Nagasaki

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Schüsse rissen mich aus meinen Halbschalf. „Schüsse?“ Palermo sah zu uns. „Ja. Scheiße, ja!“ Er richtete sich auf. „Hört ihr das! Ihr wisst was das bedeutet, oder?“, rief er den anderen im Bad nebenan zu. „Ruhe!“ Einer der Polizisten zielte auf ihn. „Hinsetzen!“ Palermo zögerte nicht und nahm wieder platz. „Das ist ein Ablenkungsmanöver.“, „Entweder das oder sie haben gerade den Professor abgeknallt.“, murrte Manila und sah zu ihm. „Sind wir im Gefängnis und warten auf ein Verfahren? Oder sind wir tot in einem schwarzen Plastiksack? Nein.“ Er sah zu ihr. „Und wieso nicht?“, „Was weißt du, was ich nicht weiß?“, „Tja. Ich halte mich nur an die Tatsachen, Manila. Wir sind seid 24 Stunden gefangen und immer noch am Leben.“, „Denver ist da draußen.“, meldete Stockholm sich zu Wort. „Verhaftet. Das ist nun mal Tatsache. Es ist nicht mehr zu ändern.“, „Er weiß doch was.“, flüsterte Manila und sah wieder zu Palermo. Ich schloss mich ihr an. Irgendwas wusste Palermo, was wir nicht wussten. „Immer schön positiv bleiben, meine Freunde.“ Ich knirschte mit den Zähnen und wandte den Blick wieder von ihm ab. „Der Professor tut das, was Berlin mit dem Wikingerschatz gemacht hat.“ Palermo sah daraufhin zu mir. „Wie?“, hauchte ich lautlos. „Messing.“, „Messing?“, wiederholte ich und blinzelte verwundert. Für einen Moment kam die Hoffnung zurück. Gold gegen Messing. Wir geben das Gold nicht zurück, sondern tarnen es. Daher brauchen wir das Gold auch gar nicht. Für einen kurzen Moment glaubte ich wieder daran, hier rauszukommen.

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„Aufstehen!“ Die Polizisten zerrten uns auf die Beine. Zunächst schmunzelte ich, da ich dachte, sie würden uns nun frei lassen. Doch dann zielten sie auf uns. „Palermo.“, nuschelte ich. Dieser verstand selbst die Situation nicht. „Positiv denken und so?“, „Hat bis eben noch funktioniert.“, murmelte er. „Laden!“ Kam der nächste Befehl. Panisch riss ich die Augen weit auf. „Sie können uns nicht einfach hinrichten!“, schrie ich und sah zu Suárez. „Und ob.“ Bestätigte dieser mit ernster Miene. „10!“ Nun begann der Countdown. „9! 8!“, „Martín..“, wimmerte ich leise, doch wir standen mit dem Rücken an der Wand. „7!“ Ich zitterte am ganzen Körper und versuchte nicht laut los zu schluchzen. „6! 5!“, „Es tut mir leid, Lucía.“ Hörte ich von Palermo, dessen Stimme zitterte. „Du hast gesagt, wir kommen hier raus.“ Meine Augen gaben die letzten Tränen her. „Sergio hat gesagt, wir kommen hier raus..“ Meine Stimme wurde immer leiser. „4! 3! 2!“ Ich kniff die Augen zusammen und ließ meine Tränen laufen. Ich ließ den Kopf gerade und holte nochmal tief Luft. „1!“ Daraufhin hörte ich die Schreie aller Anwesenden und es fielen Schüsse. Ich schrie und sackte vor lauter Schreck auf die Knie.

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„Guten Tag. Der Überfall ist vorbei. Es ist unserer Spezialeinheiten gelungen, sich den Weg zum Untergeschoss frei zu sprengen und die dabei noch verbliebenen Geiseln zu befreien. Bei dieser Aktion wurden, nachdem sie bitteren Widerstand geleistet haben, folgende Bankräuber getötet: Aníbal Cortes alias Rio. Santiago López alias Bogotá. Julia Martínez alias Manila. Matías Caño alias Pamplona. Mirko Dragic alias Helsinki. Mónica Gaztambide alias Stockholm. Martín Berrotti alias Palermo. Raquel Murillo alias Lissabon. Lucía Jiménez alias Nagasaki. Und Sergio Marquina alias der Professor. Die Ermittlungen, die zum Auffinden der staatlichen Goldreserven führten, wurden durch die Mithilfe von Daniel Ramos alias Denver entscheidend vorangebracht. Er untersteht dem Zeugenschutzprogramm, bis alle Gerichtsverfahren abgeschlossen sind.

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Als ich das knallen von Türen hörte, griff ich vorsichtig nach dem Reißverschluss und zog ihn auf. Sofort setzte ich mich auf. Ich sah Bäume. Straßen. Häuser. Die Sonne schien. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah Sergio. Kein einziges Wort kam mir über die Lippen. Ich fing an zu lachen und sprang aus dem Sack heraus und ihm um den Hals. Mein Lachen schallte durch den ganzen Wagen. Fest drückte Sergio mich an sich. Ich fing an zu weinen, diesmal ganz vor Freude. Diesen Moment konnte niemand mehr zerstören. „Wir haben gewonnen.“ Ich löste mich von ihm und setzte mich. „Das haben wir.“ Auch ihm liefen Tränen über die Wange. „Nairobi, hörst du das..“ Ich schaute auf meinen Ring und küsste diesen. „Es war nichts umsonst.. Das Team hat es geschafft, hörst du?“ Wieder sah ich zu Sergio, eher ich ihn erneut fest umarmte.

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„Wir müssen los.“ Es klopfte an der Tür und Palermo kam herein. Er weitete die Augen und musterte mich. „Du machst aus frisch machen gleich eine Typveränderung?“, „Die kurzen Haare stehen ihr.“, verteidigte Helsinki mich, der stolz auf sein Werk war. „Ich habe nie das Gegenteil behauptet.“ Palermo kam näher. „Man muss sich dran gewöhnen.“, „Unsere Wege trennen sich doch sowieso.“ Ich sah wieder in den Spiegel und richtete den Kragen von meinem Hemd. „Bis wir uns wiedersehen, sind sie wieder lang.“, „Wo wirst du hingehen?“ Schulterzuckend drehte ich mich wieder um. „Wahrscheinlich erst mal zurück nach Argentinien. In der Wohnung sind noch Fotos und andere Wertsachen. Weiter habe ich bisher nichts geplant.“, „Du kannst mit uns kommen.“, schlug Helsinki vor und sah zu Palermo. „Ihr beide habt euch die Zeit alleine verdient. Ich möchte euch nicht stören.“, „Sei nicht albern. Es hat doch damals mit dir, Nairobi und mir auch funktioniert.“ Palermo sah nicht auf und schwieg. Stumm schaute Helsinki und abwechselnd an, eher er anfing zu grinsen. „Ich sehe schon. Ihr beide habt mit eurer Beziehung nie richtig abgeschlossen.“, „Das ist doch Schwachsinn.“, murrte ich. „Ich hatte eine glückliche Ehe danach bereits.“, „Ich kenne mich mit all dem nicht aus, aber es gibt doch auch Menschen, die mehr wie einen Partner haben.“ Nun hob Palermo den Kopf. „Vielleicht seid ihr solch Fälle?“, „Ist das jetzt eine Einladung, dass das hier eine Dreierbeziehung wird?“, „Ich habe Helsinki gerne, aber von ihm möchte ich nichts.“, „Ich auch nicht.“ Helsinki zog beide Augenbrauen hoch. „Doch wenn du mit uns beiden glücklich wärst.“ Er sah zu mir. „Mich soll es nicht stören.“ Palermo weitete die Augen und man sah ein leichtes Funkeln in diesen.

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Wir hatten uns auf den Weg gemacht und versammelten uns nun alle ein letztes Mal in einer Lagerhalle. Nur kurz nach uns kam Rio in die Halle. Er schien das ganze noch gar nicht zu glauben. Er umarmte jeden einmal, bis er vor mir stehen blieb. „Sie ist sicherlich stolz.“ Ich lächelte breit. „Alle beide.“, kam es von ihm, eher er mich fest umarmte. Danach kam Denver, er war der Letzte. Er ging direkt auf Sergio. „Fast hätte ich es verkackt.“, gab er zu, was Sergio nur belächelte. Daraufhin fiel Denver ihm um den Hals. „Was ein Glück, dass der Professor immer ein Doppeltwist parat hat oder, ihr Verrückten?“ Er sah in die Runde und lachte. „Ich habe geschwiegen, wie ein Grab, klar?“ Er stellte sich zu uns in den Kreis. Die Blicke gingen alle zu Sergio. „Nicht alles ist so gelaufen, wie eigentlich erhofft.“, begann er. „Wir sind nicht mehr vollzählig.“ Als dabei sein Blick von Rio ab und dann zu mir ging, presste ich fest die Lippen aufeinander und spürte Palermos Hand über meinen Rücken streichen. „Aber wir haben dennoch etwas erreicht.“ Er stand den Tränen nah und brachte keinen weiteren Ton mehr raus. „Na los!“ Marseille klopfte ihm auf die Schulter und zog alle zu einer Umarmung zusammen. So oft hatte ich noch nie jemanden umarmt. Noch einmal ließ ich meinen Blick durch die Runde schweifen. Ich lächelte breit über beide Backen und ich verstand nun, warum die Geschichten von Papá sich anhörten wie Filme. Das hier war ein Ende, wie aus einem Film.

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„Sergio.“ Nachdem wir uns alle gelöst hatten, ging ich zu ihm. „Was sagt Papá? Ist er stolz?“ Sergio fing an zu lächeln und nickte. „Ja, das ist er. Er ist stolz.“, „Und denkst du, Andrés ist es auch?“ Dabei griff ich nach der Silberkette, die Sergio mir noch vor 2 Jahren gegeben hatte, als ich zu Nairobi und Helsinki gefahren war. „Da bin ich mir ziemlich sicher.“ Ich erwiderte sein breites lächeln. „Wie sind deine Pläne jetzt?“, „Ich werde nach Argentinien zurückgehen. In der Wohnung stehen noch Fotos und andere Sachen. Helsinki und Martín begleiten mich.“ Kurz sah ich zu beiden rüber. „Mal schauen, wo es uns hinzieht. Pamplona soll gut zum feiern sein, habe ich gehört.“ Wir lachten beide. „Und du?“ In dem Moment kam Lissabon dazu. „Ist denn da noch mehr geplant?“ Ich grinste. „Ich mein, eure Beziehung konnte diesem Überfall standhalten. Das ist Beweis genug, nicht?“, „Dein Bruder hat mir bereits einen Antrag gemacht.“, „Was? Wann?“ Ungläubig sah ich zu ihr. „Als wir gefesselt von der Decke hingen.“, nuschelt er und sah zu Boden. „Im Ernst? Brüderchen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Was ein Romantiker.“ Lachte ich ironisch. „Bei der Hochzeit will ich aber dabei sein.“ Ich sah beide an. „Selbstverständlich!“, versicherte Lissabon mir.

Das ist also meine Geschichte. Ich habe alles verloren und zugleich doch aber so viel gewonnen. Es ist eine Familientradition, doch von dieser wäre ich erst einmal Abstand nehmen. Ich habe genug von irgendwelchen Plänen. Jetzt will ich mich auf meine Familie konzentrieren und mein Leben leben.

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Ein paar letzte Worte

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𝕍𝕚𝕕𝕒 𝕍𝕖𝕣𝕕𝕒𝕕𝕖𝕣𝕒 || ᴴᵃᵘˢ ᵈᵉˢ ᴳᵉˡᵈᵉˢ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt