|·Fünf·|

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Ich kniff die Lippen aufeinander, senkte wieder den Blick. Meine Finger hatten sich in den Stoff meines Hoodies gekrallt. Was meinte er?

"Eigentlich hatte ich Sie her gebeten, um mit Ihnen über Ihr Verhalten in meinem Unterricht zu sprechen.", begann Malek mit seiner leisen, aber dennoch verständlichen Stimme.

"Aber ich denke nicht, dass dies in Ihrer jetzigen Verfassung gut-"

Er verstummte, als ich wütend den Kopf hoch und ihn ansah.

"Machen Sie jetzt etwa 'nen Rückzieher?", knurrte ich leise, fragte mich im selben Moment, woher ich diesen Mut nahm, ihn jetzt so anzufahren.

Mr. Malek seufzte leise.

"Miss Evans... Ich denke nicht, dass es Ihnen etwas nützt, wenn ich Sie nun belehre, obwohl es Ihnen merklich nicht gut geht. Sie spielen nach außen hin zwar eine glückliche, starke junge Frau, aber so, wie Sie hier vor mir sitzen, merkt man, dass sie weder stark, noch voller Glück sind."

Während mein Gegenüber sprach, wurde seine Stimme immer lauter und auch sein Gesicht verdunkelte sich. Sein Blick war nun eisig kalt und bohrte sich in meine Augen. Ich fühlte mich, als würde er mir bis auf den Grund meiner zersplitterten Seele sehen. Ich schluckte und senkte den Blick, unterbrach so diesen intensiven Blickkontakt.

Kurz war es still. Dann hörte ich, wie Mr. Malek sich erhob, sich kurz irgendwo hinbewegte, dann irgendein raschelndes Geräusch verursachte und sich schließlich vor mich stellte. Besser gesagt, vor mir auf die Knie ging.

Seine Hände nahmen vorsichtig meine verletzten in seine.

Bei der Berührung zuckte ich kurz unmerklich zusammen, sah zu ihm.

"Was haben Sie gemacht?", wollte er wissen und griff hinter sich. Wie ich kurz darauf erkannte, war es ein kleines Erste Hilfe Set, welches er wohl geholt haben musste.

"Fliesen und Fingerknöchel gehen nicht gerade Hand in Hand.", antwortete ich stumpf und sah ihm dabei zu wie er begann, meine Hände zu verbinden. Dabei hatte er konzentriert die Augenbrauen zusammen gezogen und arbeitete vor sich hin. Jedes Mal, wenn er meine Haut, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, berührte, überkam mich eine mir grundlose Gänsehaut.

"Ein weiteres Zeichen, dass Sie innerlich kaputt sind"

Ich sah von seinen Hände auf in sein Gesicht. Er jedoch blickte weiterhin auf das, was er tat, sprach jedoch weiter.

"Es ist ergeben, das Menschen, die unzufrieden mit sich oder allgemein unglücklich sind, sehr oft einen Ausweg in Selbstverletzung sehen. Nicht die Art wie Ritzen, aber so etwas, was auch Sie gerade getan haben, tun diese Menschen.", erklärte er seine vorherige Aussage und sah anschließend zu mir auf.

"Bitte versprechen Sie mir, dass es das letzte Mal war, das ich solche Verletzungen bei Ihnen sehe", flüsterte er, während er behutsam meine Hände zurück in meinen Schoß legte. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Es schien, als suche er in den meinen nach irgendeiner Art von Bestätigung, ein Versprechen, diese Art von Selbstverletzung nicht noch einmal zu tun.

"Wenn Sie sich so mit psychisch instabilen Menschen auskennen, dann wissen Sie bestimmt auch, dass diese Menschen diese Art von Versprechen nicht halten können", antwortete ich.

Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen und ein kurzer Schatten huschte über sein Gesicht. In diesen wenigen Sekunden wirkte er müde und ausgelaugt, doch war seine monotone Maske, wie ich nun erkannte, nach kurzer Zeit sofort wieder makellos.

"Ich hatte gehofft, Sie würden so nicht antworten", murmelte der Lehrer leise vor sich hin, ehe er sich erhob und an seinen Schreibtisch lehnte.

"Was ist mit Ihnen?", fragte ich schnell. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass es ihm nicht sonderlich anders ging, als mir. Auch wenn das nun etwas komisch klang.

"Was soll sein?", fragte Mr. Malek zurück, kreuzte dabei unbewusst die Arme vor der Brust.

"Die meisten Menschen, die die Schmerzen anderer Menschen erkennen, fühlen oder fühlten diesen Schmerz auch. Und das Sie gerade die Arme vor der Brust verschränkt haben, was eine unbewusste Abwehrhaltung eines Menschen ist, verstärkt mich nur in meinem Verdacht!"

Mr. Malek sagte kein Wort. Allerdings sah ich ihm an, wie er überlegte. Hatte ich mit meiner Vermutung ins Schwarze getroffen?

"Ich denke nicht, dass Ihre Vermutungen etwas mit der Realität zu tun haben, Miss.", lautete seine stumpfe Antwort. Das sich seine immer noch ineinander verschränkten Arme leicht anspannten, war für mich ein Zeichen, dass ich wahrlich genau ins Schwarze getroffen hatte.

"Was ist es bei Ihnen?", fuhr ich unwirsch fort, ignorierte seine letzte Aussage und sah ihm fest in die Augen. Nicht umsonst wurden sie die Spiegel der Seele genannt. Wenn er irgendwie reagierte, so würde ich die Wahrheit in seinen Augen erkennen, hundertprozentig.

"Miss Evans, dieses Gespräch ist beendet.", blockte Mr. Malek ab.

"Finde ich nicht. Erst wollen Sie mir erzählen, dass es wahnsinnig dumm ist, sich selbst zu verletzen, aber dann, wenn ich merke, dass Ihnen nicht anders geht, blocken Sie ab?! Das kommt mir ein bisschen seltsam vor, Mr. Malek!", fauchte ich ihn an, stand dabei von meinem Stuhl auf, sodass wir nun genau gegenüber voneinander standen. Ich musste etwas zu ihm aufsehen.

"Sie sollten gehen, Miss Evans. Und zwar sofort.", sagte der Lehrer mit einem wütenden Blitzen in den Augen.

"Was, wenn nicht?", fragte ich nach, verschränkte nun auch meine Arme vor der Brust. Ich würde jetzt ganz gewiss nicht gehen. Auch Mr. Malek versteckte etwas und auch er war - genau wie ich - ein hervorragender Schauspieler. Und solche psychisch instabilen Menschen konnten einander nicht belügen, so viel stand fest.

"Ich, sagte, dass Sie VERSCHWINDEN SOLLEN!". Mit einem lauten Donnern schlug Mr. Malek seine Hand neben sich auf den Schreibtisch. Sein gesamtes Gesicht war vor Wut verzerrt und auch seine Stimme war zu einem gefährlichen Knurren geworden.

Blinzelnd trat ich einen Schritt zurück. So wütend hatte ich ihn noch nicht erlebt. Er wirkte wütend, aber auch ein bisschen verwirrt auf mich. Und zum ersten Mal merkte ich, dass er seine sonst so monotone Maske richtig verloren hatte.

"Sie. Sollten. Gehen.", stieß Mr. Malek zwischen zusammen gebissen Zähnen hervor. Ich schluckte, war ich vielleicht doch etwas zu weit gegangen?

"Mr. Malek, ich-"

"VERSCHWINDE!", brüllte der Lehrer und fegte mit einer aufgebrachten Handbewegung einen Stapel Papier vom Schreibtisch.

Erschreckt zuckte ich zusammen, ehe ich eilig meine Tasche schulterte.

Eilig lief ich zur Tür seines Büros, sah ein letztes Mal zu ihm zurück.

Mr. Malek hatte sich auf seinem Schreibtisch abgestützt, den Rücken zu mir gedreht. Dieser bebte leicht und ein schlechtes Gewissen überkam mich.

Er wirkte sonst immer so stark. Aber vermutlich war er wirklich mental so schwach und kaputt, wie ich es auch war.

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt