20. Morgen

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Ihr Lieben, aus irgendeinem Grund hat meine Geschichte plötzlich 1,2k Aufrufe und war gestern auf Platz 1 in #chicklit. Mir bedeutet das sehr viel und ich bin euch allen unendlich dankbar, dass ihr meine Geschichte gelesen und vielleicht auch kommentiert oder gelikt habt! Dankeschön! Zur Feier des Tages gibt es ein neues Kapitel, ich hoffe, es gefällt euch :-)

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Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, wo ich mich befand, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Die andere Seite des Bettes war leer, Valentin war also bereits aufgestanden. Verschlafen setzte ich mich auf und versuchte, die Geschehnisse der letzten Nacht in meinem Kopf zu rekapitulieren und einzuordnen. Auf den Alkohol konnte ich es dieses Mal wohl kaum schieben. Ich seufzte, sammelte meine Kleidung ein, die noch immer überall auf dem Boden verteilt war und zog sie wieder über. Dann trat ich aus der Tür. Ich hörte Valentin in der Küche und dachte kurz darüber nach, einfach abzuhauen, aber das war wohl kaum ein erwachsenes Verhalten. 

Also straffte ich meine Schultern, holte tief Luft und ging in die Küche. Zu meiner Verwunderung schien Valentin gerade Frühstück vorzubereiten. "Guten Morgen", sagte ich und blieb unsicher im Türrahmen stehen. Val sah auf. "Morgen. Hast du gut geschlafen?" "Offensichtlich", ich versuchte mich an einem Lächeln. "Gut, möchtest du Frühstück?" Er war also immer noch nett. Daran würde ich mich vermutlich nie gewöhnen. "Gerne, aber ich würde vorher noch kurz ins Bad gehen." "Mach das", antwortete Valentin. 

Verwirrt ging ich ins Badezimmer. Da ich hier keinerlei Sachen hatte und auch nicht einfach die von Valentin benutzen wollte, brauchte ich nicht besonders lange. Ich benutzte die Toilette, wusch mein Gesicht und gab mir alle Mühe, meine von Natur aus gewellten Haare in einem Dutt zu bändigen. Anschließend kehrte ich in die Küche zurück. Dort hatte Valentin mittlerweile den Tisch fertig gedeckt - es gab frischen Kaffee und sogar Brötchen, er schien bereits eine ganze Weile auf zu sein. "Setz dich", meinte er, als ich zurückkam. "Danke! Sieht gut aus", befand ich. "Warum hast du mich nicht geweckt?" Er zuckte mit den Schultern. "Hätte ich gleich." Ich lächelte, aber dass er plötzlich so nett war, verunsicherte mich noch immer. "Wann musst du los?" Fragte ich, in der Hoffnung, ein normales Gespräch aufbauen zu können. "Gegen zwölf", meinte Valentin. Ich warf einen Blick auf die Uhr - es war kurz vor zehn. "Oh. Und wie lange bist du unterwegs?" "Erst zwei Wochen auf Promo-Tour, dann kurz Zuhause und anschließend für drei Wochen auf einem Auslands-Dreh", erklärte er. "Dann bist du ja wieder mal ganz schön beschäftigt." Warum war ich plötzlich so traurig? Wir sahen uns auch sonst manchmal wochenlang nicht. 

Das Gespräch wurde unterbrochen, weil Valentins Handy klingelte. "Sorry", sagte er, stand auf und nahm das Gespräch an. Ich kaute auf meinem Brötchen herum und beobachtete ihn. Er hatte sich einige Meter entfernt, ich konnte das Gespräch aber dennoch verfolgen. "Ja. 12:25 Uhr? Ist okay, schick mir einfach die Buchung", hörte ich ihn sagen, dann kam er wieder zurück. Ich sah ihn fragend an. "Management, wegen meiner Zug- und Hotelbuchung", erklärte er. "Du hast also Menschen, die dich organisieren?" Fragte ich halb belustigt, halb fasziniert. "Mehr oder weniger." "Wie ist das so?" Fragte ich. "Was? Wenn man ein Management hat?" "Wenn man berühmt ist." "Berühmt würde ich das jetzt nicht nennen, aber ich kenne es ja durch meine Familie auch nicht anders", bestätigte Valentin, was ich bereits vermutet hatte. "Es hat Vor- und Nachteile. Wenn du keine Privatsphäre mehr hast und jeder deiner Schritte in der Klatschpresse landet, nervt es, wenn dir jemand ein schönes Hotelzimmer bucht, ist es ganz cool", er grinste. "Wusstest du schon immer, dass du Schauspieler werden willst?" "Schon als kleiner Junge, da gab es keine Alternative." "Rockstar?" Er lachte kurz und ziemlich schön. "Im Film kann man doch alles sein. Ich kann mich da ganz gut ausleben." "Stimmt auch wieder." Ich seufzte. "Ich wünschte, ich wüsste auch, was aus mir werden soll." "Ach, dir fällt schon noch etwas ein. Vielleicht musst du einfach einiges ausprobieren." "Und was?" "Was hast du noch gleich studiert, bevor wir dich kennengelernt haben?" "Lehramt." Valentin betrachtete mich. "Das passt doch eigentlich ganz gut zu dir", befand er dann grinsend. Ich verdrehte die Augen, weil es offensichtlich nicht als Kompliment gemeint war. "Ach mal im Ernst, du findest schon noch das Richtige. Julian und ich überlegen schon länger, unseren eigenen Club zu eröffnen, vielleicht stellen wir dich ein." Ich seufzte. "Schauen wir mal." Ein eigener Club - davon konnte ich nur träumen. Wieder einmal hatte ich den Eindruck, die beiden lebten in einer Art Paralleluniversum. "Habt ihr schon konkrete Pläne?" Fragte ich. "Ne, wir haben uns einige Locations angeschaut, aber wir haben aktuell eigentlich beide zu viele andere Projekte, um die wir uns kümmern müssen, deshalb haben wir das erstmal hinten angestellt." "Ah. Dann lasst mich wissen, wenn es soweit ist." "Klar." 

Valentin schaute auf die Uhr. "Ich will dich echt nicht rauswerfen, aber ich muss hier noch alles fertig machen, bevor ich gehe." Ich trank meinen Kaffee aus. "Ja klar, ich will dich nicht aufhalten. Echt nett, dass du mir überhaupt Frühstück gemacht hast", meinte ich. "Kein Ding!" Wir standen beide auf, Valentin begleitete mich zur Tür. Schnell zog ich meine Schuhe und meinen Mantel an. "Danke, dass ich bei dir übernachten konnte und Danke fürs Frühstück", sagte ich. "Nicht dafür", er grinste. Wir umarmten uns kurz, was sich irgendwie falsch anfühlte, angesichts der Tatsache, dass wir uns in der vergangenen Nacht noch so nah gewesen waren. "Dann viel Spaß bei der Promo-Tour. Vielleicht sehe ich dich ja mal im Fernsehen", meinte ich grinsend. Valentin zog die Schultern hoch, ich hatte fast das Gefühl, dass es ihm ein wenig unangenehm war. "Ja, vielleicht." "Also dann", ich verließ seine Wohnung und winkte ihm von der Treppe aus noch einmal zu, er hob ebenfalls die Hand, dann fiel die Tür ins Schloss und ich war allein. 

Draußen war es kalt. Ich zog meinen Mantel enger um mich und kramte auf dem Weg zur Haltestelle mein Handy aus der Tasche. Drei verpasste Anrufe und drei Nachrichten von Elisa:

 "Hey, wo steckst du? Ist alles okay?

"Melde dich mal kurz, damit ich weiß, ob alles in Ordnung ist!

"Julie???

Die Arme schien sich wirklich Sorgen zu machen. Ich beschloss, sie gleich anzurufen. Zuvor las ich jedoch noch eine Nachricht von Jonas: 

"Hey, Danke noch mal für den schönen Abend :-) Hat mich echt gefreut, vielleicht wiederholen wir das ja demnächst?

Schrieb er. Ich seufzte. Es war wohl höchste Zeit, wieder in der Realität anzukommen. Ich suchte also Elisas Kontakt in meinem Telefonbuch und drückte auf anrufen. Sie ging praktisch sofort ran. "Julie? Wo zur Hölle steckst du? Ich habe mir Sorgen gemacht!" Sie klang wie meine Mutter und bei diesem Gedanken musste ich kurz grinsen, obwohl sie mir leid tat. "Sorry, ich habe bei Freunden übernachtet, die ich noch spontan besucht habe." Aus irgendeinem Grund hatte ich keine Lust, ihr die Wahrheit zu erzählen. Ich konnte förmlich hören, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel. "Und da konntest du nicht kurz Bescheid sagen?" "Tut mir leid, wir haben gefeiert und ich habe ehrlich gesagt nicht daran gedacht, dass du dir Sorgen machen könntest!" Sie seufzte. "Ich habe kaum geschlafen, weil ich dachte, dir wäre etwas passiert oder dein Date wäre aufdringlich geworden." "Nein, alles in Ordnung! Ich komme jetzt nach Hause", sagte ich. "Na gut, dann bis gleich!" "Bis gleich!"

Wir legten auf und in mir machte sich ein schlechtes Gewissen breit. Aus irgendeinem Grund blendete ich einfach die komplette Außenwelt aus, wenn ich Zeit mit Valentin verbrachte. Das musste sich dringend ändern.

NeonliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt