Kapitel 34

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Ein Heimweg voller Verwirrung und Unruhe durchlebte Rose, da sie noch immer versuchte zu verstehen, wie es sein konnte, dass die junge Verkäuferin ihren Namen wusste, obwohl sie die selbst nicht genannt hatte. Oder nach der ihren gefragt hatte. Das verwirrte sie sehr sowie letztens, als sie die alte, arme Frau über die Straße geholfen und von ihr die Rose geschenkt bekommen hatte.

Und genau diese Zurückerinnern an die Situation reichte aus, um sie zum innehalten mitten auf dem Gehweg zu bringen. Die junge, blonde Verkäuferin wusste ihren Namen, sowie die alte obdachlose Frau mit dem verwahrlosten Aussehen, die jeden deswegen in die Flucht schlug. Beide wussten, dass sie Rose hieß. Konnte das wahr sein? Waren diese beiden etwa ein und dieselbe Person?

Sie schüttelte den Kopf. Das konnte eigentlich nicht stimmen, dass zwei Menschen ein und dieselbe waren. Obwohl, nachdem sie C kennengelernt hatte und sich nun gut mit ihn verstand, ihn jetzt mochte und immerzu seine übernatürlichen Kräfte nutzten, um Abenteuer zu machen und neue Ziele und Orte zu besuchen, da würde das Sinn ergeben. Und dann hatte er ihr auch noch erzählt, dass die Hexe und die schöne Magierin ein und dieselbe Person waren.

Ob das die Hexe oder Magierin oder was auch immer sie war, war, die C zu den gemacht hatte, was er im seinem Inneren war? Oder nun nicht mehr war? C hatte sich zu einem besseren Menschen oder Kreatur oder was er darstellen sollte, entwickelt und das war toll. Und es war ihr mittlerweile egal, wie er aussah, sie wusste, wie sein Innerstes aussah und das sah um Meilen besser aus als Frank es äußerlich war. Frank mochte sich zwar durch die Adoption geändert haben, aber er war durch und durch immer noch derselbe Junge von Früher, der sie so schwer als Kind gemobbt hatte. Ändern würde er sich niemals, das wusste sie sogar und dennoch, vielleicht sollte sie ihn nochmal eine Chance geben, sich ihr zu erklären, damit sie das klären konnten. Und wer weiß, auch wenn es unwahrscheinlich und gar unmöglich klang, vielleicht konnten sie sowas wie Freunde sein: aber auch nur, wenn er ihr keinen Grund zur Hass gab.

Rose ging weiter den Fußweg entlang, bog noch weitere Straßen ab, bis sie den Apfelbaum erreichte, wo die saftigen Früchte mittlerweile reiften und schön rotbackig aussehen. Sie mochte Äpfeln wirklich sehr und wenn sie gewollt hätte, könnte sie ihm einen Apfelkuchen backen. Obwohl ... wieso auch nicht, ein Kuchen wäre sicher nicht schlecht. Jeder mochte Kuchen, sie kannte sonst niemanden, der Kuchen nicht mochte. Aber Rose kannte auch sonst kaum jemanden.

So wagte sie sich auf die Wiese, wo der Apfelbaum wuchs, trat näher heran und entdeckte einige gefallene Exemplare, die sie hochhob, genauer durchsah und einige, die akzeptabel waren, in die Tasche einzupacken. Bis zu zehn Äpfel hatte sie in der Tasche, als sie einen Passanten vernahm, der sich den Apfelbaum näherte, doch statt, dass er weiterging, hielt er an und Rose drehte sich zu ihn um. Ein junger Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als sie selber, stand auf dem Gehweg und sah mit Belustigung im Gesicht dabei zu, wie sie leicht erschrak und ein der guten Äpfeln fallen ließ. Wie erstarrt starrte sie ihn an. Der junge Mann war richtig schick gekleidet, trug eine Bluejeans, ein gestärktes graues Hemd und ein Jackett, der sicher dreimal so viel wert war als die Lederjacke, die sie erst für C gekauft hatte. Seine wilden braunen Locken waren an den Seiten kurz geschoren und er wirkte fast schon wie ein britisches Männermodel, so gut wie er aussah. Aber das erschreckende war der die Haltung. Die kannte sie bei wem anderes auch, den sie abgrundtief verabscheute.

"Da scheint wohl jemand gerne Äpfeln zu sammeln?", fragte er neckisch.

Sie konterte zurück: "Es scheint wohl jemand ins Shooting zu gehen, nicht wahr?"

"So wie du dich benimmst, kannst du nur von der Gosse kommen."

"Und jemand wie du behauptet, in der Nahrungskette über mir zu stehen, dabei ist man in Wirklichkeit nichts anderes als ein Kanarienvogel in einem goldenen Käfig, der um seine Freiheit kämpft."

Auf diesen Konter konnte er nicht zurück kontern, er sah sie nur erstaunt und sprachlos an, bevor er dann anfing zu grinsen. "Du hast ein ausgezeichnetes Mundwerk. Hut ab", machte er das Kompliment und verbeugte sich vor ihr, als wären sie beim Hofe.

Dieses Benehmen seinerseits brachte Rose ungewollt zum lachen. "Du bist schon ein echt Komischer."

"Kann ich nur zurückgeben", sagte er grinsend und kam zu ihr. "Vielleicht könntest du Hilfe gebrauchen. Solche Äpfeln esse ich auch lieber als die vom Laden."

Das überraschte Rose. "Echt wahr?"

"Ja klar", lachte er, hob den gefallenen Apfel auf und gab sie ihr. "Die sind wenigstens ohne Pestiziden und rein biologisch."

"Das ist wahr, aber dennoch sind sie nicht vor toxischen Gase und Dämpfe verschont."

Er dachte eine kurze Sekunde nach und nickte dann. "Da hast du Recht, Miss-"

"Fletcher. Rose Fletcher", stellte sie sich vor und bekam einen verdatterten Blick von ihn.

"Flechter?", fragte er voller Staunen.

"Äh, ja?", sagte sie und klang so mehr als nur verwirrt, weil er es war.

Er lachte leicht, ein seiner Mundwinkeln bekam ein Grübchen. "Ich heiße ebenfalls Fletcher. Dean Fletcher." Er reichte ihr die Hand. Sie nahm ihn an, starrte aber den jungen Mann, Dean, noch immer an. 

Dean Fletcher. Das war also der Sohn ihres Erzeugers. Ihr Halbbruder.

Aber wie konnte das sein?

Er war hier, hier direkt vor ihr und es schien so, als wüsste er nichts von ihr. Aber warum auch, ihr Erzeuger hatte sogar ihre Existenz geleugnet, indem er ihr eine Menge Geld anbot, nur damit niemals die Wahrheit ihrer Herkunft ans Licht kam. Und nun ausgerechnet an Cs Geburtstag musste sie ihren Halbbruder begegnen, während sie Äpfeln sammelte für einen Kuchen, den sie C backen wollte.

"Alles okay bei dir?"

"Was?", fragte sie erschrocken, als sie wieder aus ihren düsteren Gedanken zurück kam.

"Du hast so erschrocken und nachdenklich gewirkt." Er sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Ist was los? Kann ich dir helfen?"

"Es ist nichts", log sie, schloss die Tasche.

"Rose." Seine Hand legte sich auf ihren Arm und zwang sie, ihn anzusehen. Nun wo sie Augenkontakt zueinander hatten, war es so, als würden beide tief in die Seele des anderen blicken und dann stand wie aus dem Nichts Erkennen in Deans Augen. Sie weiteten sich und sichtliche Erschütterung standen darin.

"Mein Gott!", brachte er hervor.

Doch bevor er noch was hinzufügen konnte, meinte sie, sie wäre spät dran und müsse jetzt weiter und ging. Verließ den Apfelbaum, die Wiese und ihren Halbbruder. Den Halbbruder, den sie eigentlich niemals hätte begegnen sollen und der ihren gemeinsamen Vater davon berichten würde. Panik stieg in ihr auf. Sie eilte fast davon.

Himmel nein! Das war nicht gut! Gar nicht gut!

The Beautiful BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt