Nervös zupfte ich mein Kleid zurecht. Heute war es soweit, heute würden Dad, Béatrice und ich zu Rami gehen. Heute würde ich ihnen Rami vorstellen.
Eigentlich hatte ich gewollt, das Rami zu uns käme, jedoch hatte dieser so lang diskutiert und argumentiert, bis ich schließlich nach gegeben hatte. Warum genau er das so wollte, hatte er nicht sagen wollen.
Béatrice und Dad hatten ziemlich überrascht reagiert, als ich ihnen gesagt hatte, dass ich ihnen in fünf Tagen meinen festen Freund vorstellen wolle.
Ich wusste noch, wie Dad geschluckt hatte, als ich ihnen vorab schon gesagt hatte, das mein Freund zehn Jahre älter als ich selbst war. Jedoch hatte er zugestimmt.
"Ma fille?"
Ich drehte mich um, sodass ich Béatrice in der Tür stehen sah. Sie trug eine zitronengelbe Bluse mit einer schwarzen Jeans. Ihre Haare hatte sie in einem hohen Pferdeschwanz gebändigt.
"Ja, Béatrice?"
Meine Tante kam zu mir ins Zimmer, nahm sanft meine Hände in ihre.
"Isch bin so stolz auf disch, ma fille!", sagte sie, eine einzelne Träne rann ihr über die Wange.
"Es ist mir egal, wenn dein petit ami älter ist als du, ma fille. So lange er disch glücklisch macht, ist für misch alles in Ordnung!", sagte sie, drückte mich sanft an sich.
(AN: petit ami = fester Freund)
"Aber er raucht nischt, oder? Und trinkt auch nischt?"
Ich lachte leise, ehe ich mich löste.
"Tut er nicht, Béatrice!"
Sie lächelte sanft und drückte meine Hand noch einmal, bevor sie mein Zimmer wieder verließ.
Ich drehte mich ein letztes Mal zum Spiegel. Ich hatte mich ausnahmsweise mal dazu entschieden ein Kleid zu tragen. Es war von dunkelblauer Farbe und ging mir bis zu den Knien. Zusätzlich hatte ich mir noch ein schwarzes Bolero-Jäckchen drüber geworfen. Meine Haare hatte ich einfach nur gründlich gekämmt, sodass sie mir nun im sanften Wellen über den Rücken fielen.
Ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich nicht nervös war. Denn das war ich. Ich hatte etwas Angst davor, wie Dad auf Rami reagieren würde. Oder Béatrice. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass sie es mehr verstehen würde. Eigentlich hatte ich das Ganze ihr zu verdanken, schließlich hatte ich auf ihren Ratschlag hin mit Mr. Malek gesprochen.
Ich atmete ein letztes Mal tief durch.
"Das wird, Charlie!", flüsterte ich mir selbst zu, ehe ich nach unten ging.
Die Fahrt zu Rami verlief größtenteils schweigend. Ich sah die meiste Zeit aus dem Fenster, dutzende Szenarien rauschten an meinem inneren Auge vorbei, wie dieser Abend enden könnte.
Als wir dann vor dem Zaun von Ramis Haus hielten, atmete ich einmal tief durch.
"Er wohnt schön...", brummte Dad leise in seinen nicht vorhanden Bart, als er die Altstadtvilla beäugte. Auch Béatrice nickte zustimmend.
Gefolgt von Dad und meiner Tante passierte ich das Tor und stieg die paar Stufen hinauf, ehe ich klingelte.
Meine Hände zitterten leicht, so nervös war ich.
Langsam öffnete sich die Tür und Rami stand in dieser. Er trug ein weißes Hemd mit Jeans, die Ärmel hatte er einmal umgeschlagen.
Kurz war es still, in der niemand so richtig wusste, was er tun oder sagen sollte.
"Dad, Béatrice... Das ist Rami!", sagte ich schließlich mit kratziger Stimme. Die beiden Angesprochenen blinzelten ein paar Mal. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Béatrice leicht schmunzelte, jedoch lag mein Hauptaugenmerk auf Dad, welcher nach wie vor kein Wort gesagt hatte.
"Daniel Evans.", stellte Dad sich schließlich vor und hielt Rami die Hand hin.
"Rami Malek, Sir!", erwiderte dieser, ehe er vorsichtig die Hand meines Vaters ergriff.
Nachdem wir alle unsere Jacken und Schuhe abgelegt und Rami mir eine kurze Umarmung hatte geben können, saßen wir nun in der Küche.
Rami hatte über die lange hölzerne Tischplatte mit den schönen Verzierungen am Gestell eine weiße Decke gelegt und hatte auch bereits gedeckt. Leise Radiomusik, nicht zu laut aber auch nicht zu leise, lief im Hintergrund.
Wir saßen gerade beim Essen. Rami hatte 'Ful & Ta'meya', ein ägyptisches Gericht bestehend aus Falafel und Bohnen, zubereitet. Er saß neben Béatrice, gegenüber meines Dads.
Bis jetzt war es hauptsächlich Smalltalk gewesen, den wir, größtenteils Béatrice, Rami und ich, gehalten hatten. Dad hatte meist nur stumm gegessen, hatte diese Situation auf sich wirken lassen.
"Wie kam es dazu?", fragte er nach einer Weile schließlich. Und obwohl diese Frage eigentlich an uns beide ging, wussten wir alle, dass es Rami war, der diese Frage beantworten sollte.
Er sah zu mir, fragend und nach einer Bestätigung suchend, dass er alles sagen durfte. Das entging Béatrice nicht und sie lächelte, als sie es mitbekam. Zur Bestätigung nickte ich Rami kurz zu, welcher sein Besteck neben seinen Teller legte, ehe er begann zu erzählen.
Er erzählte alles und es war auch für mich interessant zu hören, wie es aus Ramis Sicht gewesen war. So wusste ich zum Beispiel auch nicht, dass er sich Sorgen gemacht hatte, als er meine 'etwas angeknackste Psyche', wie er es genannt hatte, bemerkt hatte. Er erzählte, dass es ihm als Schüler eine Zeit lang auch so ergangen war, er jedoch besser damit hatte umgehen können.
Er erzählte auch, wie sehr ich ihm geholfen hatte, die Instabilität seiner Psyche in den Griff zu kriegen.
Dad sagte währenddessen kein Wort, jedoch merkte ich an seiner Köperhaltung, das er aufmerksam zuhörte. Auch Béatrice hörte zu, auch wenn sie manchmal ein paar Wortgruppen nicht so ganz verstand.
"Isch 'ab es dir gesagt, ma fille!", gab sie, nachdem Rami geendet hatte, als Kommentar. Die beiden Männer sahen fragend zu ihr, jedoch ging meine Tante nicht weiter darauf ein.
"Möchten Sie noch etwas wissen, Mr. Evans?", fragte Rami höflich, während er, da wir alle aufgegessen hatten, den Tisch abräumte und das Geschirr in die Spüle stellte, bevor er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm.
"Wie weit wirst du mit ihr gehen?", fragte Dad, ein leichtes fast schon umscheinbares Knurren hatte sich in seine Stimme gelegt.
"Soweit, wie sie es möchte. Ich weiß, wo meine Grenzen sind und diese halte ich ein!", antwortete Rami mit seiner warmen Stimme und zufrieden nickte Dad.
Dad nahm sanft meine Hand.
"Wisst ihr...", begann er, sein Blick wurde leicht traurig, als er mich ansah. Rami und Béatrice sahen ihn, genau wie ich, fragend an.
"Damals, als deine Mum noch lebte... Da habe ich immer gesagt, dass ich möchte, das du einmal in die Hände eines guten Mannes kommst, Charlie!", fuhr Dad fort, während er meine Hand drückte.
Ich schluckte leicht. Es kam nur sehr selten vor, dass Dad über Mum sprach, auch jetzt, so sich unsere Beziehung zueinander gebessert hatte. Und das er nun auch so vor Rami darüber sprach, gab mir ein gutes Gefühl. Als ich auf zu Béatrice sah, sah ich, dass sie das Gleiche dachte.
Dad löste den Blick von mir und sah zu Rami.
"Ich denke, dass du so ein Mann bist, Rami!"
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✓|Addicted to my Teacher
Teen Fiction»Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht« Jeder Mensch trägt eine Maske mit der er versucht, sein wahres inneres Ich vor der Außenwelt zu verstecken. Auch Charlotte -kurz Charlie- ist so jemand. Immer ein Lächeln auf den Lippen läss...