Kapitel 21

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Jedes einzelne Keuchen, jede einzelne Bewegung schmerzte schlimmer als der letzte und er glaubte, darin zu vergehen. Nichts lieber wollte er tun, als zu brüllen und zu schreien, aber Clifford tat es nicht, sonst würde er nur zu viel Aufmerksamkeit erregen oder nur, wenn sie ihn so sahen, mitleidige Blicke bekommen. Auf die Knie und Hände sich abstützend, die ebenfalls schmerzten wie, als hätte jemand in jedes Knie ein Messer reingerammt, kroch er fort von Unfallort und entfernte sich mehr und mehr von der sich versammelten Menschenmasse, die mit Erschütterung und lautes Weinen erkannten, wessen Auto es wirklich wahr. Aber nein, Himmel Herr Gott, nein, er war am Leben und er musste sich ihnen zeigen, wenn er vollständig genesen und wieder gutaussehend war.

Weiter kroch er auf die hintere Ecke der Tankstelle zu und versteckte sich in der Autowaschanlage, um Ruhe zu bekommen: Wenn Clifford sie überhaupt bekäme. Als er sich sicher war, dass niemand ihn bemerkte oder entdeckte, dass er sich vor ihnen versteckte, und ihn verfolgte, sah er auf sein Arme herab. Mit Schrecken, die in seinen Augen standen, sah er, was ihn passiert war. Seine komplette Haut brannte und klebte an einigen Stellen seiner Kleidung, die ebenfalls halb zerfetzt und halb verbrannt war. Brandbläschen bedeckten seine komplette Haut, die schon platzten, was fürchterlich brannte wie als stände er noch in Flammen. Alles sah glitschig aus und teils blutete es sogar noch. Seine Arme, seine Hände, sogar sein Oberkörper waren mit Brandblasen bedeckt und ihm wurde bei dem Anblick übel.

Er musste von hier weg, war sein einziger Gedanke und kroch weiter. Unter Ächzen und Stöhnen kroch er weiter, obwohl ihm die Kraft fehlte, um weiterzukommen. Aber er musste weiter, er musste von hier verschwinden. So schnell es ging.

Irgendwann kam er hinter der Tankstelle an, vor sich war nichts weiter als Baum, Baum und noch mehr Baum. Vor ihm erstreckte sich ein kleiner Wald, den er nicht kannte, ebenso wenig wie die Tankstelle, wo Clifford den Unfall hatte und dort schwer verletzt wurde.

Und erst, wo der letzte Schrecken nachgelassen hatte, bemerkte er das fürchterliche Brennen am Hals und auf seinem Gesicht. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und traf auf nichts weiter als glitschige Haut, die sich von seiner Wange aus ausbreitete und seine Fingern mit Flüssigkeit bedeckte, wovon er nicht wusste, ob es Wundwasser war oder Blut.

Nein!, dachte er voller Schrecken, nein, nein, nein!!!

Das konnte nicht sein, das konnte nicht wahr sein!

Clifford richtete sich auf und ging humpelnd Richtung Wald, der sich nur wenig später als ein Park herausstellte. Er erkannte das Regent's Park, da er viele bunte Blumen sah, ein weiter Spazierweg, Bäume und er das Wasserrauschen des Brunnens hörte, dass er im Schatten der Bäume folgte, um ja nicht entdeckt zu werden. Einige der wenigen Passanten, die noch um Mitternacht mit dem Hund draußen waren oder obdachlos oder Billighuren waren, begegneten ihn beinahe, aber er versteckte sich schnell. Ein- bis dreimal hatte ein Hund in seiner Richtung gebellt, das Herrchen aber zerrte ihn weiter und somit blieb Clifford für alle anderen, in Ausnahmen von den Hunden, unentdeckt.

Irgendwann erreichte er den Brunnen, das Wasserrauschen klang sogar von hier aus sehr laut, denn ihm taten, trotz des Abstands vom Brunnen, die Ohren weh und er glaubte, alles hatte sich an Lautstärke maximiert.

"Hallo, Süßer", sprach ihn eine Pfennighure an, die in ihren engen Negligee unter dem dünnen Mantel und mit den toupierten Haar ziemlich billig aussah. "Was machst du so alleine hier?", fragte sie ihn schnurrend und kam ihn näher.

Scheiße, verfluchte!, fluchte er im Stillen, sie durfte ihn nicht sehen, solange er nicht weiß, wie er selbst aussah.

"Hau ab!", knurrte er und meinte es auch so.

"Warum?", fragte sie keck, "Glaubst du, ich habe nicht das, was du dir wünschst? Ich kann dir alles bieten, was du willst."

"Ich sagte, hau ab!", fauchte Clifford und sein Gesicht verdeutlichte sich für die Hure, die mit geweiteten Augen ihn angsterfüllt ansah, schrie und wegrannte, wobei aus ihrem Mund das Wort Monster fiel.

Monster.

So nannte sie ihn. Sah er wirklich so schrecklich aus?

Als er sich umschaute und mit Erleichterung sah, dass sonst niemand hier war oder sich näherte, ging er langsam auf den Brunnen zu, auch wenn ihm so dadurch die Ohren noch mehr weh taten als ohnehin schon. Langsam, aus Angst vor dem, was er möglicherweise zu sehen bekommen würde, beugte er sich näher übers plätschernde Wasser und sah sein Spiegelbild, was trotz der entstehenden Bewegungen der kleinen Wasserstrahlen deutlich zu erkennen war. Voller Schock und total erstarrt sah er mit großer Erschütterung das, was er hätte doch niemals erblicken wollen und was er alles andere auf der Welt hasste. Sein ganzes Gesicht war vollkommen mit Brandblasen übersehen, sein Haar leicht eingesengt und eine Augenbraue komplett verbrannt. Glühend rot und glänzend von Wundwasser sahen die Verbrennungen schrecklich aus, die schmerzten und brannten und damit nicht nur der erschreckende Anblick seines einst gutaussehenden Gesichts.

"Nein!", brachte er mit kratzende Stimme heraus und fasste sich ans Gesicht in der Hoffnung, das war nur ein böser Traum. Aber als er wieder die Wunden berührte, zischte er auf und nahm sie wieder fort. Clifford schüttelte ungläubig den Kopf. "Nein, das kann nicht sein!", brachte er erschüttert von sich. "Das bin niemals Ich!"

"Doch, das bist du."

Sein Kopf wandte nach Links und er erblickte die alte Schabracke wieder. Diesmal trug sie ein anderes Kleid, das so war wie das einer Obdachlose.

Und erinnerte sich an ihre Worte zurück.

Mitternacht.

Er kapierte nun und sein Gesicht verzog sich, trotz des Schmerzes, die er aber geflissentlich ignorierte, zu einer wütenden Grimasse. "Du", knurrte er voller Wut, "Du bist also verantwortlich dafür, dass ich jetzt so aussehe!"

"Ich habe nichts weiter getan, als in deine Zukunft zu sehen", entgegnete die alte Frau, die scheinbar Cliffords Meinung nach eine Hexe war, ruhig und vollkommen regungslos. "Für den Unfall bist du selbst verantwortlich. Hättest du dich niemals so kalt, abstoßend und selbstverliebt verhalten und vor allem nicht unter alkoholischen Einfluss Auto gefahren, wäre das alles niemals passiert."

"Du Hexe!", brüllte er und schlug mit der Faust zu, doch sie hielt ihn fest, als würde sie nur eine Murmel halten und Clifford zischte auf, weil die Hand wehtat und sie noch schlimmer brannte. Sie ließ ihn los und er keuchte auf. Seine Augen sahen sie weiterhin wütend und voller Abscheu an.

"Du hast keine Chance gegen mich, also hör auf, mich ständig anzugreifen", sagte sie, ihre Stimme auf einmal düster wie eine kalte Winternacht, wo schwerer Blizzard herrschte.

"Mach mich wieder wir Früher", gab er ihr mit funkelnden Augen der Wut den Befehl.

"Ich soll dich für deine Gräueltaten noch belohnen?", fragte sie mit Unglauben in ihrer Stimme. "Das kannst du vergessen."

"Sofort!", brüllte er.

Einige Sekundenlang starrte die alte Frau ihn an. "Du willst es also? Dass ich dich verwandle in das, was du wirklich bist?"

"Ja."

"Bist du dir sicher?

"Ja, verflucht nochmal!", fluchte er und sah sie wild an. "Mach mich zu dem, der ich wirklich bin!"

Ein schiefes Lächeln zierte ihren Mundwinkeln. "Wie du wünschst."

Der Himmel bewegte sich eigenartig, als die Frau ihn weiterhin ansah und die Wolken zogen sich in einer Richtung zusammen und vereinten sich zu einem gigantischen Cumulonimbus. Donnergrollen und Blitze schlugen direkt auf den Park, Clifford erschrak sich und sah die Frau vor sich an, die so ruhig dastand und sich regungslos auf den Zauber konzentrierte, was wohl die Wolkenformation darstellen sollte.  Eins der Blitze schlug mit einem lauten Knall auf die beiden und schon waren sie verschwunden vom Park. Wie als wären sie nie da gewesen.

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