13 | Menschen ohne Skrupel.

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SALMAN

Sanftes Kribbeln auf meiner Haut, welches sich in regelmäßigen Abständen bemerkbar machte. Ich wusste nicht, was es war. Entweder bloße Einbildung, oder die Fingerspitzen einer Person, welche langsam versuchte, mich aufzuwecken. Es besaß etwas erstaunlich Beruhigendes, weshalb ich gar nicht daran dachte, die Augen zu öffnen, während ich auf dem umbrafarbenen Ledersofa vor mich hin döste.

Ich ließ den Stress der vergangenen Tage Revue passieren. War ich bis vor Kurzem noch unter dem Stress meines Schwiegervaters durch ganz Köln geirrt, um die Ehefrau zu finden, so hatte ich mir schon bald eine Prostituierte angelacht, welche die ganze Arbeit erledigen durfte. Samira, die Rothaarige, die in gewisser Hinsicht etwas mit einem Teufel gemein hatte. Sie war smart, cool und hatte Plan vom Leben da draußen. Dazu war sie diszipliniert und einfühlsam – das Ergebnis jahrelanger Erfahrung auf der Straße und in den Clubs. Sie kannte jeden hier. Für mich ganz klar das Erfolgsrezept, um Nisan zu finden.

»Schlafmütze«, hauchte eine leise Stimme Töne in mein Ohr. »Steh auf. Ich war bei Gönül.« Meine Augen schnellten auf, warfen sich auf die Uhr, welche sieben Uhr anzeigte. Äußerst mühselig erhob ich mich. Nachdem ich mich ausgiebig gestreckt und die müde Muskulatur meines Körpers gedehnt hatte, sprach ich: »Prima. Hast du was erkennen können? Etwas Auffälliges?« Samira erhob sich von der Lehne des Sofas und lockte mich ebenfalls nach oben. Auf dem Tisch im Essbereich befanden sich zwei große Tüten. »Ich war noch beim Chinesen«, erzählte sie, während sie zum Tisch wanderte und das Essen auspackte. »Magst du gebratene Nudeln? Na ja, wer mag die nicht? Da habe ich einfach mal was mitgebracht.«

Ich wusch mir die Hände, holte Besteck, da ich mit den Essstäbchen nicht umgehen konnte und gesellte mich zu Samira, welche sich bereits über ihr Essen hermachte. »Erzähl schon«, forderte ich sie auf, als ich Platz nahm. »Was meinte Gönül? Gibt es was Verdächtiges?« Samira schüttelte den Kopf, ehe sie wieder in den Nudeln versank. »Ja, was?!«, boxte ich ungeduldig auf den Tisch, dass das Wasser, welches sie in Gläsern eingeschenkt hatte, überschwappte und sich auf dem Tisch verteilte. »Immer mit der Ruhe, ja? Erstaunlich, aber nein, Gönül hält sich bedeckt. Ich glaube nicht, dass sie was verbirgt. Sie war misstrauisch, aber alles andere als auffällig.«

Das klang nicht nach Neuigkeiten, die ich meinen Ohren zumuten wollte. Eher im Gegenteil. Ich hatte fast darauf gehofft, dass Nisan Kontakt zu Gönül gesucht hatte und sich nun bei ihr aufhielt. Samira lächelte dennoch, als habe sie ein Ass im Ärmel. Etwas Brauchbares, das sie mir trotz allem auftischen konnte.

Sacht stand Samira von ihrem Stuhl auf und ging zu ihrer braunen Lederhandtasche, aus welcher sie ein iPad zog. Ich verstand nicht. »Samira, bei aller Ehre, du redest zu wenig«, meinte ich, während sie noch immer das Gerät fixierte und mir keine Beachtung schenkte. »Wie soll uns ein Tablet auf der Suche nach Nisan helfen? Was hast du gemacht?« Sie platzierte das Teil mitten auf dem Esstisch, um mir etwas Bahnbrechendes zu präsentieren. Samira tippte in den Menüs einer App herum, bevor sich uns Bild- und Tonaufnahmen zeigten.

Ich hörte und sah, wie sich Samira Gönül mit falscher Identität vorstellte. Sie hätte es fast verkackt, am Ende aber die Kurve gekriegt. Sie bat Gönül darum, ihre Nummer entgegen zu nehmen und befestigte die Wanze umständlich an der Rückseite des Handys. Gar nicht unauffällig, oder so, nein. Im weiteren Verlauf erkannte ich nur noch den Boden. Gönül spurtete die Treppe hinauf bis in einen Raum. Und ab da wollte ich nicht mehr weiter gucken.

»Mach das aus«, forderte ich Samira auf. »Ich weiß, was gleich passiert.« Ich verdeckte mit den Armen mein Blickfeld, um das Spektakel nicht mitansehen zu müssen. Im selben Moment ertönte aus dem iPad das Geräusch von Wasser. Eine Toilettenspülung. Das Signal ging flöten, der Bildschirm wurde schwarz. »Scheiße!«, fluchte Samira. »Ich war mir sicher, dass das klappt. Aber ich glaube, Gönül hat den Köder gewittert...«

HABAYTIKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt