Kapitel 5

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Und sie schrie.

Sein Gesicht bösartig, seine blauen Augen kalt wie ein Gletscher im Norden und seine Lippen zu eine schmale Linie verzogen sah diese Kreatur sie an. Seine Haare waren lang, braun, lockig und standen teilweise ab, seine Kleider zerfetzt und teilweise verdreckt.

Aber das Gesicht, das war das schrecklichste, was sie je gesehen hatte. Voller Narben und Brandwunden war sein Gesicht und mit einige Wulsten verzogen, die sich bei jeder Bewegung mit bewegten. Und durch den Blitz konnte sie einige silbrig schimmernde Umrisse auf seinem Gesicht erkennen, die ebenfalls wie Narben wirkten.

"Was führt dich hier in meinem Haus?", knurrte die abscheuliche Gestalt. Er klang wie ein wildes, hungriges Tier, das soweit war, zuzuschlagen. Seine nächste Beute anzuspringen.

Rose konnte kaum atmen, alles Luft schien zu verschwinden. Ihr wurde schwindelig vor Angst, ihre Augen verdrehten sich und alles um sie herum wurde Schwarz.

Warm und weich lag sie auf irgendwas und brachte Rose dazu, die Augenlider flatternd zu öffnen. Müde und mit schrecklichen Kopfschmerzen wachte sie auf, richtete und setzte sich auf. Ihr Kopf brummte, stach in ihren Schläfen und sie glaubte einen kurzen Moment, sie habe alles nur geträumt und wäre beim Lesen eingeschlafen, doch ... warum lag sie auf dem Sofa? Und warum war sie zugedeckt?

Und was war mit dem Essen?, fiel es ihr ein, schlug die Decke beiseite und eilte schnell zur Küche, aber der halb aufgegessene Teller und das benutzte Besteck standen nicht mehr da, wo sie es zuletzt liegengelassen hatte. Sie vermutete was und schaute im Kühlschrank nach und ja, ihr halb aufgegessenes Abendessen lag auf einem in Frischhaltefolie eingepackten Teller dort drinnen.

Stirnrunzelnd dachte sie nach. Das Essen halb aufgegessen, dann sie auf dem Sofa und dann noch zugedeckt. Irgendwas war da los und sie wollte herauskriegen, was.

Und jetzt fiel ihr wieder ein, was vergangene Nacht, nachdem sie festgestellt hatte, dass es früher Morgen war, geschehen war. Der Dachboden, der Garten dort, das Poster und dann diese-

"Du bist also aufgewacht."

Aufschreiend drehte Rose sich erschrocken um und suchte nach das nächstbeste, was sie in die Fingern bekam und letztendlich war es ein Kochlöffel, den sie zur Verteidigung nutzte. Vor ihr stand der verunstaltete Mann, dem sie auf dem Dachboden begegnet war. Im Schein der Sonne, die ins Wohnzimmer reinschien, sah er noch viel unheimlicher aus und seine vielen Narben, die Gesicht, Hals und Arme bedeckten, sahen erschreckend aus. So viel wulstiger und irgendwie, als hätte er im Höllenfeuer um sein Leben gekämpft.

Belustigt grinste er, wobei sich seine Narben auf Wange und Mund spannten. "Wie süß, du willst mich mit diesem mickrigen Küchenwerkzeug verprügeln?"

"Wenn es sein muss", sagte Rose entschlossen und hob ihn, so als wolle sie zum Schlag ausholen.

"Aber du würdest nicht gut treffen, Miss, dafür siehst du mir zu ungelenkig aus, fleißig ja, aber zu ungelenkig."

Er machte sich über sie lustig, das war allzu deutlich. "Du hast keine Ahnung, zu was ich wirklich fähig bin", sagte sie wütend.

"Außer lesen, putzen, kochen und Einkäufe erledigen fällt mir sonst nichts ein."

Rose glotzte ihn verdattert an. Woher wusste er, was sie alles im Alltag tat? Hatte er sie die ganze Zeit über-

"Du warst also derjenige, der mich verfolgt hat in der Stadt", sprach sie ihre Vermutung aus, als sie wieder daran zurückdachte, dass sie sich beobachtet fühlte. Also hatte Rose sich das nicht eingebildet.

"Ich hatte meine Gründe."

Er gab es also zu.

"Und welche bitteschön?", verlangte sie zu wissen.

"Du hast dir einfach Zutritt verschafft in dieses Haus, was nicht dir gehört", knurrte er und klang dabei so, als würde er mit diesen Satz sein Revier markieren.

Den Kochlöffel senkte sie, sah den Fremden weiter an und näherte sich ihm langsam, bis nur noch ein Meter sie beide trennte. Ihre Augen funkelten ihn an. "Ich habe es bezahlt und wohne hier, was sogar auf Papier steht, also ist es mein Haus und ich verlange von dir, dass du es sofort verlässt!", drückte sie sich klar aus.

"Wieso soll ich von hier verschwinden?", wollte er wissen und sah sie grimmig an. Er war ein ganzes Stück größer als sie, weswegen sie zu ihm hochschauen musste, um überhaupt ihn in die Augen zu schauen.

"Wie ich sagte: Es ist mein Haus und du hast dir unerlaubt Zutritt verschafft beziehungsweise bist hier eingebrochen. Wegen solchen Vergehens muss ich sofort die Polizei rufen."

"Und was willst du ihnen erzählen?" Er riss ihr den Kochlöffel aus der Hand, schmiss ihn irgendwohin und drückte Rose an die nächste Wand. "Dass dich ein vernarbtes, abscheuliches Wesen stalkt und beobachtet, wie du Einkäufe erledigst, Bücher liest und kochst?"

"Wenn es sein muss", giftete sie zurück und versuchte, ihn von sich wegzudrücken, aber er war zu stark und er roch so streng, dass Rose sich fragte, wann er das letzte mal duschen war. "Lass mich gehen!"

"Ich werde dich ganz sicher nicht gehen lassen, nur damit du die Polizei rufst, die dir sowieso keinen Glauben schenken."

"Loslassen!"

Sie trat ihm auf dem Fuß, er schrie auf. Knie in den Bauch gerammt brachte Rose ihn zu Boden und diese Chance nutzte sie, um sich zu befreien. Sie lief zum Telefon und wählte schon die Nummer vom Polizeirevier, doch der Hörer wurde ihr aus der Hand geschlagen und Rose sah erschrocken und voller Angst auf. Wie er so da stand, als hätte er nie was von ihren Angriff abbekommen, starrte er mit einem kalten grimmigen Blick auf sie herab und sah wütender aus denn je.

"Du wirst sicher nicht die Polizei rufen!", knurrte er zwischen zusammengebissene Zähne und kam ihr näher, griff nach ihren Handgelenk und drückte sie erneut gegen die Wand. Hart knallte ihr Kopf da drauf, sie spürte, wie weh es tat, doch ihre Augen waren weiterhin auf seine fixiert. Obwohl seine Augen so ein warmes Blau hatten, waren sie mit einer Eisschicht überzogen, dass nur das kalte Charakteristische verriet, was in ihm steckte. Er war kalt, herzlos und alles andere als harmlos. Sein Handel bewies ihr, wie gefährlich er war und dass ihm nicht zu trauen war. "Du wirst nichts dergleichen tun, was dir in den Sinn kommt."

"Du hast mir nichts zusagen, egal ob hier oder in der Welt", knurrte sie zurück und verengte die Augen. Ihren Augenbrauen zogen sich zu einer Linie zusammen und Rose sah genauso wütend aus wie er. 

"Dann kennst du die Wirklichkeit nicht, dumme Göre", beleidigte dieser entstellte Kerl sie, "Sie ist viel trauriger und realer als in deinen Bücher, in der du immerzu flüchtest."

"Erzähl du mir nicht, dass du sie gesehen hast, so wie du aussiehst!"

Der schrie sie an, brachte sie zum zittern, was sie aber nicht zeigen wollte. "Du hälsts ja die Schnauze!"

"Verschwinde endlich von hier!", schrie sie ebenfalls.

Lange Sekunden noch, die wie eine Ewigkeit vorkamen, sahen beide sich in die Augen, dann ließ er sie los. Rose rieb sich das Handgelenk, das schon leicht weh tat, aber nur halb so schlimm war.

"Wie du wünschst", sagte er und ging auf die Tür zu. Bevor er sie aber öffnete, ließ er die Hand da drauf und wandte sich nochmal zu ihr um. "Aber denk ja nicht, dass du damit durchkommst, dummes Mädchen. Ich sage dir, du wirst ausziehen aus diesem Haus, bevor die Woche um ist." Mit diesen Worten ging er und knallte die Tür hinter sich, was einen lauten Nachhall hinterließ.

The Beautiful BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt