Still saß ich an mein Bett gelehnt auf dem Vorleger, Jaques halb auf meinen Beinen. Während ich ihn mit der einen Hand langsam streichelte, hielt ich in der anderen mein Handy.
Zwei Tage war es inzwischen her, dass ich das Bewusstsein verloren hatte. Wie Mr. Malek geschrieben hatte, hatte Béatrice mich für die Schulwoche abgemeldet. Luise schickte mir Nachmittags immer die Schulsachen, damit ich diese nachholen konnte.
"Was soll ich machen, Jaques?", fragte ich meine Bulldogge, die, als sie ihren Namen hörte, kurz den Kopf hob, ihn dann aber sofort wieder auf meine Beine legte. Eine sehr große Hilfe.
Seufzend sah ich auf das erhellte Display und auf den kurzen Chat von Mr. Malek und mir. Auch wenn es sich mächtig seltsam anfühlte mit dem eigenen Lehrer zu texten, taten wir das seit gestern Vormittag.
Ich hatte ihm erst nur geschrieben gehabt, um mich zu bedanken, jedoch war daraus irgendwie eine etwas längere digitale Unterhaltung geworden. Größtenteils jedoch nur darum, was geschehen war und die Matheklausur, welche er mir auf den Tisch gelegt hatte.
Gerade sah ich auf die Nachricht, die er vor einer halben Stunde geschrieben hatte.
Ich denke, dass wir beide wissen, das wir uns dringend unterhalten müssen, Miss Evans. Wann fühlten Sie sich bereit dazu?
Anfangs hatte ich wegen seiner
- wie immer sehr gewählten - Wortwahl schmunzeln müssen, doch inzwischen saß ich einfach nur da und starrte die Nachricht an.Ja, er hatte Recht. Wir müssten uns eigentlich wirklich mal unterhalten. Nicht nur über mögliche Mathenoten, wie wir es gestern schon einmal kurz angeschnitten hatten. Auch über dieses... man konnte es schon ein bisschen so nennen... Psychospiel zwischen uns beiden. Ich meine, es war doch eigentlich nicht normal, das er mich psychisch so fertig machte. Denn das war ihm, wie er geschrieben hatte, ebenfalls aufgefallen.
Ich seufzte.
Ich fühlte mich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite wollte ich unbedingt dieses Gespräch, auch wenn es psychisch gesehen sicherlich nicht einfach werden würde. Ich wollte endlich Antworten, auch was meine, als auch Béatrice' Vermutungen und Gedanken bezüglich ihn betrafen.
Auf der anderen Seite jedoch war mir auch bewusst, dass es für ihn gefährlich sein könnte, sich mit mir zu treffen. Er war schließlich immer noch mein Lehrer. Wenn uns auch nur einer sehen würde, würde dass sicherlich Fragen aufwerfen und sich wie ein Lauffeuer in der Schule verbreiten.Allerdings hatte er das ja vorgeschlagen. Und genau gesehen taten wir ja nichts verbotenes, oder?
Mit neuem Mut schrieb ich ihm eine kurze zustimmende Nachricht zurück. Würde schon irgendwie werden.
Ich sah hinunter zu Jaques, welcher noch immer meine Streicheleinheit in vollsten Zügen genoss. Hund müsste man sein.
Das leicht vibrierende Handy lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und ich sah drauf.
Mr. Malek hatte geantwortet. Hä? Hatten wir nicht eigentlich jetzt Unterricht bei ihm? Neugierig öffnete ich seine Nachricht und las diese. Er würde mir nachher eine Adresse schicken, zu welcher ich kommen sollte.
Ich schrieb ihm ein kurzes Danke zurück, konnte mir jedoch nicht die Frage verkneifen, weshalb er während der Unterrichtszeit am Handy war.
Die beiden Nachrichten wurden sofort gelesen und aus dem 'Online' wurde ein 'Schreibt...' .
Die Klasse macht eine Gruppenarbeit. Mir persönlich ist nur etwas langweilig.
Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf meine Lippen. So seltsam diese gesamte Situation auch war, es war irgendwie lustig so eine Nachricht von ihm zu bekommen.
Vorsichtig stand ich auf - was Jaques mit einem leisen Winseln und traurigem Hundeblick kommentierte. Entschuldigend sah ich zu ihm hinunter. "Sorry, Jaques... heute Abend wieder, ja?"
Jaques gab ein unzufriedenes Geräusch von sich, blieb dann aber liegen. Ich hingegen verließ mein Zimmer, traf dabei im Flur auf Tante Béatrice, welche auch gerade aus ihrem Zimmer gekommen war.
