Kapitel 36

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Die Sonne ging längst auf die Abendstunde zu und der Himmel verdunkelte sich lila, blau und rot. Ein wunderschöner Farbkontrast, wie er feststellte, aber das wusste C schon seit einigen​ Jahren, seit er wegen seinem Egozentrik und seiner Kaltherzigkeit von der Magierin verflucht wurde und die Gestalt eines Ungeheuers mit scheußliche Brandnarben und Silberverzierungen am gesamten Körper bekam. Ihn widerte es noch immer abgrundtief an, diese Gestalt jeden einzelnen Tag in den Spiegel zu sehen, doch heute war C ganz besonders mies gelaunt und das alles nur, weil es sein letzter Tag als Biest war. Oder nur der Start ins Für Immer.

Für immer.

Genau das befürchtete er und ihm grauste es bei dem Gedanke, niemals wieder äußerlich der Mann zu sein, der er einst war. Aber wenn er Rose ansah und sah, wie schön diese Frau war und so unscheinbar für die meisten auf diesem Planeten, dann wusste er wieder, dass Aussehen nicht alles war, was einen guten Menschen ausmachte. Es zählten vor allem Charakterstärke, Mut, Hilfsbereitschaft, Nettigkeit und Herzensgüte, das Einem zum eine reinen menschlichen Wesen machte. Und jeden Tag mehr offenbarte Rose ihn das und zeigte es ihm auch mit jedem Tag, den sie zusammen verbrachten und lachten. Er liebte diese Frau und das wurde ihn heute erneut klar. Er war regelrecht verzaubert von der Unschuld, die sie ausstrahlte, das Wissen, was er niemals verfügen würde, die Ehrlichkeit, die sie ihm gab und von ihrem Mut, sich ihn entgegenzustellen, was ihn an ihre erste Begegnung erinnern ließ und wie sie ihn gegenüber getreten war. Ihre Sturheit und gespielter Mut waren das Anziehende an sie gewesen, doch als er sie dann gerettet hatte vor diesen Draufgängern, die sich traurigerweise als seine ehemaligen Freunde herausstellten, war ihm an dem Moment klar, diese junge Frau, er würde sie niemals mehr in seinem Leben los werden.

Roses Apfelkuchen, den sie beide zu seinem heutigen Geburtstag gebacken hatten, hatte ganz köstlich geschmeckt. Schön fluffig, aromatisch durch den Zimt, süß durch die gesammelten Äpfeln und so wunderbar warm, sodass sie ihn mit einer Kugel Vanilleeis gegessen hatten. Ein wahrer Genuss, den sie sich zweimal gegönnt hatten, auch wenn sie schon längst satt und zufrieden waren.

Sowas sollten sie öfters machen, hatte er danach zu ihr gesagt und sie meinte mit einem Lächeln, dass sie sich schon jetzt darauf freute, es erneut mit ihn zu machen. Sie räumten das benutzte Geschirr und Besteck in die Spülmaschine, schalteten ihn an und stellten den in Alufolie eingewickelten Rest Kuchen in den Kühlschrank. Sie redeten und lachten noch ein wenig und dann fand Rose, sie sollte ihm wieder etwas vorlesen. Also nur, wenn er wolle. Natürlich wollte er wieder, dass sie ihm etwas vorlas und er lauschte ihre Stimme am Nachmittag, die so voller Gefühl und Elan etwas vorlas, was hier in England ein richtiger Klassiker war.

Nach einer Stunde meinte Rose, vielleicht sollten sie noch was machen, aber er meinte ungeduldig und wie ein freudig aufgeregtes Kind, dass er endlich sein Geschenk öffnen wollte. Lachend meinte Rose, dass er auspacken durfte und C stürzte sich regelrecht auf sein Geschenk und riss fast schon mit Gewalt das Geschenkpapier auf, woraufhin er die Jacke erblickte, die er mit weit aufgerissenen Augen erblickte.

Nein, das konnte nicht sein!, hatte er in derselben Sekunde ungläubig gedacht. Die Lederjacke, sie war eine große Seltenheit und somit unbezahlbar, weil sie einst von seiner Lieblingskleidermarke stammte und von denen es nur bis zu zehn gab. Eine solche Lederjacke kostete in der Regel mehr als 1.500 Pfund Sterling, aber wie kam bitte Rose an diese Jacke?

Sie erklärte es ihn und da war er so mehr als nur überwältigt gewesen, dass er einer dieser einzigartigen Lederjacken bekam, die zwar in der jetzigen Mode nicht mehr In war, aber die dennoch für seine Seltenheit so eine Wert besaß. Aber als Rose danach erwähnte, wie viel sie wirklich dafür bezahlt hatte, da wollte er nichts weiter als sie richtig abzuknutschen. Der Impuls das zu tun, war hoch, aber er unterdrückte ihn so gut wie er nur konnte. Zu einem, weil er sie nicht erschrecken wollte und zum anderen, weil er nicht wusste, wie es um ihre Gefühle stand. Sie hatte nichts verlauten lassen, ob sie ihn nur als einen Freund mochte oder ob sie mehr mittlerweile empfand.

Die Freude darüber, die er für dieses wundervolle Geschenk empfand, war so mächtig, dass er Rose trotz ihrer anfängliche Skepsis, weil er erst wie erstarrt reagierte und sie zuerst geglaubt hatte, ihm würde die Jacke nicht gefallen, innig umarmte und sich aus vollen Herzen bei ihr bedankte. Die erstarrte Rose reagierte zuerst nicht, dann legte sie sachte ihre um ihn und schmiegte sich an ihn.

Nun nach Stunden und einem wunderbaren Abendessen, auch wenn es nur der Rest ihres Currys mit Reis war, später, stand C oben auf dem Garten und sah zum Himmel empor, dessen Dunkelheit sich stetig weiter steigerte und der Nachthimmel mehr und mehr ins Dunkelblaue überging und den kompletten Planeten mit einer funkelnden Sternennacht überzog. Nun waren seine letzten Stunden gekommen und es schmerzte ihm das Herz, dass er jetzt schon sehr bald unwiderruflich und unumkehrbar zu eine Bestie wurde. Niemals wieder würde er ein menschliches Wesen sein wie einst. Niemals wieder würde er die Außenwelt sehen außer im Schatten oder wenn er außerhalb von England war. Oder wenn er mit Rose zusammen reiste.

Seine geballten Fäusten in die neue Lederjacke gesteckt sah er zum Himmelszelt empor und seine Augen verengten sich düster. Erneut verfluchte er diese Magierin, die ihm dieses abscheuliche Äußeres gab. Aber irgendwie dankte er ihr insgeheim, dass sie ihn so erst dadurch wachgerüttelt hatte und er sich das erste Mal in seinem Leben richtig und wahrhaftig verliebt hatte.

"C!", erklang es hinter C, er drehte sich um und erstarrte mitten im Bewegung. Seine Augen weiteren sich, als er Rose so sah. So anders, so ... verändert.

Aber atemberaubend schön. Rose komplett in schwarz gekleidet sah so elegant und feminin aus. Das nachtschwarze Abendkleid in Wickeloptik, dass knielang war und lange Ärmeln besaß, saß ihr sehr gut und betonte ihre​ weiblichen Reize, die sie sonst nie zeigte, sondern eher vor anderen in ihren weiten Klamotten und Cardigans versteckte. Die Schuhe, die sie dazu trug waren schlichte Ballerinas, die auf Hochglanz poliert wirkten, weil sie von Schein des Mondes so silbern wie die Sterne glänzten. Das lockige wilde Haar trug sie offen, nur frisiert diesmal und es schien so, als hätte sie lange dafür gebraucht, sie so hinzukriegen, dass die wie sanfte Wellen wirkten und um ihre schmalen Schultern flossen. Make Up trug sie keine, was aber auch absolut unnötig war bei ihrer schlichten und vor allem natürlichen Schönheit.

Rose sah ihn abwartend an, dann senkte sie leicht den Blick und strich ihr Kleid glatt. Nervosität stand in ihrem Gesicht und Unsicherheit schien bei ihr zum Greifen nahe.

"Gefalle ich dir?", fragte sie ihn fast schon schüchtern.

C sah sie man, lächelte dann und kam auf sie zu. Er sah ihr tief in die Augen.

"Du siehst wunderschön aus."

Sie errötete ein wenig auf die Wangen und strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. "Danke", nuschelte sie leise und traute sich kaum, ihm in die Augen zu schauen.

Sachte legte er seine Finger ihr unters Kinn und zwang sie sanft, zu ihn aufzuschauen. "Das bist du wirklich", beteuerte er und sah ihr tief in in die Augen. Sein strahlendes Blau traf auf Braun und sie verfielen wie immer, wenn sie einander tief ansahen, in einem Blick, den keiner lösen konnte.

Doch bald blinzelte C, löste sich von ihr und ging geradewegs aufs Klavier zu, wo er Platz nahm. Er öffnete die Klappe und die Tasten kamen zum Vorschein. Abwartend sah er zu Rose rüber. "Komm näher", sagte er. "Diesmal passiert nichts", versicherte er ihr und noch ein wenig verunsichert kam Rose stückchenweise näher, bis sie fast neben ihn stehenblieb und wartete, was er machen würde. Seine schlanken Finger fuhren zuerst sanft, wie als würde er jemanden liebkosen, über die Tasten, bevor er eine runter drückte und somit den ersten Ton spielte, woraufhin mehrere Töne danach erklangen und es sich zu eine wunderschöne Melodie verwandelte. Seine Finger schwebten über die Tasten, die Musik die erklang war magisch und einfach atemberaubend.

C spielte einfach irgendwas drauflos, ohne so recht zu wissen, was es war, aber es war einfach umwerfend schön, gefühlvoll und drang tief in seiner Seele ein. Und in ihres wie er hörte, er nahm wahr, wie sie leise stockend aufatmete und sie ein zittriges Ausatmen herausbrachte, der ihm leicht übers Arm strich und obwohl er die Lederjacke trug, bekam er eine seichte Gänsehaut auf die Arme.

Aus dem Augenwinkel heraus sah er kurz zu Rose rüber und glaubte zu sehen, wie ihre Augen funkelten und glitzerten vor Glück, Freude und ... Sah er da Kummer in ihren Augen?

The Beautiful BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt