Wir beide schwiegen. Irgendwie passte sein Zitat, irgendwie auch nicht.
"Woher nehmen Sie immer diese ganzen Zitate?", wollte ich nach einiger Zeit neugierig wissen.
Mr. Malek löste unsere Hände und deutete mit seiner Hand auf ein Bücherregal, welches mir bis dato nicht aufgefallen war.
"Darf ich?"
Mr. Malek lächelte und nickte leicht. Ich erhob mich also und ging neugierig zu dem Regal, spürte dabei seinen Blick auf mir. Vor dem kleinen Regal blieb ich stehen, legte leicht den Kopf schief um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können.
Größtenteils standen dort Zitat- und Sprüchesammlungen von den verschiedensten Persönlichkeiten oder Bände, die allem Anschein nach die Weisheiten mehrerer Menschen beinhalteten.
Unwillkürlich musste ich daran denken, wie Mr. Malek wohl an einem Abend in seinem Sessel saß und sich eines dieser Bücher durchlas, vielleicht sogar über sie nachdachte, was ihre Bedeutung war. Ja, so konnte ich ihn mir gut vorstellen.
Ich merkte, wie er neben mich getreten war, weshalb ich zu ihm aufsah.
"Sie haben mir geholfen, als es mir ging wie dir.", sagte er mit gedämpfter Stimme, ließ dabei seinen Blick über die ordentlich nebeneinander aufgereihten Bücher gleiten. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
"Deshalb können Sie also so gut mit Ihren Worten umgehen... oder?"
Mr. Malek sah zu mir.
"Empfinden Sie so, dass ich das gut kann?", fragte er, leichte Überraschung schwang in seiner Stimme mit.
"Ja. Wenn Sie sprechen, hat man immer irgendwie das Gefühl, als hätten Sie sich ihre Worte sorgfältig zurecht gelegt. Sie haben eine angenehme Stimme, die das noch einmal unterstreicht. Ich denke, vor allem deshalb haben wir alle Sie gern im Unterricht. Sie sprechen autoritär, aber gleichzeitig so... so... ach keine Ahnung. Sie wirken nicht super streng, aber auch nicht wie jemand, der die Klasse nicht unter Kontrolle hat, verstehen Sie?"
Mit roten Wangen sah ich zu ihm. Erkannte, das zum allerersten Mal ein richtiges Lächeln auf Mr. Maleks Lippen lag. Kein kurzes Lächeln, kein Zucken der Mundwinkel, ein richtiges, echtes Lächeln.
Irgendwie war ich in diesem Moment stolz darauf, dass er richtig lächelte. Das er so lächelte, wegen den Worten, die ich zu ihm gesagt hatte.
"Möchten Sie wissen, wie Sie sprechen?", fragte Mr. Malek langsam, fast schon vorsichtig und sah zu mir. Neugierig nickte ich.
"Sie sind eine Mischung aus vielem. Gegenüber ihren Mitschülern wirken Sie aufgeschlossen, manchmal etwas mütterlich. Wenn Sie in der Schule mit mir sprechen, achten Sie darauf, was Sie sagen oder Sie versuchen, Ihre Emotionen für sich zu behalten. Sprechen Sie hier mit mir, denke ich, dass es Ihre richtige Art ist zu sprechen. Sie überlegen kurz etwas, aber das Meiste, was Sie sagen, kommt aus Ihrem Inneren, aus Ihrer Seele. Sie sind offen, aber dennoch zurückhaltend, als würden Sie abschätzen, ob Sie die Erlaubnis haben, etwas anzusprechen oder ob Sie ihre Gedanken lieber für sich behalten sollen."
Wow. Ich war sprachlos. Das ihm diese vielen Details aufgefallen waren, hatte ich gar nicht gedacht. Ich sah zu ihm auf.
Mr. Malek schmunzelte nur, ehe er von mir weg trat und sich wieder in seinen Sessel setzte. Nach kurzem Zögern folgte ich seinem Beispiel und ließ mich wieder auf dem Sofa nieder.
Wir schwiegen. Mr. Malek trank einen Schluck seines Wassers, ich sah stumm vor mich hin.
"Was werden Sie nun wegen Ihrem Vater tun, Charlotte?", fragte Mr. Malek nach einiger Zeit leise, legte dabei vorsichtig seinen Kopf zur Seite.
Ich seufzte.
"Ich weiß es nicht. Alles daran setzen, in Mathe besser zu werden, schätze ich!"
Mr. Malek nickte kurz, seine Mimik hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen.
"Darf ich Ihnen vielleicht einen Rat, besser gesagt einen Vorschlag geben?"
Ich nickte, machte mich innerlich schon auf eines seiner vielen Zitate bereit. Doch ausnahmsweise folgte nun keine Anekdote, sondern eine ganz normale Aussage. Gut, diese hätte auch ein Zitat von ihm sein können.
"Sie sollten sich ein Ziel suchen, weshalb Sie versuchen, die Mathematik zu verstehen, Charlotte. Zum Beispiel, um Ihrem Vater zu zeigen, dass Sie durchaus Mathe verstehen können. Oder Sie machen es für sich selbst oder eine andere Person, die Ihnen wichtig ist. Ich weiß, dass Sie das können, Charlotte. Ich weiß, dass Sie es schaffen können."
Ich nickte leicht.
"Danke. Für alles."
Mr. Malek lächelte sanft.
"Nicht dafür, Charlotte."
•••••×•••••
Als ich an diesem Abend im Bett lag, kreisten meine Gedanken ununterbrochen um das Gespräch heute. Sonderlich lang war ich nicht mehr geblieben.
Ich fand es lieb von ihm, dass er versuchte mir zu helfen. Und ich war irgendwie dankbar, dass er nicht vorgeschlagen hatte, mir Nachhilfe zu geben. Ich denke, wir beide wussten, dass das zu viel werden würde. Ich meine, wir redeten über Dinge, die uns wichtig waren und über die wir mit niemandem sonst sprachen. Béatrice hatte vermutlich rechtgehabt: zwei gebrochene Menschen konnten sich wirklich helfen.
Auch in den nächsten Tagen und Wochen merkte ich, dass es mir geholfen hatte. Wir hatten uns zwar nicht mehr getroffen, weil Mr. Malek keine Zeit gehabt hatte, aber ich merkte, das es mir besser ging. Dad war für eine halbe Woche kurz da gewesen, doch da hatte ich ihn weitestgehend ignoriert und war auf meinem Zimmer geblieben.
Inzwischen war der Winter herein gebrochen und es hatte begonnen zu schneien. Ich hatte mich oft mit Luise und Jack getroffen, einmal waren wir sogar Schlittschuhlaufen gewesen, aber leider nur in einer Halle.
Die große Aufregung brach zwei Wochen vor den Weihnachtsferien aus...
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Ich weiß, heute ist es ein bisschen langweilig, aber ab dem nächsten Kapitel geht es wieder "richtig" weiter
Habt ein schönes Wochenende und bleibt gesund❤️
- Lissy
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✓|Addicted to my Teacher
Teen Fiction»Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht« Jeder Mensch trägt eine Maske mit der er versucht, sein wahres inneres Ich vor der Außenwelt zu verstecken. Auch Charlotte -kurz Charlie- ist so jemand. Immer ein Lächeln auf den Lippen läss...