27 | Anders als erhofft.

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ADNAN

Ich hämmerte mehrmals gegen die massive Tür des Vernehmungsraumes, in welchem Nisan von zwei Ermittlern in die Mangel genommen wurde. Ich ertappte mich, wie ich immer wieder durch das kleine Fenster blickte, um nachzuschauen, ob sich irgendwer rührte. Aber keine Reaktion.

Nur Nisan rührte sich ab und zu, um mit den Fingerspitzen verlegen durch ihr langes Haar zu wandern oder aufzuzucken, sobald meine Faust die Tür berührte. Sie wusste einfach nicht, was ihr geschah. Wieso ausgerechnet sie vom Opfer zum Täter gemacht wurde. Wieso in dieser Welt so viel Ungerechtigkeit herrschte.

Mich ließ das Gefühl nicht los, dass Nisan in ein ungerechtes Strafverfahren hineingezogen wurde. Die beiden Ermittler hatten Nisan weder ihrer Rechte belehrt, noch ihr die Möglichkeit eingeräumt, einen Anwalt zu kontaktieren.

Da niemand auf mein Klopfen reagierte, riss ich die Tür auf und verschaffte mir Zutritt zur Runde, in der die weibliche Ermittlerin – ihr Name lautete Sander – damit zu Gange war, die Befragte aufs Schärfste einzuschüchtern. Ohne jegliche Rücksicht auf das, was Nisan am Tag zuvor durchgemacht hatte.

Zeitgleich sprang der männliche, deutlich ältere Ermittler von seinem Stuhl auf, der sich in der anderen Ecke des Raumes befand und nahm mich in die Mängel. »Sie können hier nicht einfach reinplatzen! Wir führen eine Vernehmung im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung durch.«

»Sie tappen im Dunkeln«, raunte meine Stimme in den Saal. »Vernehmen Sie Salman Kaya oder Gönül Karayiğit, anstatt das Opfer eines herben Sexualverbrechens weiterhin zu verunsichern. Sie haben Frau Kaya nicht mal ihrer Rechte belehrt. Ich weiß nicht, wer Sie bestochen hat, aber das hier ist Verfolgung Unschuldiger. Nur damit Sie's wissen.«

»Was reden Sie da überhaupt?« Die Ermittlerin – eine Frau mittleren Alters – stapfte in langsamen Schritten auf mich zu und musterte mich und mein Auftreten kritisch. »Ich wüsste nicht, was Sie dieser Fall zu interessieren hätte. Gehen Sie gefälligst zurück in Ihr Büro, Herr Yasin, sonst verweise ich Sie des Gebäudes!«

Wut keimte in mir auf, während ich Nisan im Gesicht ablesen konnte, dass ihr das Geschehen suspekt vorkam. Ich biss mir in die Innenseite der Wange, bis ich den metallischen Geschmack von Blut vernahm. Am liebsten hätte ich nun mehrere Zigaretten hintereinander geraucht, um den Stress beiseite zu schieben.

»Ja? Schön. Verweisen Sie mich des Gebäudes«, setzte ich mich über ihren Befehl hinweg. »Aber Frau Kaya kommt mit und bekommt das Recht, einen Anwalt zu sprechen. Das, oder ich melde Sie der Dienstaufsichtsbehörde und strebe ein Disziplinarverfahren an.«

Die beiden Ermittler warfen sich lange, planlose Blicke zu, was alles andere als konsequent und professionell wirkte. Schlussendlich war es der Mann, der bewilligend nickte. Scheinbar der einzige Bulle mit Verstand.

Er sprach: »Wir treffen uns in einer halben Stunde wieder. Konsultieren Sie einen Anwalt und kehren Sie danach zurück.«

Nisan nickte und erhob sich in aller Seelenruhe vom Holzstuhl. Sie war alles andere als ruhig, das wusste ich. In ihr musste es gewaltig rumoren; eine Gänsehaut nach der anderen über ihren Rücken schnellen. Im Moment wollte ich alles andere als in Nisans Haut stecken.

Wir ließen den Vernehmungsraum hinter uns und begaben uns in Richtung Eingangsbereich, wobei wir kein einziges Wort wechselten. Nisan folgte mir, fokussierte verunsichert den Boden.

»Die wollen mir was anhängen, oder, Adnan?«, fragte sie dann aber aus der Stille heraus. Ich antwortete Nisan nicht direkt; wir begaben uns in die öffentliche Kantine, die ebenso als Eingang des Präsidiums fungierte. »Irgendwas ging da nicht mit rechten Dingen zu. Ich habe mich nicht getraut, mit den beiden zu reden.«

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