"Na, ma fille? Wie geht es dir?", fragte sie vorsichtig nach und fühlte, wie jeden Tag, ob ich Fieber hatte.
"Gut, Béatrice. Alles in Ordnung!", lächelte ich, ehe wir zusammen nach unten gingen.
" 'ast du disch bei Monsieur Malek gemeldet?", wollte meine Tante vorsichtig wissen, während sie in ihrem Kaffee, den sie für sich gemacht hatte, herum rührte.
"Ja, hab ich!", antwortete ich, sah dabei in meine Kakaotasse.
"Und? Was passiert nun?", fragte die Französin weiter und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch.
"Ich treff mich morgen mit ihm!"
"Mais non!"
Fragend sah ich sie an. Hatte sie nicht immer gewollt, dass er und ich miteinander redeten? Was war denn jetzt auf einmal los?
"Dein Vater kommt morgen wieder... 'ast du das schon wieder vergessen?"
Gerade so konnte ich mir ein Seufzen verkneifen. Stimmt ja, da war ja was. Dad würde morgen mal wieder nach Hause kommen.
"Ich hab jetzt aber schon zugesagt, Béatrice!", rief ich aus, sah sie dabei hilfesuchend an. Was sollte ich denn jetzt bitte machen? Mr. Malek absagen? Aber wann würden wir dann endlich sprechen können?
"Wann wollt ihr eusch denn treffen? Daniel meinte am Telefon, dass er gegen Abend erst 'ier ist!", schob Béatrice noch hinterher, weshalb ich leise aufatmete. Ich hatte also doch Zeit.
"Ich denke, so Vormittag gegen Mittag. Mr. Malek will mir nachher noch genauere Details schicken!", erklärte ich und Béatrice nickte verstehend.
"Isch glaube, dass das eusch beiden gut tu'en wird", sagte sie, lächelte dann, als sie meinen leicht fragenden Blick auffing.
"So, wie du immer erzählst, und so, wie er gewirkt 'at vor zwei Tagen, wird es ihm, glaube isch, gut tu'en, zu reden. Und dir auch, ma fille. Wie 'ast du es letztens genannt? Psychisch instabil? Wenn dem wirklisch so ist, dann könnt ihr eusch gegenseitig vielleischt 'elfen, weil ihr vermutlisch versteht, wie es dem anderen geht, as-tu compris?"
Ich nickte langsam. Irgendwie ergaben ihre Worte durchaus Sinn.
"Vielleicht reden wir aber auch nur über Mathe... Das wollte er nämlich auch ansprechen...", warf ich ein, doch Béatrice schüttelte den Kopf.
"Isch verwette meine 'and darauf, dass ihr über Psysche und so was reden werdet. Isch 'ab es so im Gefühl, ma fille!", erklärte sie sich und nahm über den Tisch hinweg meine Hand, drückte sie leicht.
"Isch bin mir sicher, dass es dir auch danach besser gehen wird, ma fille.", sagte sie, hatte dabei ein leicht trauriges Lächeln auf den Lippen. Ich wusste, dass Mum, als sie in meinem Alter gewesen war, auch so etwas ähnliches wie ich durchgemacht hatte, dass hatte Béatrice mir einmal erzählt, als das alles hier angefangen hatte. Als Dad mit dem Notendruck, vor allem in Mathe, angefangen hatte.
Denn auch, wenn sie es abstreiten würde, würde ich sie darauf ansprechen, wusste ich, dass Tante Béatrice zu mindestens 40 Prozent hier aufgetaucht war, weil sie sich Sorgen gemacht hatte. Sie war ein feinfühliger Mensch, sie merkte, wenn es ihren Mitmenschen schlecht ging und hatte, wie sie mir einmal, als ich jünger gewesen war, erklärt hatte, dieses Gefühl für ihre gesamte Familie.
Sie hatte auch gemerkt, dass es Mum nicht gut ging, weshalb sie drei Wochen vor Mums Tod überraschend bei uns aufgetaucht war.
Vorsichtig drückte ich Béatrice Hand und versuchte, aufmunternd zu lächeln.
Ich war mir sicher, dass es bald besser werden würde. Zumindest würde ich dafür alles geben, das war ich meiner Tante schuldig.
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✓|Addicted to my Teacher
Teen Fiction»Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht« Jeder Mensch trägt eine Maske mit der er versucht, sein wahres inneres Ich vor der Außenwelt zu verstecken. Auch Charlotte -kurz Charlie- ist so jemand. Immer ein Lächeln auf den Lippen läss...