35 | Azad.

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NISAN

Du hüllst mich in die Klänge deines Atems und flüsterst leise in mein Ohr, dass ich nur dir gehöre. Dass du mich liebst. Alles, was wir sind, fühlt sich traumhaft an. Wie du mich in deinen Armen wiegst, deine Lippen auf meine Schläfen presst, meine Schulterblätter massierst. Wie ich Muster um die zarten Unreinheiten deiner Haut male, um die Geborgenheit so abstrakt wie möglich wiederzugeben. So einen schönen Moment hatten wir lange nicht mehr. Wir genießen ihn, gehen darin unter.

Stunden vergehen wie Minuten, Minuten wie Sekunden, während wir in einem Tanz der Zweisamkeit versinken und dein Becken immer wieder sanft auf meines stößt. Dein Lächeln spiegelt sich in meinen Augen und die Welt um uns verschwimmt zu einem romantischen Gemälde. Ich lausche deinen Worten, die mein Herz berühren. Spüre, wie tiefe Ruhe in mir einkehrt. Die Zeit verliert sämtliche Bedeutung. Wir sind nur noch zwei Seelen, die im sanften Mondschein miteinander verschmelzen.

Der Mond streift langsam über den Himmel, die Sterne bilden funkelnde Mosaikdächer über uns. Deine Finger gleiten über meine Haut; jede Berührung trägt ein Versprechen von Liebe und Vertrauen. Die Nacht wird zum Zeugen unserer Verbundenheit, und wir lassen uns von der Magie des Moments tragen, bis wir allmählich an unseren Höhepunkt gelangen.

Du bist aus der Puste und auch mein Atem überschlägt sich, erholt sich erst nach und nach. Nachdem sich deine Atemzüge normalisiert haben, steckst du dir die erste Kippe an. Irgendwie bist du immer noch derselbe wie früher. Aber anders, besser.

Der Rauch deiner Zigarette vermischt sich mit der nächtlichen Luft, und für einen Moment betrachten wir schweigend die aufsteigenden Schwaden. In dieser Stille liegt eine ungesagte Geschichte, eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart. Du neigst den Kopf leicht zur Seite, als würdest du die Sterne selbst befragen, und ein Lächeln spielt um deine vollen Lippen. Es ist, als ob wir beide verstehen, dass das Leben uns geformt hat, aber die Essenz dessen, was zwischen uns liegt, unverändert bleibt. Die Nacht webt uns weiterhin in ihre mystische Atmosphäre. Die Zeit verstreicht im Bewusstsein, dass dieser Augenblick mehr ist als nur ein flüchtiger Traum.

Ich möchte nicht erwachen. Ich möchte nicht denselben ekligen und zwielichtigen Alltag erleben wie sonst auch. Aber an deiner Seite wirkt alles viel unbeschwerter.

Wenn ich mit dir bin, kann ich nicht verlieren.

• • •

»Morgen, Nisan«, riss mich Hilals raue Stimme aus dem Fiebertraum namens Wachwerden, während sie mir den nächsten Schuss Kaffee einschenkte. »War eine harte Nacht, hm?«, witzelte sie.

Da ich mir mit keiner adäquaten Antwort zu helfen wusste, entschloss ich mich, auf die gewohnt zynische Art ihres Bruders zu antworten: »Nervensäge. Musst du nicht zur Schule, oder so?«

Hilal lachte herzlich, schnürte flüchtig den pinken Bademantel zu und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. Ihre dunkelblonden Locken fielen wild in ihr Gesicht, die Augen funkelten verschmitzt. »Schule ist so überbewertet«, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern. »Ich bin unvorbereitet auf die Geschichtsklausur, weil ich kaum schlafen konnte. Daher bin ich mal krank.«

»Mal krank – kann mal passieren, hm?« Ihren trockenen Humor erwiderte ich mit zynischem Gelächter. Ich lehnte mich zurück und nahm einen Schluck des herben Kaffees, während sich der sich anbahnende Sonnenaufgang langsam in meinem Bewusstsein verankerte. »Warum schläfst du dann nicht?«, fragte ich neugierig, und sie grinste.

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