Kapitel 2

54 7 18
                                    

Eine Stunde später und Rose musste immer noch damit klar kommen, was sie da getan hatte. Sie hatte tatsächlich unterzeichnet und war somit die neue Besitzerin dieses Anwesens. Aber es musste viel getan werden, wie sie nach dem sich Umschauen des Anwesens festgestellt hatte. Jeder einzelner Zentimeter musste nochmal gründlich geputzt werden, der Staub gewischt und gesaugt werden und der Garten musste auch auf Vordermann gebracht werden. Der Garten war zwar sehr schön, doch fehlte der weibliche Touch, um sich auch Draußen da wohl zu fühlen, wenn sie einmal dort schwimmen oder auf einem Liegestuhl bei Sonnenschein lesen würde. Es würde viel zu tun geben, aber das würde sie hinkriegen, sagte sich Rose, stand auf und ging in den Flur, wo der Abstellkammer sich befand und holte dort Lappen, Eimer, Mopp, Staubwedel und noch einiges mehr heraus und begann mit den gründlichen Hausputz.

Glücklicherweise musste nicht viel getan werden, denn nach nur knappe zwei Stunden war sie mit das meiste fertig. Die anderen, die für die Pflege und die Ordnung zuständig waren, hatten ganze Arbeit geleistet. Sie mussten wohl, was verständlich war, geputzt haben, bevor sie die Villa mit Mrs. Lloyd besichtigt hatte, weshalb Rose nicht viel tun musste und schnell fertig wurde in diesen über 400 Quadratmeter großen Villa.

Den Eimer mit dem längst abgekühlten Seifenwasser trug sie ins nächste Schlafzimmer und wischte dort gründlich durch. Der Schweiß lief ihr über Stirn und Rücken herab und Rose sehnte sich jetzt nach eine heiße, gründliche Dusche. Eine mit viel heißes Wasser und viel Schaum auf ihren Körper. Und duftende Öle wären auch nicht schlecht, dachte sie sehnsüchtig und seufzte leise auf. Duftende Öle aber waren ein Luxus, was sie sich nicht wirklich gönnte. Luxus kannte sie zuvor noch nicht und war ihr ein Fremdwort.

Als sie komplett mit Putzen fertig war, leerte sie das graue Waschwasser in der Toilette aus, spülte, stellte alles dann zurück in den Abstellkammer und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich aufs schwarze, teuer aussehende Sofa warf und den Kopf erschöpft in den Nacken legte. Stöhnend fuhr sie sich mit der Hand übers schweißnasse Gesicht und spürte, wie klebrig und nass Kopf und Haar waren. Das Kleid klebte ihr auch am gesamten Körper, ihren Cardigan hatte sie vor dem Putzen ausgezogen, damit ihr nicht so warm wurde. Aber ihr war trotzdem warm. Geradezu heiß.

Ein bisschen verschnaufen erst, dann ab unter die Dusche. Zum Glück hatte sie ein Teil ihrer Kleidung mit gehabt, der Rest davon sowie ihre Bücher würden später noch von ihrer alten und zu kleinen Wohnung hierher transportiert werden, solange musste sie mit dem mitgebrachten Vorlieb nehmen.

Sie benutzte das erste Bad, was sie sich näherte, duschte dort und eine Stunde später fing sie an das Essen zu kochen. Gemüse geschnippelt, Fleisch gebraten und Reis gekocht bereitete Rose sich eine Reispfanne mit Curry zu. Die Küche hatte es wirklich in sich, ist zwar nicht die Saison des Jahres, aber es war trotz allem modern, schön und sehr sauber. Die tolle Herdplatte sah aus, als könne man sich darin spiegeln, die Schubläden und Schränke wiesen eine bestimmte Ordnung auf, wo Küchenutensilien, Geschirr und so alles hingehörte. Schnell fand sie, was sie suchte, bereitete sich das Abendessen vor und genoss es nur eine halbe Stunde später auf der Küchentheke.

Himmlisch schmeckte das Essen und sie genoss jeden einzelnen Bissen, den sie im Mund bekam. Einige der Zutaten, z.B. das Huhn musste sie schon fertig kaufen, da es sonst schlecht wurde beim transportieren. 

Ihre Augen nahmen nochmal die Küche und das Wohnzimmer vor sich im Augenschein und sie seufzte leise auf. Erneut wurde ihr klar, neues Haus, neue Umgebung, aber dennoch war sie allein. Rose war es fast ihr ganzes Leben gewesen und somit auch gewohnt. Hatte keine Familie, keine Freunde, niemand, der sie auch nur halbwegs unterstützte. Sogar in der Schulzeit musste sie alles eigenständig machen. Niemand war bei ihr und wollte sich mit ihr befreunden, sogar alleine gegessen hatte Rose in der Pausenzeit. Oftmals, wenn sie niemanden um sich hatte, flüchtete sie in der Welt der Bücher. Das war ihr einziger Trost, in Welten einzutauchen und dort Abenteuer zu erleben, die sie nie im wirklichen Leben erleben würde.

Nachdem sie ihren Teller aufgegessen hatte, stellte sie alles in die Spülmaschine, schaltete sie an und setzte sich ins Wohnzimmer hin mit einem Buch in der Hand. Es war bereits Nacht, deshalb schaltete sie das kleine Tischlämpchen neben sich an, um überhaupt was sehen zu können. In ihren kuscheligen Schlafanzug mit buntkarierte Pantoffeln an den Füßen saß sie da, schlug das Buch auf und las weiter Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Sie war bereits bei der Stelle angekommen, wo Mr. Collins Elisabeth Bennet einen Heiratsantrag machte, als sie Durst bekam und sich schnell in die Küche begab, um sich dort ein Glas Wasser zu holen, als sie erst jetzt das laute Prasseln von Regen wahrnahm und aus dem Fenster rausschaute. Es regnete tatsächlich, das hatte Rose gar nicht wahrgenommen, so gefesselt war sie eben gewesen vom Buch.

Mit das Glas Wasser in der Hand kehrte sie wieder ins Wohnzimmer zurück und las weiter, aber weiter kam sie nicht, da vernahm sie ein komisches Knarzen über sich. Erschrocken schaute Rose auf und sah zur Decke hoch, wo der funkelnde Kronleuchter hing und sie mit ihren Klimpern verspottete, weil sie schon Angst von einem Knarzen bekam. Aber ihr Herz raste dolle in der Brust und sie glaubte für einen Moment, es würde ihr aus der Brust springen. 

Langsam legte sie das Buch beiseite und stand auf, behielt weiterhin die Decke im Blick, aber das Knarzen kam nicht wieder.

"Sicher der Regen", murmelte Rose, setzte sich wieder hin und las weiter. Weshalb sollte sie Angst haben, dachte sie über sich selbst lachend und machte sich über sich selber lustig. 

Ihr Wasser halb ausgetrunken und nun im Buch bei der Stelle angekommen, wo die Verlobung von Mr. Collins mit Charlotte Lucas bekanntgegeben wurde, verfiel Rose wieder dem Trance, den sie jedes Mal empfand, wenn sie ein fesselndes und gut geschriebenes Buch las. Lesen war das einzige, was sie gerne tat und sie liebte alle Bücher, die sie zu fassen bekam. Sie musste nur das Einband mit dem Titel sehen, um sofort zu erkennen, dass das das Buch ist, was sie als nächstes lesen wollte. Und jedes einzelne, was Rose bereits kennengelernt hatte, mochte sie auf Anhieb und wollte mehr. Mehr von der Kategorie oder mehr vom Autor selbst.

Bald schon legte Rose ein Lesezeichen auf der Stelle hin, wo sie stehengeblieben war, legte es auf dem Tisch, stand auf, trank ihr Wasser aus und füllte das in der Küche nach, was sie austrank und es in der Spüle kopfüber stellte. Sie erledigte noch das Abtrocknen und Einräumen des Geschirrs und alles, verließ danach die Küche und ging die Treppe rauf, betrat das Bad, wo sie sich dort bettfertig machte, Zähne putzte, den Klogang machte und sich das Haar bürste.

Beim Bürsten besah Rose sich nochmal das Bad an. Weiß, sehr edel, sehr groß und besaß eine riesige Badewanne mit Regenduschkopf, der die halbe Decke fast einnahm und nur per Knopfdruck betätigt werden konnte. 

Wieder wurde ihr klar, wie teuer und vor allen wie groß diese Bude doch wirklich war und musste schlucken. Hätte ich die doch nicht kaufen sollen?, überlegte Rose und Zweifel kamen auf, aber die schüttelte sie weg und dachte, dass eigentlich alles gut lief. Fast ihr ganzes Leben hatte sie gespart und dann kam vor drei Monaten heraus, dass ihr Vater, mit dem ihre leibliche Mutter mal was hatte, ein Multimilliardär war, der aber kein Interesse an sie zeigte und sie trotzdem aufgesucht hatte mit der Bedingung, er würde ihr 15.000.000 Pfund anbieten, wenn sie niemals wieder in Kontakt wegen egal was treten würden. Damit einverstanden nahm sie das Geld an und unterzeichnete die Papiere. Interesse an ihren biologischen Erzeuger hatte sie keine seitdem mehr gezeigt und sich weiterhin ihre Bücher und ihr einsames Leben gewidmet. Einen Vater wollte sie zwar, aber so jemand wie er, das konnte sie sofort vergessen, denn sie kannte diesen Mann vom sehen oder im Fernsehen und wusste, wie er von Persönlichkeit war. Kalt, unbarmherzig, macht- und geldgierig.

Das Bad verlassen ging sie ins Schlafzimmer, das fast so groß war wie das Wohnzimmer unten und es sehr dekorativ aussah. Ein gigantisches Bett, worin vier Menschen hätten schlafen können, ein edler beiger Teppich, der das halbe Zimmerfußboden einnahm, Kommode, Schrank, der die komplette Wand bedeckte und ein Balkon, der ihr den Ausblick auf dem Garten schenkte.

Licht anmachen brauchte sie sowieso nicht mehr, da sie sich eh schlafen legen wollte. Sie stieg ins Bett, deckte sich zu und sah raus. Der Regen prasselte laut und rhythmisch auf die Balkontür, entspannten Rose, bis ihre Augen immer schläfriger wurden und sie komplett zugingen.

Der Schlaf holte sie schnell ein und sie bekam, während sie in der Welt der Träume war, nicht mit, dass ein Schatten sich näherte und draußen auf dem Balkon im Regen stand und sie mit leuchtend blauen Augen, die vor Wut und Ärger brannten, anstarrte.

So, nun sagt mir, zu wem könnten diese Augen gehören?

Was ist eure Vermutung?

The Beautiful BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt