|·Eins·|

550 25 45
                                    

"Ich hab dich vermisst!"

Mit diesen Worten schlangen sich von hinten zwei Arme um mich und ein kleiner Körper drückte sich an den meinen. Ich schmunzelte, während ich meinen Spind schloss und den Schlüssel abzog.

"Hab dich auch vermisst, Luise!", sagte ich und drehte mich leicht, um meine kleine beste Freundin anzusehen.

Luise war nicht sonderlich groß, doch dafür hatte sie lange blonde Haare und blaue Augen. Sie war schlank und besaß die richtigen Kurven. Sie könnte wirklichen jeden Jungen haben, den sie wollte, jedoch interessierte sie sich so gar nicht für unsere männlichen Zeitgenossen. Viel eher interessierte sie sich für Dinge wie Naturwissenschaften oder Geschichte - was ich absolut nicht nachvollziehen konnte.
Luise war einer der intelligentesten Menschen, die ich kannte und ich war froh, sie zu haben.

Lächelnd hakte Luise sich bei mir unter und zusammen verließen wir den Keller, in welchem sich die Spinde der Schüler befanden, und machten uns auf den Weg zu unserem Klassenzimmer.

Auf halbem Weg kam uns Jack, mein bester Freund und letztes Mitglied des Trios von mir und Luise, entgegen. Durch seine braune runde Brille grinste er uns schief an, ehe er uns in die Arme zog. Lachend drückten wir den Hühnen zurück, ehe wir uns wieder lösten.

Jack war riesig. Ich reichte ihm gerade mal bis zum Kinn, und dabei war ich mit meinen 1,70 nicht einmal die Kleinste bei uns in der Klasse. Luise mit ihren 1,64 war die Kleinste.

"Na? Wie waren die Ferien meiner bezaubernden Freundinnen?", wollte Jack gut gelaunt wie eh und je wissen, wobei er um uns beide je einen Arm legte und wir so weiter liefen.

Während Luise aufgeregt von ihrem Griechenland-Urlaub erzählte, hörte ich nur stumm zu. Es war Jahre her, seit ich das letzte Mal im Urlaub gewesen war, von unbeschwerten Ferien ganz zu schweigen.

"Und bei dir?"

Ich sah zu Jack, welcher mich erwartungsvoll lächelnd musterte. Auch ich lächelte, ehe ich antwortete.

"Naja, nichts spannendes passiert. War viel mit Freunden unterwegs!"

Es war kein Geheimnis, dass ich in unserem Jahrgang ziemlich beliebt war. Dauernd erhielt ich irgendwelche Einladungen zu Parties oder wurde von der Seite angesprochen. Mir war bewusst, das ich von einigen beneidet wurde, jedoch machte ich mir nicht viel daraus, ich hatte gern Kontakt mit anderen Menschen.

Auch in meiner Klasse hatte ich mehr als diesen einen Ruf weg. Für viele war ich die "Klassenmutti". Die Meisten kamen zu mir, um zu Reden wenn sie Probleme hatten oder Streit. Und bei jedem von ihnen hörte ich zu und gab den einen oder anderen Ratschlag.

Unsere Klasse allgemein war ein sehr eingespieltes Team, eigentlich schon immer gewesen. Klar, mal rasselten ein paar aneinander, aber das klärte sich in der Regel nach ein paar Tagen wieder.

Im Klassenzimmer angekommen liefen Jack, Luise und ich nach ganzen hinten zu unseren Plätzen. Während Luise und ich uns die hinterste Bank der Fensterreihe teilten, saß Jack allein in der Mittelreihe.

"Der tägliche Höllenmarsch beginnt von Neuem!", seufzte ich auf und ließ mich auf meinen Stuhl plumpsen. Luise neben mir lachte, während sie ihre Mathesachen auf den Tisch legte. Anschließend setzte sie sich neben mich auf ihren Stuhl.

"Aber von allein füllt sich das menschliche Gehirn nicht. Und solange es nichts gibt, was den Lehrern die Arbeit abnimmt, wirst du wohl hier her kommen müssen!", sagte sie belustigt.

"Es gibt Google!", murrte ich, weshalb sie nur noch mehr lachte.

"Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm. Sieh's einfach positiv: erster neuer Tag nach den Herbstferien, neuer Mathe- und Französischlehrer und neue Chancen jemand anderen von deiner nicht vorhandenen Intelligenz in Mathematik zu begeistern!", grinste sie, ehe sie sich erhob und zu Jack lief.

Leise schnaubte ich. Luise war zwar klein und wirkte ziemlich unschuldig, doch konnte sie durchaus ein sehr großer Giftzwerg sein, wenn sie wollte. Und leider Gottes hatte sie mit Mathe recht. Es lag mir einfach nicht. Egal, wie sehr ich mich bemühte, es wurde nie besser als eine 3. Und schon das war selten.

Ich seufzte und holte anschließend meinen College-Block aus der Tasche. Damit es wenigstens etwas gut rüberkam, wenn dann unser neuer Lehrer kommen würde.

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, öffnete sich die Tür des Klassenzimmers und ein junger Mann kam herein.

Jedenfalls wirkte er sehr jung. Er wirkte ziemlich klein, neben Jack würde er wahrscheinlich wie ein Zwerg wirken, jedoch war seine Körperhaltung so gerade und seine Bewegungen so elegant, das sie seine Größe sofort wieder ausbügelten. Er hatte kurze dunkle Haare und auch sein Hautton hatte einen etwas dunkleren Touch - ohne irgendwie rassistisch sein zu wollen.
Er trug ein weißes Hemd mit hoch gekrempelten Ärmeln mit einer blauen Jeans. In der Hand hielt er so eine typische braune Lehrertasche, welcher er in aller Seelenruhe auf dem Lehrerpult abstellte.

Sämtliche Gespräche innerhalb der Klasse waren verstummt, alle musterten wir den Mann.

Diesen schien das nicht sonderlich zu beeindrucken. Als ware es das Normalste auf der Welt, von 23 fast erwachsenen, noch halb pubertären Menschen angestarrt zu werden, holte er eine dunkelgrüne Mappe aus seiner Tasche, sowie ein Buch - vermutlich unser Mathematik-Buch - welches er vor sich auf das Pult legte.

Anschließend sah er auf seine Uhr, welche er an seinem linken Handgelenk trug. Rechtshänder also.

Pünktlich zum Klingeln befand sich ausnahmslos jeder an seinem Platz - ein Phänomen, was es so gut wie nie in dieser Klasse gab.

"Guten Morgen zusammen."

Ich konnte mir ein überraschtes Blinzeln nicht verkneifen. Auch viele andere - vor allem weiblichen Geschlechts- schnappten nach Luft.

Seine Stimme war angenehm tief. Kein super tiefer Bass, sondern eher ein warmer Bariton. Allerdings nicht warm, sondern mit einer leichten Kühle. Während er diese drei simplen Worte gesagt hatte, hatten seine Worte so gewählt geklungen, als hätte er sich vorher gefragt, wie er uns begrüßen solle.

Sprachlos starrten wir ihn alle an, niemand sagte auch nur ein Wort.

Ein leichtes, fast schon unscheinbares Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel.

"Setzen."

Stumm saßen wir nun alle an unseren Plätzen und sahen zu diesem jungen Lehrer, welcher noch immer kein weiteres Wort gesagt hatte, sondern einfach nur still schweigend da stand und uns ansah.

Schließlich kam Regung in ihn.

Er drehte sich zur Tafel und nahm sich ein Stück Kreide. Kurz darauf war nur das leise Knirschen der Kreide zu hören, als er begann, etwas an die grüne Tafel zu schreiben.

Als er fertig war, drehte er sich wieder zu uns.

"Ich bin euer neuer Lehrer für die Wissenschaften der Mathematik, sowie der französischen Sprache. Mein Name ist Mr. Malek."

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt