Kapitel 16

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Brüllend wachte er auf und keuchte atemlos. Dieser Alptraum, der aus seinem Leben, als er noch Clifford Pride war, war erschreckend und fühlte sich zu echt an: weil das wirklich passiert war einst vor Jahren. Der Schreck saß ihm in die Knochen. Schweiß lief ihm über die Stirn und er versuchte wieder zu sich zu kommen. Nein, er befand sich nicht mehr in der Vergangenheit, sondern in der Realität, in der Gegenwart, war wieder in sein Haus, er war da und war versehentlich in der Küche auf dem Küchentisch eingeschlafen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und blinzelte. Seine Lippen waren trocken und sein Mund ebenso.

Erneut spürte er das alte Brennen auf seinem ganzen Körper und die unerträglichen Schmerzen, die seinen kompletten Körper leckten und wie glühende Nadelstiche brannten. Genau solche hatte er einst vor fast drei Jahren gespürt und die waren die Hölle gewesen.

"C, ist alles okay?"

Schnell schaute er zum Sofa, wo Rose eingewickelt in einer Decke lag und ziemlich müde und zugleich erschrocken aussah, weil er sie mit seinem lauten Aufwachen geweckt hatte. Rose sah blass aus und er eilte zu ihr, drückte sie wieder sanft aber bestimmt aufs Sofa und aufs Kissen zurück. "Leg dich wieder hin."

"Mir geht es gut, ich hab-", sie stöhnte auf und kniff fest die Augen zusammen, bevor sie wieder zurücksank und sich hinlegte. 

"Ich hab's dir gesagt", meinte er und befühlte ihre verschwitzte Stirn. Sie fühlte sich warm und nass an. "Du hast Fieber bekommen, Rose, weil du bei dem gestrigen Regen draußen warst und deine ganze Kleidung komplett durchnässt war so wie beim ersten Mal."

Sie nickte, aber verzog das Gesicht wieder, weil scheinbar Kopfweh diese eine kleine Bewegung ihr bereitete. "Was ist eigentlich passiert?", fragte sie leise, fast schwach und tonlos.

"Du bist in meine Arme zusammen geklappt, kaum, dass du dich zu mir umgedreht hast. Ich fing dich auf, trug dich rein, entfernte deine nasse Kleidung und gab dir trockene. Und da du irgendwann während des Schlafes angefangen hast zu zittern, bin ich zu dir und habe dich warmgehalten."

Braune Augen starrten ihn seltsam an.

"Was?", fragte C.

"Du hast mich gehalten, um mich warm zu halten?", fragte sie ihn das, konnte das wohl nicht so wirklich glauben, aber so wie er sie ansah, dann musste das die Wahrheit sein.

Jetzt runzelte er die Stirn. "Ja, warum verwundert dich das?"

Nun konnte sie ihn nicht mehr in die Augen sehen und schaute leicht weg, leicht zum Tisch, wo eine Tasse Tee da stand, der sicher bereits kalt war. "Du weißt schon warum", nuschelte sie und verzog leicht das Gesicht zu einer müden aber traurigen Maske.

Zuerst verstand er nicht, aber dann fiel es ihm wieder ein. "Du meinst wegen gestern, oben auf dem geheimen Garten."

Rose antwortete nicht, aber das brauchte sie nicht, die Antwort stand in ihren Augen.

"Du weißt jetzt, was ich bin", sagte er und seine Stimme klang wie der eines wilden Tieres. "Ein Monster."

Sie sah wieder zu ihm auf. "Ich weiß nicht, wer du bist oder warum du scheinbar verflucht worden bist, aber ein Monster bist du nicht."

"Du hast mich gesehen, du hast mich in Aktion gesehen, wie soll ich da kein Monster sein?", fragte er düster und ein leises Knurren entfuhr ihm.

Doch statt, dass ihre Augen sich vor Furcht weiteten, sah sie ihn einfach nur an und schüttelte den Kopf. "Du bist kein Monster", wiederholte sie und klang so überzeugt von ihren Worten.

"Woher willst du das wissen?"

Ihre Augen nahmen einen zärtlichen Blick an. "Ich weiß zwar nicht, was dir passiert ist und wie, aber ich habe, als ich dir das erste Mal richtig nach meiner Rettung in deine Augen sah, gesehen, dass da Reue und Schuld standen, so als würdest du bereuen, was du einst getan hast, als du noch menschlich warst."

Einen Moment lang schwieg er, schloss die Augen kurz und öffnete sie danach wieder. "Ich habe viele schreckliche Sachen getan", gestand er endlich, "Ich schäme mich für meine Vergangenheit, aber was aus mir geworden ist, ich habe das nicht anders verdient."

"Aus Fehlern lernt man", sagte Rose. "Auch wenn die Fehlern schwerwiegend und nicht mehr wieder gutzumachen sind, man lernt daraus und weiß, was man mit dem neuen Wissen machen kann."

"Und was?"

"Man wiederholt es nicht wieder."

C sah sie verständnislos an. Wie konnte Rose nur so gütig sein, obwohl sie alle Gründe hatte, ihn zu hassen und ihn für das zu verabscheuen, was er alles verkörperte, was er in seinem Herzen einst war? Kalt, egoistisch, fahrlässig und gemein. Rose kapierte nicht, was er wirklich war und zu was er fähig war. Wenn sie ihn näher kennenlernen würde, dann würde sie in ernstere Gefahr schweben als geglaubt. Schuldgefühle wuchsen jetzt schon in ihm bei dem Gedanke, ihr könnte wirklich mehr zustoßen, als sie bereits erlebt hatte.

"Dann liegst du falscher, als ich geglaubt habe", brummte er und stand auf. "Die Welt ist nicht so wie in deinen Bücher, die du so gerne liest und die du insgeheim liebst. Die Realität ist anders, in jeden Mensch steckt was Dunkles, besonders in mir. In jeden Mensch steckt eine negative Eigenschaft oder ein fieses Verhalten, was sie nutzen, um andere wehzutun. Ich muss das wissen, denn ich habe das nicht anders gemacht als die."

"Aber du bist anders", sagte Rose leise.

"Inwiefern anders?"

"Anders als zu Früher zeigst du Reue und das ist ein großer Fortschritt."

Tief und lange seufzte C auf und ging ins naheliegende Bad, holte ein Lappen und hielt ihn unters laufende kalte Wasser vom Waschbecken. Er wrang ihn vorsichtig aus, kam wieder ins Wohnzimmer und setzte sich zu Rose. Kurz den Lappen gefaltet, legte er es ihr au die Stirn. Kurz zuckte Rose auf, bevor sie erleichtert seufzte, weil das kühle Nass auf der Stirn ihr guttat. "Es mag sein, dass du recht hast, Rose, aber das, wovon du glaubst es in mir zu sehen, ist nur ein Wunschtraum."

Es schien so, als würden seine Worte sie traurig machen, denn sie sah so aus, als stände sie kurz vorm weinen. Ein Stechen in seiner Brust machte sich bemerkbar und er wusste nicht warum. Klar war jedenfalls, dass er sie nicht weinen sehen konnte und er auch nicht wollte, dass sie es seinetwegen tat.

Langsam hob er seine Hand in ihrer Richtung und strich ihr die Träne fort, die ihr über die Wange zu laufen drohte. Ihre rosige Wange war so weich und glatt. So warm. So unschuldig. Und das erste Mal bemerkte C, wie hübsch dieses Mädchen vor sich wirklich war. Ihre dunkeln Locken lagen um ihr Gesicht und umrahmten es, ihre ebenso dunklen Augen waren auch ohne die Brille groß und hatten lange, dunkle Wimpern, die keine Tusche brauchten, um sie zu vergrößern, wie es viele seiner weiblichen Bekanntschaften getan hatten. Ihr blasser Teint war rosig durch das Fieber, aber es war ansonsten hell und ihr Gesicht besaß feine Züge, die sie weiblich werden ließen. Und ihr Mund, er war so voll und fein geschwungen. Einfach vollkommen. So rot wie eine aufblühende Rose im Spätfrühling. 

Himmel noch eins!, dachte er, sie war wahrhaftig eine Schönheit und wusste das nicht mal.

"Am besten, du schläfst noch ein bisschen", meinte er zu ihr und deckte Rose noch mehr zu.

"Ich habe Durst", brachte sie hervor und C griff nach der Tasse, wo der kalte Kräutertee noch drinnen war und hielt ihr die Tasse an ihren Mund, damit sie trinken konnte, dabei stützte er ihren Kopf.

Mit langsamen Schlucken trank sie den Tee, bis sie die Hälfte getrunken hatte und ihren Kopf wieder aufs Kissen legte. C stellte die Tasse zurück auf dem Tisch, sagte, er käme bald wieder und ging. 

The Beautiful BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt