32 | Segen und Fluch. (2/2)

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KAAN

Ich saß bereits im Auto, als Layla mich anrief. Da mein Körper noch immer vor Wut zitterte und ich mir sehr viel Mühe geben musste, das Auto in keine Leitplanke zu setzen, ging ich nicht ran, sondern ließ einfach klingeln. Falls sie nach Hause wollte, müsste sie mit der Bahn fahren oder eine ihrer Freundinnen anrufen. Ich hatte gerade ein anderes Problem.

Wenn ich Pech hatte, war mein Vater mit Elif bereits über alle Berge. Dann müsste ich nach Köln fahren und es würde Mord und Totschlag geben. Aber wenn ich Glück hatte, befanden sie sich in der besagten Eisdiele und waren noch nicht allzu weit gekommen. Ich hoffte es so sehr. Hoffte, dass ich Elif bei mir haben konnte, bevor Layla mitbekam, dass unser gemeinsames Kind unerlaubt mitgenommen wurde.

Nach ein paar Minuten erreichte ich das nächste Dorf und ordnete mich in dessen Mitte ein, die nach Marktplatz aussah, in einen der Parkplätze ein. Ausgerechnet heute fand hier ein Wochenmarkt statt. Auf diesem wurde von Obst und Gemüse bis hin zu Kleidung und Haushaltsartikeln alles verkauft. Es war die Hölle los und die Suche nach einem freien Parkplatz gestaltete sich schwieriger als zunächst angenommen.

Ich achtete auf besondere Fahrzeuge. Mein Vater ließ sich gerne in Jeeps rumkutschieren, daher achtete ich auf sperrige Fahrzeuge. Davon war allerdings keine Spur, somit setzte ich meine Suche nach der Eisdiele fort und drängte mich mühsam an den kleineren Ansammlungen von Menschen vorbei, die sich am Markt tummelten, bis ich schließlich vor einer kleinen Eisdiele stand, die nicht mehr als eine Handvoll Tische innen und außen vereinte.

Doch sowohl drin, als auch draußen konnte ich weit und breit nichts von Elif in Begleitung eines alten Greises erkennen. Ich suchte die Umgebung noch einige Male nach ihren auffälligen, braunen Locken ab und entschloss mich dann dazu, an der Kasse bei den Bedienungen nachzufragen.

»Hallo ... ich weiß nicht, wie ich anfangen soll«, stammelte ich, während die Bedienung ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen große Mühe hatte, Deutsch zu verstehen. Italiener oder so. »ich bin auf der Suche nach meiner Tochter. Sie ist vier Jahre alt und wurde von einem Mann entführt. Haben Sie zufällig gesehen?«

Der alte Mann, in dessen Gesicht altersbedingt bereits die Falten geschlichen waren, dachte eine Sekunde nach. »Diese Mann«, begann er, »kurze Haar, Anzug? Kleines Mädchen mit Locke? Ich weiß noch ihren Namen, ehm ... Alice, oder was?«

»Elif vielleicht?«, korrigierte ich voll Hoffnung.

Er rief laut auf. »Aaach, stimmt! Elif
Dann verschwand er kurzzeitig vom Tresen und verließ das gemütliche Eiscafé durch eine Art Terrassentür. Wenige Augenblicke später kam er wieder und deutete nach draußen. »Tochter sitzt dort!«

Mein Puls stieg wieder. Ich bemerkte, dass ich ein wenig zu schwitzen angefangen hatte. Die Aktion meines Vaters bedeutete einiges an Aufregung für mich. Wenn Elif nicht dabei wäre, wusste ich, würde ich meinem Vater den Arsch aufreißen. Da war es mir auch ganz egal, ob ich ihn mal als Familie bezeichnet hatte.

Ich bedankte mich und betrat die Terrasse. Ich hätte Vater in Begleitung von mindestens zwei breit gebauten Kerlen erwartet, fand ihn zur Überraschung jedoch ganz alleine vor. Wenn er allein war, bedeutete das meist, dass er irgendwas von mir wollte.

»Elif!«, machte ich auf mich aufmerksam. Ich spurtete an den Tisch und unterbrach sie beim Essen. Mit strahlenden Augen raste die Kleine auf mich zu, erwiderte mein Rufen mit einem entzückten „Babiii!« und fiel mir in die Arme.
Ihren kindlichen Duft sog ich regelrecht in mich ein. Ich striff mit den Fingern sanft durch ihre dicken Locken, um zu realisieren, dass ich sie tatsächlich in meinen Armen hielt.

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