Haare kürzer geschnitten, die nun sein rundes Gesicht betonten. Manchmal wünschte sich die Gryffindor, sie könnte etwas für Ron empfinden, doch in den Tiefen ihres Herzens gab es keinen Platz für ihn. Draco Malfoy hatte jedes Stück für sich eingenommen.

Sie wendete den Blick von dem rothaarigen Zauberer ab und nahm die Kutschen hinter ihnen in Augenschein. Auf einer erkannte sie einen platinblonden Zauberer und ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Draco allerdings war ganz in das Gespräch mit Blaise Zabini vertieft. Pansy hingegen bemerkte die Gryffindor und erwiderte ihren Blick mit einem eisigen und gewinnenden Lächeln, denn sie wusste nur zu gut, dass sie den Slytherin bald wieder für sich allein hatte. Niedergeschlagen drehte sich die braunhaarige Junghexe weg und betrachtete die Kette an ihrem Hals, die ihr Draco am Abend des Weihnachtsball's geschenkt hatte. Die würde ihr niemand nehmen können, genauso wenig wie ihre Erinnerungen an ihn. Auch nach der Vollmondnacht würde sie den Slytherin niemals mehr so sehen wie am Anfang des Schuljahres. Er würde immer etwas besonderes für sie sein, auch wenn seine Erniedrigungen und Beleidigungen sie tief im Herz treffen würden. Denn eines war sich Hermine sicher, sie kannte seine liebenswerten Seiten mehr als jeder andere.

Die weihnachtliche Dekoration in der großen Halle hatte sich in winterlichen Schmuck verwandelt. Gezauberte Schneeflocken fielen vom Nachthimmel, künstlicher Schnee lag auf den Fensterbrettern und Eiszapfen hingen an den Lampen. Dumbledore hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Mit langsamen und schweren Schritten trat er ans Pult und begrüßte die Schüler, die sich an den langen Tafeln inmitten lauter und angeregter Gespräche niederließen. Als der Direktor jedoch die Arme hob brachte er alle zum Schweigen. Auch die restlichen Lehrer erhoben sich.

„Ich begrüße alle Zauberer und Hexen im zweiten Lehrjahr in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei. Bevor die köstlichen Speisen aufgetischt werden, möchte ich allen ein frohes, neues Jahr wünschen sowie den Schülern des sechsten Schuljahres viel Erfolg bei den bevorstehenden UTZ-Prüfungen. Guten Appetit!"

Alle machten sich über die Brathähnchen, Kartoffeln und die zahlreichen Gemüsesorten her, die sich nun auf den Tischen zeigten. Dazu gab es Tee, Saft und Wasser. Ron griff mit gierigen Augen nach einem Hähnchenschenkel, Harry, Seamus und Dean taten es ihm gleich. „So gut Mum auch kocht, das Essen in Hogwarts ist unschlagbar."meinte der rothaarige Weasley und biss ein großes Stück Fleisch ab. Hermine's Magen knurrte als Zustimmung und sie schob sich eine der Gemüsekartoffeln in den Mund.

Die Prüfungen, der neuste Klatsch und Tratsch aus der Zaubererwelt sowie die Geschehnisse in den Weihnachtsferien füllten den Gesprächsstoff. Harry erzählte von dem neuen Nimbus, Hagrid's Weihnachtsgeschenk. Seamus musste mit seinen Eltern am heiligen Abend in eine Weihnachtsoper gehen und imitierte mit leidendem Gesichtsausdruck die Sängerin, die angeblich einen überdimensionalen Busen hatte. Ginny berichtete von Fred und George's Streichen, die sie den restlichen Familienmitgliedern jedes Jahr an Weihnachten spielten. Egal ob explodierende Pasteten, knallende Bonbons oder buntes Feuerwerk aus dem Weihnachtsbaum.

„Wie war eigentlich der Weihnachtsball bei den Malfoy's?" Ginny beugte sich zu ihrer Freundin rüber, während sie einen Schluck von ihrem Früchtetee trank. Sofort wurde Hermine zurück in die Vergangenheit katapultiert und der Abend sowie der darauffolgende Morgen in Malfoy Manor manifestierten sich vor ihrem inneren Auge.

„Ziemlich gezwungen. Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet, schließlich war ich dort die einzige nicht-reinblütige-Zauberin." meinte Hermine mit verbissenem Gesichtsaussdruck. „Wahrscheinlich hätte es auch als reinblütige Zauberin keinen Spaß gemacht, diese altbackene Atmosphäre und die langweiligen und trägen Attitüden der Gäste." Ginny verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Hermine knuffte sie freundschaftlich in die Seite.

Nach dem Abendessen zogen sich alle Schüler auf ihre Zimmer oder in die Gemeinschaftsräume der jeweiligen Häuser zurück. Morgen würde der Unterricht früh beginnen und keiner wollte das neue Lehrjahr verschlafen. Auch die braunhaarige Gryffindor schlüpfte nach dem Duschen in ihre Schlafsachen und kuschelte sich unter ihre kratzige Bettdecke. Lavender schnarchte bereits leise.

Für Ginny hingegen war ans Schlafen garnicht zu denken. Stattdessen legte sie sich neben ihre Freundin und die beiden sahen sich an. „Überlegst du manchmal wie es nach der Schule weitergeht? Ob wir einen weiteren Zaubererkrieg haben werden oder in Frieden leben können?" Hermine griff nach der Hand ihrer besten Freundin und drückte sie sanft. „Tatsächlich hatte ich schon oft diese Gedanken, vorallem habe ich Angst um Harry, er steckt in dieser Sache noch viel tiefer drin als wir." Die rothaarige Weasley nickte gedankenverloren. „Vielleicht ist das auch der Grund warum ich nicht komplett zu ihm durchringen kann. Zwischen uns ist etwas, das weiß ich, doch er zieht sich jedes Mal zurück wenn die Verbindung zwischen und stärker wird."

Hermine erwiderte nichts, sondern starrte nur an die Zimmerdecke. Bald darauf ertönten Ginny's gleichmäßige Atemzüge. Sie war eingeschlafen, friedlich wie ein Baby. Lächelnd löschte die braunhaarige Junghexe die Kerze auf ihrem Nachttisch und schloss ebenfalls die Augen. Doch der wohlersehnte Schlaf war ihr nicht vergönnt. Tausend Gedanken kreisten durch ihren Kopf wie lästige Fliegen.

Die Vollmondnacht rückte näher und näher. Unaufhaltsam wie ein Sturm, der sich zusammen braute. Bald würde alles vorbei sein, all das Glück was sie hatten wäre unaufhörlich verloren. Doch genauso war es richtig, auch wenn es Hermine das Herz aus der Brust riss und in einen tiefen, dunklen Abgrund schleuderte.

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Hallöchen ihr Lieben, ich wünsche euch einen schönen 1. Advent. ❤️

Liebe Grüße
Vivienne 🥰

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