07 | Warum?

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NISAN

Dağıttın hayatımı,
beni ağır yanılttın,
acım oldun.

Angenehme Musik dröhnte aus dem kleinen Radio, welches sich einsam auf der Fensterbank befand und über die Jahre dickflächigen Staub angesetzt hatte. Wann auch immer der alte Mann – Huzur Hünel, welcher sich selbst immer nur Doktor nannte –, seine Räumlichkeiten bezogen hatte; es musste bereits eine ganze Ewigkeit vergangen sein. Es wunderte mich, dass aus dem alten Gerät noch vergleichsweise moderne Musik dröhnte.

Abends war der Doktor nach Hause gefahren. Dies schaffte wertvolle Zeit, in der ich meine Situation überdenken und einfach ganz allein für mich sein konnte. Das hier kam mir unwirklich vor, als habe es sich nie ereignet. Auf der Flucht vor der Familie und dem Ehemann. Unterschlupf in einer kleinen, dreckigen Privatklinik, dafür aber bei einem höflichen Doktor, der mich ein wenig an meinen Großvater erinnerte. Und beschützt vom Ex. Adnan. Sobald ich an ihn dachte, setzte ein drakonisches Brennen in meiner Schläfengegend ein.

Jeden Tag besuchte Adnan mich, um nach mir zu schauen und ein Gespräch aus mir herauskitzeln zu können. Immer, wenn er vorbeikam, freute ich mich wieder auf die einsamen Abende, den leisen Klängen des Radios und der Ruhe, die sich aus der Einsamkeit ergaben. Ich benötigte die Ruhe wirklich dringend. Es würde mir nicht gelingen, zu Kräften zu kommen, wenn ich wusste, dass der Mann, der mir vor Jahren die Freude an der Liebe genommen hatte, nach Belieben zu Besuch kommen konnte.

Als die Sonne den Horizont endgültig verlassen hatte, schaltete ich das Radio ab, knipste eine neuartige Stehlampe an und machte mich auf den Weg in das Badezimmer, welches sich nebenan befand. Aus dem Beutel mit Anziehsachen legte ich einen Bademantel und Unterwäsche parat. Er hatte mir zudem einige Shirts eingepackt, die, dem angenehm männlichen Duft nach zu urteilen, von ihm selbst stammten. Zögerlich legte ich mir auch davon eines heraus, obwohl der Gedanke an seinen muskulösen Körper in diesen T-Shirts unangenehm war.

Es tat gut, mich dem viel zu großen Shirt zu entledigen. Aber da nun kein Adnan hier war und ich ganz allein, fühlte ich mich doch spürbar wohler. Gleichwohl war es das erste Mal, dass ich mich in diesem Zimmer zu waschen traute, da ich sonst geschlafen oder mich durch die fremden Anwesenheiten gestört gefühlt hatte.

Der Blick in den Spiegel zeigte mir eine angeschlagene, aber relativ unversehrte Person. Mein Gesicht war, Gott sei Dank, unbeschadet geblieben. Mit den Fingerkuppen fuhr ich über trockene, poröse Haut, bis ich am Haaransatz angelangt war. Hier lag eine kleine, unwesentlich sichtbare Schramme. Ich musste sie mir beim Sturz zugezogen haben. Unangenehmer wirkten die Blutergüsse unter den Verbänden auf meinem Schulterblatt, die sich in einer Bandbreite an Farbtönen bemerkbar machten. Gelb, grün, blau. Jede Berührung schmerzte höllisch. Besser nicht mehr anfassen, sondern hoffen, dass das warme Wasser den Schmerz im Oberkörper nicht noch zusätzlich intensiviert. Das war mein einziger Gedanke, bevor ich ich mich dem angenehm warmen Duschwasser hin gab.

Es war, als schälte sich mein gesamter Körper aus einer ganzen Schicht an Dreck und Schweiß. Jede Pore, jede Zelle in meinem Körper bedankte sich für die warme Wohltat. Vitalisierende Wärme, die mir Geborgenheit und gewissermaßen Schutz versprach. Schutz vor der Hölle, der ich gerade so entsprungen war. Nie wieder würde es sein, wie es einmal war, da konnte und musste ich mir sicher sein. Ins Elternhaus konnte ich nicht mehr zurückkehren, und im Falle, dass ich mich Salman ergäbe, wüsste ich nicht, ob das ein gutes Ende fände. Wahrscheinlich nicht.

Wo war sie hin, die Zeit, in der ich noch ein bedeutungsloses, kleines Mädchen war? Na ja, das war ich irgendwie noch immer. Aber nun waren Leute hinter mir her. Oder sie waren heilfroh, dass ich weg war. Nur Gönül hatte zu mir gefunden. Und das durch – wen sonst? – Adnan, der sich mit der Gelegenheit des Dramas in mein Leben geschlichen hatte. Der erste Mann, der mich berührt und mir gezeigt hatte, wie es sich anfühlen konnte, eine ausschweifende Bedeutung für einen Menschen zu besitzen. Zumindest bis an den Tag, an dem er anfing, mich mit anderen Frauen zu betrügen.

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