"Bonjour, mes élèves."
"Bonjour, Monsieur!"
Kurz war Stuhlrücken zu hören, dann war es wieder vollkommen still im Klassenzimmer. Wir sahen zu Mr. Malek, welcher an sein Pult gelehnt da stand.
Wir behandelten in dieser Stunde nicht viel Neues. Es war eigentlich genau wie in Mathe - er gab uns Widerholungsaufgaben, die wir lösen sollten.
"Psst... Charlie"
Ich drehte meinen Kopf leicht zu Luise, welche mir einen kleinen Zettel hinschob.
Ich nahm ihn und faltete ihn leise auseinander.
Wie bildet man nochmal das Imparfait?
Ich musste kurz schmunzeln. Während Luise das absolute Mathegenie war, so war ich das 'Genie' in Französisch.
Ich wollte gerade ansetzen, ihr eine zusammenfassende Erklärung zu schreiben, als mir der Zettel plötzlich vor der Nase weggeschnappt wurde. Erschreckt sah ich auf, direkt in das Gesicht von Mr. Malek, der nicht gerade begeistert zu mir und Luise sah.
"Möchte eine von Ihnen mir vielleicht erklären, weshalb Sie es für nötig halten, während der Übungszeit Zettel zu schreiben und sich nicht auf die Aufgaben zu konzentrieren?", wollte er leise wissen, wobei seine Stimme einen gefährlichen Unterton angenommen hatte, jedoch immer noch ruhig klang.
"I-ich... ich hab sie etwas gefragt", nuschelte Luise neben mir leise und senkte den Blick. Ich wusste, wie sehr sie es hasste, vor einem Lehrer negativ aufzufallen.
"Und was?", wollte Mr. Malek wissen, ließ Luise dabei nicht aus den Augen. Meine beste Freundin schien unter seinem Blick vollkommen in sich zusammen zu schrumpfen.
"Lesen Sie doch einfach den Zettel!"
Mr. Malek blinzelte und Luise neben mir schnappte leise nach Luft, ehe sie ein leises, entrüstetes "Charlie!" ausstieß. Ich jedoch sah hoch zu Mr. Malek.
"Wie war das?", fragte er leise.
"Sie sollen den Zettel lesen. Dann wissen Sie, was Luise wissen wollte! Ist doch nicht schwer, oder?", knurrt ich leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Mir gingen Menschen auf die Nerven, die einen erst aushorchten, obwohl sie sämtliche Antworten eigentlich schon hatten. In diesem Fall hatte er es ja sogar in der Hand!
Es war still. Man hätte eine Nadel hören können, wäre sie runter gefallen.
Alle sahen mich an, einige verwundert, andere schockiert und wieder andere - wie zum Beispiel Marcel und seine Freunde - belustigt.
Unbeeindruckt lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und sah trotzig zu Mr. Malek. Der sah mich aus kalten Augen an. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen und seine rechte Hand, die dem Zettel hielt, hatte sich verkrampft.
"Raus. Und nach der Stunde in mein Büro."
Er sprach so leise, dass ich ihn fast nicht verstanden hätte. Ein tiefes Knurren lag in seiner Stimme, was mir eine Gänsehaut verpasste.
"Bitte!", spuckte ich ihm förmlich entgegen, erhob mich, nahm meinen Rucksack und meine Sachen und stolzierte erhobenen Hauptes aus dem Klassenzimmer. Natürlich ließ ich es mir nicht entgehen, die Tür so richtig schön laut zu zuknallen.
Ruhig lief ich bis zum Mädchenklo und erst, als ich mich in der hintersten, dunkelsten Kabine eingesperrt hatte, sank ich zu Boden.
Fuck.
Mein gesamter Körper begann unkontrolliert zu zittern und ich kniff die Lippen zusammen, damit keine verräterischen Laute heraus brechen konnten.
Was hatte ich mir nur gedacht? Mich am nicht einmal zweiten Tag mit meinem Lehrer anzulegen. Dazu kommend mit dem Lehrer, der das letzte Wort über meine Mathe-Noten hatte. Scheiße!
Heiße Tränen liefen mir übers Gesicht und innerlich beschimpfte ich mich, mal wieder eine zu große Klappe zu haben. Ich fühlte mich, als würde mir jemand die Kehle zu schnüren und dann zupacken.
"Du dummes, erbärmliches Etwas!", schalt ich mich selbst, schlug mir dabei etwas gegen den Arm. Doch das half nicht. Ich musste irgendwas finden, was mehr weh tat. Irgendwas, was mich davon abhielt, zurück zu rennen und um Entschuldigung zu betteln. Das würde ich mir nie verzeihen, da war mir mein Stolz zu wichtig.
Frustriert schlug ich gegen die alte geflieste Wand. Immer und immer wieder. Kein Wort verließ dabei meine Lippen. Nur die Tränen flossen unaufhaltsam, vernebelten meine Sicht, sowie meine Gedanken.
Ich bekam gar nicht mit, wie lange ich hier, eingesperrt in einer stickigen Klo-Kabine saß und meine Hand gegen die Wand hämmerte. Doch irgendwann saß ich einfach nur noch da und weinte. Ich fühlte mich erbärmlich. Dumm. Kindisch.
Als es klingelte sah ich zum ersten Mal auf. Jetzt war die Französisch-Stunde vorbei, genau wie der eigentliche Unterricht. Jack, Luise und die anderen würden nun nach Hause gehen. Und ich, ich musste nun Mr. Malek gegenüber treten.
Schwankend kam ich auf die Beine. Meine Hand, sowie mein Kopf schmerzten und beim Gehen musste ich mich leicht an der Wand abstützen, um nicht Bekanntschaft mit dem Boden zu machen.
Das Gegen-die-Wand-hauen war vielleicht doch nicht so ne gute Idee gewesen.
Bevor ich die Toilette verließ, sah ich noch einmal in den Spiegel. Und Scheiße sah ich beschissen aus.
Meine roten Locken waren vollkommen zerzaust. Meine braunen Augen gerötet und auf meinen Wangen zeichneten sich Tränenspuren ab. Auch meine leicht blutigen Hände mit den geschwollenen Fingerknöcheln sahen nicht unbedingt super aus.
Toll gemacht, Charlie. Richtig toll gemacht.
Vorsichtig wusch ich mir das Gesicht, ignorierte dabei den brennenden Schmerz meiner Hände, wenn sie in Kontakt mit dem Wasser kamen. Anschließend machte ich mich auf den Weg nach oben zu Mr. Maleks Büro.
Wieso musste der Typ sein Büro ganz oben haben?
Mit üblen Seitenstechen kam ich schließlich in der obersten Etage unserer Schule an.
Vorsichtig klopfte ich an der dunklen Bürotür. Neben ihr an der weiß verputzten Wand hing ein Schild mit der Aufschrift:
"R. Malek - Mathematik/Französisch"
Die Tür öffnete sich und eilig senkte ich den Kopf. Irgendwie wollte ich nicht, dass er mich so sah. Obwohl er es auch so tat. Ich merkte, wie sich sein Blick auf mich heftete und schrumpfte unter seinem Blick noch mehr zusammen, als ich es sowie so schon tat.
"Sie wollten mich sprechen?", versuchte ich mit möglichst monotoner und gefasster Stimme zu sagen, doch klangen meine Worte gepresst und noch immer etwas weinerlich, was auch dem jungen Lehrer auffiel.
"Ja... Kommen Sie rein."
Damit trat er zur Seite, damit ich eintreten konnte. Zögernd kam ich seiner auffordernden Bitte nach und hörte, wie er die Tür hinter mir wieder schloss.
"Setzen Sie sich, Miss Evans.", sagte er und deutete auf einen Stuhl vor einem ziemlich chaotischen Schreibtisch.
Während ich also auf diesem Platz nahm, ließ er sich hinter dem großen Chaos nieder und räumte einige Ordner und Papiere zur Seite, damit wir uns hätten ansehen können. Ich jedoch starrte auf meine Hose.
Oh, da ist ja ein kleines Löchlein, wie interessant...
"Jean-Louis Barrault", sagte Mr. Malek leise und verwirrt hob ich nun doch den Kopf, blickte direkt in seine dunklen Augen.
"Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht."
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✓|Addicted to my Teacher
Teen Fiction»Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht« Jeder Mensch trägt eine Maske mit der er versucht, sein wahres inneres Ich vor der Außenwelt zu verstecken. Auch Charlotte -kurz Charlie- ist so jemand. Immer ein Lächeln auf den Lippen läss...