|·Neunundzwanzig·|

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Die Zeit verging und inzwischen war es bereits Ende März. Die Beziehung zwischen Rami und mir könnte nicht besser sein. Zwar mussten wir uns immer heimlich treffen, jedoch waren diese Wochenende in vollkommener Zweisamkeit, und mit Jaques natürlich, einfach perfekt.

So langsam begann bei uns die Vorbereitung der Prüfungsphase, jedoch vielen mir die meisten Fächer ziemlich leicht, sodass ich nicht sonderlich eingespannt diesbezüglich war. Auch Mathe hatte sich gebessert. Manchmal erklärte Rami mir den Stoff, jedoch hatte ich ihm strikt verboten, mich auch nur in irgendeiner Art und Weise zu bevorzugen oder besser zu benoten als verdient. Und daran hielt er sich auch. In den Stunden waren wir beide nur Lehrer und Schüler. Niemand, nicht einmal Luise, schöpfte Verdacht, dass da mehr zwischen uns sein könnte.

"Aufgeregt?"

Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich den Blick von dem Armaturenbrett löste und zu Rami sah.

Wir waren zu seinen Eltern gefahren. Beziehungsweise gerade angekommen. Obwohl ich meine Bedenken gehabt hatte, hatte Rami sie ziemlich schnell entkräftet. Er sagte, dass seine Eltern keinen Wert auf das Alter oder die Herkunft der Partner ihrer Kinder legte. Wie er erzählt hatte, war sein Bruder, der Schauspieler, mit einer Frau zusammen, die halb so jung war wie er selbst.

"Etwas", antwortete ich auf seine Frage hin, was Rami schmunzelnd ließ. Er beugte sich zu mir rüber und gab mir einen kurzen Kuss.

"Das brauchst du nicht, Charlie. Versprochen!", murmelte er gegen meine Lippen, bevor er diese erneut auf meine legte. Lächelnd erwiderte ich diesen zärtlichen Kuss, löste mich dann aber vorsichtig.

"Wir sollten deine Eltern nicht warten lassen, hm?"

Gespielt beleidigt zog Rami einen Schmollmund, lächelte dann aber und schnallte sich ab. Ich tat es ihm gleich, bevor ich aufstand. Rami nahm sanft meine Hand und drückte sie, bevor wir zu der Tür des Einfamilienhauses liefen, in dem Ramis Eltern lebten.

Noch bevor Rami klingeln konnte, wurde von innen die Tür aufgerissen und eine Frau mittleren Alters mit braunen Locken rannte Rami entgegen und drückte ihn fest an sich, weshalb er meine Hand loslassen musste. Von Fotos, die er mir gezeigt hatte, wusste ich, dass die Brünette seine Mum Yanara war.

Die beiden tauschten ein paar Sätze auf Ägyptisch-Arabisch aus, welche ich leider nicht verstand, ehe sich Yanara an mich wandte.

"Du bist dann bestimmt Charlotte.", sagte sie mit gebrochenem, aber durchaus verständlichen Englisch.

Und noch bevor ich irgendwas erwidern konnte, kam die mir eigentlich so fremde Frau auf mich zu und schloss mich ebenfalls in die Arme. Etwas perplex stand ich da, wusste vor Schreck nicht wirklich was ich machen sollte.

Rami grinste mich belustigt an, weshalb ich ihm einen kurzen bösen Blick schenkte. Blödmann.

"Es ist so schön, dich kennen zu lernen, Charlotte! Rami hat schon so viel erzählt und- Ach wo bleiben denn meine Manieren? Ich bin Yanara!", plapperte Ramis Mutter aufgeregt los, nachdem sie sich gelöst hatte. Ich wusste jetzt schon, dass ich sie gern hatte. Sie wirkte so warm und mütterlich, man musste sie einfach gern haben!

Im Haus brachte Yanara uns ins Wohnzimmer, wo auch Ramis Vater, Teremun, saß. Ihm sah man das Alter etwas mehr an. Seine braunen Haare verfärbten sich bereits etwas ins Graue, jedoch waren seine Augen umrahmt von vielen kleinen Lachfältchen. Rami hatte erzählt, das Teremun hier als Kindergärtner gearbeitet hatte.

Anders als Yanara umarmte er mich nicht, sondern gab mir die Hand. Zögerlich erwiderte ich den Händedruck. Teremun lächelte, sodass sich ein Grübchen auf seine linke Wange legte.

"Einen festen Händedruck hat sie, das gefällt mir!", sagte er im perfekten Englisch. Ich wurde leicht rot, was die beiden Männer zu amüsieren schien.

Kurz nach uns kam auch Ramis Schwester Yasmine und deren Ehemann Thomas dazu. Natürlich war es unter den Familienmitgliedern erst einmal ein großes Hallo, während Thomas und ich erstmal etwas unbeholfen daneben standen.

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"Du kannst doch nicht schon voll sein, du hattest erst zwei Stuck!". Fast schon empört sah Yanara zu mir, ich jedoch hob abwehrend die Hände.

"Ich platze, der Kuchen war so-"

"Ich nehme gern noch ein Stück, Mama!", fiel Rami mir ins Wort, woraufhin er einen Schlag von seiner Schwester Yasmine gegen den Oberarm kassierte.

"Du hattest schon vier!", beschwerte sie sich.

"Sagt die, die selbst schon am fünften Stück kaut!", schoss Rami sofort zurück, weshalb Yasmine beleidigt das Gesicht verzog und ein "Stimmt gar nicht!" von sich gab.

"Das ist hier immer so zwischen den beiden!", erklärte Thomas leise, welcher zu meiner Rechten saß. Doch anscheinend hatten die Geschwister seine Worte gehört, denn beide drehten sie den Kopf zu ihm und fast einstimmig erklang ein "Stimmt nicht!" von ihnen, weshalb wir schlussendlich alle lachen mussten.

Belustigt gab Yanara ihrem Sohn schlussendlich doch, nachdem sie sich zweimal vergewissert hatte, dass ich und Thomas nichts mehr wollten, Rami das letzte Stück des Kuchens.

Nach dem Essen - Yanara hatte ihre beiden Kinder und ihren Schwiegersohn zum Abwasch genötigt - gab Teremun mir ein Zeichen ihm zu folgen. Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich ihm nach draußen in den Garten, wo wir beide uns auf einer Hollywood-Schaukel niederließen.

Ich war etwas nervös. Rami hatte mir erzählt, das sein Vater sich Zeit ließ, um sich sein Urteil über die Partner seiner Kinder zu fällen. Und ich hoffte, nicht in seiner Missgunst zu liegen.

"Liebe ist sonderbar, nicht?", fragte Teremun nach einer Weile, in der wir wortlos auf der Schaukel gesessen hatten. Seine Worte galten mir, jedoch richtete sich sein Blick in die Ferne, an einen Punkt, den nur er zu sehen vermochte.

Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, fuhr er fort.

"Liebe kommt und geht. Sie macht uns glücklich, doch kann sie uns auch zerstören."

Teremut drehte den Kopf zu mir. Neugier lag in seinem Blick.

"Was sagst du dazu, Charlotte?", fragte er nach einer Weile bedächtig nach.

"Ich denke, dass man Liebe nicht definieren kann. Sie ist Fluch und Segen zugleich. Doch weiß ich, dass es immer an den beiden Betroffenen liegt, den Segen als Segen zu lassen und ihn nicht in einen Fluch zu wandeln."

Teremet lächelte.

"Ich denke, ich verstehe, weshalb mein Sohn so viel für dich empfindet.", sagte er und neugierig sah ich ihn an.

Doch Teremet lächelte nur, blickte wieder in die Ferne.

"Ich merke es, wie er sich um dich kümmert. Wie er mit dir umgeht. Wie er dich ansieht."

Ich musste bei seinen Worten lächeln, Glück und Stolz überkamen mich.

"Versprich mir nur eins, Charlotte!"

Plötzlich war die Ruhe und Wärme aus dem Gesicht des älteren Mannes gewichen, Ernst regierte nun seine Mimik.

Schluckend sah ich zu ihm, was würde nun kommen?

"Breche ihn nicht. Ich sehe es, zum ersten Mal seit einer langen Zeit hat er seine Maske abgelegt. Bitte sei nicht der Grund, dass er sie wieder aufsetzt!"

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt