Am Freitag traf ich mich wie verabredet mit Jonas in einem Club in Mitte. Eigentlich war es eher eine Bar mit Tanzfläche, ziemlich klein und überschaubar. Wir gingen an die Bar und bestellten uns erst einmal etwas zum Trinken. Ich bereute bereits nach kurzer Zeit, mich auf dieses Date eingelassen zu haben. Jonas war genauso langweilig wie beim letzten Mal, aber im Gegensatz zu mir schien er das Date zu genießen. Immer wieder machte er Andeutungen, wie toll er mich fand und wie schade es war, dass ich beim letzten Mal so schnell gehen musste. Ich versuchte, seine Komplimente zu übergehen und fragte ihn stattdessen über seinen Job aus, obwohl mich die Antworten auf meine Fragen eigentlich gar nicht interessierten. Hoffentlich war dieses Date bald beendet.
Nach einiger Zeit konnte ich Jonas' Erzählungen nicht mehr folgen. Gedankenverloren ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen - und entdeckte auf der anderen Seite der Tanzfläche plötzlich Valentin, zusammen mit Flo und einem anderen Mann, den ich nicht kannte. Verwirrt kniff ich die Augen zusammen - hatte ich mittlerweile Halluzinationen? Offenbar nicht, denn als ich die Augen wieder öffnete, war Valentin noch immer da. Was machte der hier? Verfolgte er mich? Jedenfalls sah er mich nun auch und ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, kam er an die Bar, um mich zu begrüßen. „Hey, lange nicht gesehen", meinte er und umarmte mich kurz. „Ja, stimmt", entgegnete ich knapp und versuchte, meine Aufregung zu verbergen. „Wie geht's?" Fragte er. „Gut und dir?" „Auch, ich bin froh, mal ein paar Tage frei zu haben", erzählte er. „Das glaube ich." Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Jonas uns genau beobachtete - und er sah ziemlich verwirrt aus. Innerlich musste ich grinsen, aber ich wusste auch, dass ich mich nicht schon wieder auf Valentin einlassen konnte. Der kehrte zum Glück kurz darauf zu seinen Kumpels zurück und ich setzte meine Unterhaltung mit Jonas fort - nicht ohne ab und an zu Valentin hinüberzuschielen. "Ihr kennt euch?" Fragte Jonas sichtlich verwundert. "Flüchtig", log ich. "Warum hast du mir das letztens nicht erzählt?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe es nicht für wichtig empfunden." "Okay... Also irgendwie taucht immer Valentin Löwenstein auf, wenn ich ein Date mit dir habe", stellte Jonas belustigt fest. Ich nickte. Und jedes Mal wenn er auftauchte, zog er meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Ich verachtete mich selbst dafür, dass Valentin mir nicht einfach egal war.
Jonas unterbrach meine Grübelei, indem er plötzlich meine Hand nahm und mich auf die Tanzfläche zog. "Ich liebe diesen Song", rief er. Ich ließ mich von ihm mitziehen und hoffte einfach, dass wir beim Tanzen mehr Spaß hatten als beim Reden. Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch ziemlich schnell. Obwohl ich versuchte, Jonas auf Abstand zu halten, wurde er ziemlich aufdringlich und kam mir beim Tanzen immer wieder unangenehm nahe. Irgendwann musste er zur Toilette und ich dachte ernsthaft darüber nach, einfach die Flucht zu ergreifen. Warum um alles in der Welt hatte ich diesen Typen früher gut gefunden? Hättest du damals nur ein einziges Date mit ihm ergattert, hättest du dir den ganzen Liebeskummer in deiner Jugend sparen können, dachte ich.
Plötzlich schlang jemand von hinten die Arme um mich. Ich zuckte zusammen. „Ey Blondie, alles klar bei dir?" Es war glücklicherweise Valentin. Ich atmete aus und entspannte mich ein wenig. „Ja, alles bestens", log ich. „Ist der Typ dein Freund?" Wieso interessierte ihn das? „Nein, ein Bekannter von früher." „Der scheint dich aber ziemlich gut zu finden." War er etwa eifersüchtig? Ein wenig freute mich das, auch wenn ich natürlich nicht wusste, ob es überhaupt der Wahrheit entsprach. „Kann sein." „Soll ich dich retten?" „Nein, warum?" Fragte ich, obwohl ich mir ja eigentlich nichts mehr wünschte, als das. Allerdings war ich viel zu stolz, um es zuzugeben. Er sollte sich jetzt bloß nicht als Held aufspielen. Vielmehr gefiel mir auf einmal der Gedanke, ihn eifersüchtig zu machen. „Du wirkst nicht so, als hättest du Bock auf ihn", bemerkte Valentin. „Lass mal, ich brauche keinen Beschützer, ich kann das schon selbst regeln", entschied ich. „Wie du meinst! Dann hau rein", er ließ mich los und entfernte sich wieder.
Im weiteren Verlauf des Abends wurde mir Jonas' aufdringliche Art dann allerdings doch zu viel, um sie zu ertragen. Er schien eindeutig eine andere Vorstellung vom Ausgang dieses Abends zu haben als ich. Obendrein hatte die Begegnung mit Valentin mich mehr aufgewühlt als ich mir eingestehen wollte. Jonas legte seine Arme um mich und begann, meine Wange zu küssen. Mir wurde übel. „Wollen wir nicht zu mir gehen?" Fragte er. „Ich würde lieber noch etwas bleiben." Auf keinen Fall wollte ich mit ihm allein sein. Ich sah mich hilfesuchend um, ob ich Val oder Flo irgendwo entdeckte, aber sie waren nirgends zu sehen. Womöglich waren sie bereits gegangen. „Komm schon, ich wäre gerne mit dir allein", murmelte Jonas an meinem Ohr. Ich zog mein Handy aus der Tasche und tippte hinter seinem Rücken unbemerkt eine Nachricht an Valentin: „Rette mich!" Dann steckte ich es zurück in die Tasche. „Na gut, aber lass uns vorher doch noch etwas trinken", schlug ich vor, in der Hoffnung, dass Valentin meine Nachricht las und doch noch irgendwo in der Nähe war. Ansonsten musste ich mir einen anderen Ausweg einfallen lassen. Vielleicht konnte Elisa mich abholen.
Es dauerte etwa fünfzehn quälend lange Minuten, bis Valentin endlich auftauchte – er trug seine Lederjacke und einen Hut, scheinbar war er wirklich schon draußen gewesen. Selbstsicher kam er auf mich zu und legte abermals einen Arm um mich. Jonas bedachte ihn mit einem genervten Blick. „Hey, was geht?" Fragte Val. „Wir trinken gerade noch was und ihr?" „Ich bin noch auf eine andere Party eingeladen und habe mich gefragt, ob du meine Plus eins sein willst!" Flötete Val so überzeugend, dass ich es fast selbst glaubte. Da zahlten sich seine Schauspielkünste aus. Ich tat, als würde ich nachdenken. „Mh, eigentlich hätte ich schon Bock!" „Cool! Wir müssten allerdings direkt los, Flo wartet schon draußen", erklärte Val. Schnell trank ich den Rest meines Caipirinhas aus und sah dann Jonas an. „Sorry, du hast doch nichts dagegen, oder? Ich habe echt Bock noch zu feiern heute!" Er schüttelte verwirrt den Kopf, als verstehe er überhaupt nichts mehr. „Du wolltest doch mit zu mir kommen!" „Das können wir doch wann anders nachholen", schlug ich vor. Val hatte noch immer seinen Arm um mich gelegt und machte zum Glück auch keine Anstalten, ihn wegzunehmen. Jonas wirkte nicht begeistert, traute sich aber offenbar auch nicht, Stress mit Val anzufangen, der immerhin einen halben Kopf größer war als er. „Wenn du meinst." „Danke, echt super, dass du so verständnisvoll bist", sagte ich schnell und bedeutete Valentin dann mit einem Blick, dass wir gehen konnten. Ich bezahlte meine Getränke und holte meine Jacke, dann schafften wir es endlich nach draußen.
„Oh man, Danke!" Sagte ich erleichtert, als wir vor dem Club standen. „Nächstes Mal überlegst du dir das früher, ich musste extra noch mal zurückkommen", erwiderte Valentin, während er sich eine Zigarette anzündete. „Tut mir echt leid, ich wusste nicht, dass er so aufdringlich wird!" Ich wollte auf keinen Fall jetzt auch noch mit ihm streiten. „Der war doch vorhin schon aufdringlich." Ich seufzte. „Ja, keine Ahnung, ich habe es wohl falsch eingeschätzt." „Wie auch immer." Valentin zog an seiner Zigarette und pustete den Rauch in die Nachtluft hinaus. Sogar das hatte ich vermisst. „Wo ist eigentlich Flo?" Fragte ich dann und blickte mich suchend um. „Schon vorgegangen." „Oh, ihr seid also wirklich noch zu einer Party eingeladen?" „Yes, Freunde von mir haben heute Album-Release!" „Oh!" Ich verspürte einen Anflug von Enttäuschung, wohl weil ich tief in meinem Inneren gehofft hatte, noch Zeit mit ihm verbringen zu können. „Dann tut es mir leid, dich aufgehalten zu haben!" "Schon okay! Soll ich dich noch irgendwo hinbringen? Nicht, dass der Typ dir wieder begegnet." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, der ist ja nicht gefährlich oder so, ich stehe nur einfach nicht auf ihn." Val nickte. "Wie auch immer - Danke für's Retten, ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren", sagte ich dann und versuchte, ihn dabei möglichst verführerisch anzuschauen - vielleicht verstand er ja meine Andeutung. "Wie?" Fragte er und plötzlich war diese bekannte Spannung zwischen uns wieder da. "Find's raus", sagte ich leise. Valentin betrachtete mich einen Augenblick lang, wohl um sicherzugehen, dass er mich richtig verstanden hatte, dann trat er einen Schritt auf mich zu - und küsste mich einfach. Es fühlte sich an, als würde zwischen uns ein Blitz einschlagen. Mein Herz raste, mir wurde schwindelig und hätte er mich nicht festgehalten, wäre ich vermutlich umgekippt. Unser Kuss war ziemlich leidenschaftlich und es dauerte, bis Valentin sich wieder von mir löste. „Ich muss zur Party, kommst du mit?" Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst, dass es okay ist." „Klar, kein Ding!" „Na dann." Valentin legte wieder den Arm um mich und wir machten uns zu Fuß auf den Weg. Ich versuchte, mich von meiner Aufregung abzulenken. „Ich mag deinen Hut", sagte ich. Valentin nahm ihn von seinem Kopf und setzte ihn auf meinen. „Steht dir auch", meinte er grinsend. Die Stimmung zwischen uns war ausgelassen und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an den letzten Club-Abend und an seine Ex - zum Glück.

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Neonliebe
ChickLit"Du bist so langweilig", raunte Valentin mir zu. „Langweilig, ich?" Er lehnte sich zurück und stützte sich auf seinen Unterarmen ab, während er mich provokant ansah. „Du bist der Inbegriff von Langeweile." Wie mir dieser Typ und seine Überheblichkei...