19 | Fürsorge.

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NISAN

Deine starken Arme fesseln mich. Sie fühlen sich so gut, so sicher an, schenken mir das Gefühl von Geborgenheit und vergewissern mich, dass ich mich in deiner Gegenwart einfach fallen lassen kann. Einfach fallen lassen, da du mich kurz vor der Landung auf dem harten Boden der Realität sowieso auffängst. Ich stehe total auf deine Wärme und bekam nie genug von ihr, doch ich kenne die Kehrseite ganz genau.

Denn auf der anderen Seite schnüren mir deine Arme die Luft zum Atmen ab. Kappen meine Verbindung zum Diesseits, lassen mich verrückt werden. Sämtliche Vorgänge in mir fallen aus und rauben mir die Sinneskraft. Ohne dich bin ich gar nichts, aber ohne dich ist alles nichts. Ich will, dass du mich festhältst und nie megr loslässt, aber andererseits ... andererseits will ich, dass du das Weite suchst, einfach nur Land gewinnst und nie wieder zurückkehrst.

Ich fürchte, ohne dich ist mein Leben sinnfrei, Adnan. Auch wenn ich immer wieder versuche, dich zu vergessen, begleitest du mich, wohin ich auch gehen mag. Du machst mich krank und vermittelst mir zugleich das Gefühl, an jedem Ort auf der Welt sicher zu sein. Auch wenn du mal nicht bei mir bist. Und das ist einfach nur krank.

Hilfe.
Ich kann nicht sprechen. Es ist, als hätten sich meine Stimmbänder verknotet und als würde ich nichts als warmen und schweren Atem von mir geben.

Helft mir, bitte!
Ich stütze mich an den Wänden ab, sehe alles doppelt. Der Weg bis ins Wohnzimmer zieht sich lang, erstreckt sich über gefühlte Kilometer. Ich habe das Gefühl, dass ich über jede einzelne Fuge, die sich zwischen den dunklen Fliesen des Fußbodens befinden, stolpere. Gönül werde ich nicht mehr erreichen. Denn kurz, bevor ich an die Glastür des Wohnzimmers gelange, fehlt mir sämtliche Stütze. Ich verliere das Gleichgewicht. Meine Kräfte lassen nach und ich gehe zu Boden. Noch bevor Gönül und Onur mich erreichen, wird mir schwarz vor Augen und ich drifte in eine tiefdunkle Welt ab.

• • •

»Wenn ich ihn in die Finger kriege, ist er dran. Ich schwöre dir, ich bringe ihn um.«

»Ich habe die beiden beobachtet. Sie hat gesagt, er soll verschwinden, dann ist er gegangen. Er ist tatsächlich gegangen. Vielleicht hat er es endlich geschnallt.«

Ich war noch immer angeschlagen. Erschöpft, ausgelaugt, wie man es auch nennen mochte. Meine Haut glühte und der Schweiß perlte in nahezu allen Partien meines Gesichtes.
Na toll, Fieber.

Gesagtes nahm ich nur verzerrt wahr; und da ich alles doppelt sah, entschied ich mich dazu, meine Augen noch für eine Weile geschlossen zu halten. Zwar konnte ich mich an das Gespräch– besser gesagt, an die paar Worte erinnern, die ich mit Adnan gewechselt hatte; der Zusammenhang mit meinem Zusammenbruch stand dennoch in den Sternen. Adnans Anwesenheit musste mich tief überfordert haben. Nicht mehr und nicht weniger.

Klar, ich hatte Adnan geliebt. Es war zu lange her, aber ich hatte ihn sehr geliebt. Und genau aus dem Grund machte es mir zu Schaffen, dass er mir andauernd auflauerte. Nach unserer Beziehung hatte ich ihn von heute auf morgen vergessen müssen. Gleich nach unserer Trennung hatte er seine Handynummer gewechselt und war umgezogen, um in einer anderen Stadt zu arbeiten.

Mittlerweile versuchte er andauernd, mich mit seiner Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Wollte mir helfen und hatte selbst vor Salman Kaya nicht zurückgeschreckt. Zwar rechnete ich ihm seine Hilfe hoch an; derartige Unterstützung war ich aber gerade von einem Mann wie Adnan nicht gewohnt. Es überforderte mich, dass er mich nicht einmal bei Gönül in Ruhe ließ, obwohl sie ihm Hausverbot erteilt hatte.

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