Die Hände hinter dem Rücken, lief Mr. Malek hinter seinem Schreibtisch auf und ab. Ich - wieder - auf dem Stuhl davor.
"Was haben Sie sich bei dieser Aktion bitte gedacht?"
Stumm sah ich auf, direkt in Mr. Maleks Gesicht, welcher mir gegenüber hinter seinem Schreibtisch stand. Als ich seinen monotonen, leicht erzürnten Blick auf mir spürte, senkte ich den Blick wieder. Nicht jetzt, bitte.
"Sie wissen, dass es den Schülern nicht erlaubt ist, das Dach zu betreten. Und trotzdem spazieren Sie dorthin. Oh, und zusätzlich halten Sie es nicht für nötig, wenigstens Acht auf ihre Mitmenschen zu nehmen. Und glauben Sie mir, dieses umrennen und sich hindurch drängeln gehört definitiv nicht dazu!", fuhr Mr. Malek mit seiner Schimpftriade fort.
Konnte man es überhaupt so nennen? Bei einer Schimpftriade tobten und schrien die Menschen doch immer. Er hingegen hatte nur einen wütenden, tadelnden Unterton.
"Ist der Tisch kleiner geworden? Oder das Chaos größer?"
Irritiert blinzelte Mr. Malek.
"Ich halte Ihnen ein Predigt über Ihr Verhalten und Sie kritisieren meine nicht sonderlich stark ausgeprägte Ordnungsfähigkeit?", fragte er - erstaunlicherweise ziemlich perplex - nach.
Ich zuckte nur mit den Schultern, sah auf den Tisch vor mir. Jep, definitiv mehr Chaos als bei meinem letzten "Besuch" hier.
"Miss Evans!", rief mein Mathelehrer aus, weshalb ich kurz zu ihm aufsah.
Dieser sah mir kurz in die Augen, ehe er seufzte und mich dann wieder so monoton ansah, wie er es die letzten Monate schon getan hatte.
"Dieses eine Mal belasse ich es mit einer Verwarnung. Das nächste Mal melde ich diesen Vorfall.", sagte er mit seiner ruhigen Stimme, die ich aus dem Unterricht kannte.
Wortlos erhob ich mich und ging zur Tür. Innerlich wusste ich, dass ich mich jetzt eigentlich hätte bedanken müssen, jedoch tat ich es nicht.
"Definitiv derselbe Tisch!", sagte ich über die Schulter zu ihm, ehe ich sein Büro verließ.
Leise entschuldigte ich mich bei Miss Rogers, meiner Geographie-Lehrerin, all ich drei Minuten zu spät ins Klassenzimmer kam. Sanft lächelte sie und meinte, dass sie sowieso gerade erst hatte beginnen wollen, während ich mich nach hinten auf meinen Platz begab. Luise warf mir einen kurzen, zaghaften Blick zu, ehe sie nach vorn zu Miss Rogers sah, welche gerade begonnen hatte, widerholend über die Plattentektonik zu sprechen.
"Wieso so spät?", murmelte sie mir irgendwann leise zu, während wir uns Stichpunkte machten.
"Mr. Malek hat mich abgefangen.", antwortete ich genauso leise.
"Oh Gott... Gab es Ärger? Das tut mir leid!", flüsterte sie, und beugte sich, da Miss Rogers gerade nach hinten sah, etwas mehr über ihr Blatt und bewegte ihre Hand mit ihrem Stift, obwohl sie nicht schrieb.
"Naja, er hat mir erst so ne halbe Standpauke gehalten, hat mich dann aber letztendlich nur verwarnt. Also alles gut!", antwortete ich und skizzierte grob die Grafik, welche Miss Rogers mithilfe des Beamers an die Wand projiziert hatte.
"Was verstehst du unter einer halben Standpauke?", wollte Luise wissen, Belustigung und Verwirrung war zu hören.
Ich schmunzelte kurz.
"Denk an eine Standpauke die deine Eltern dir halten und dann stell dir vor, dass Mr. Malek dir diese hält", wies ich sie an, weshalb Luise kurz darauf auch kurz schmunzeln musste.
•••••×•••••
"Bin wieder zu Hause!", brüllte ich, kaum das die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war. Kurz darauf kam schon Jaques aus dem Wohnzimmer gelaufen, während Béatrice von oben "Sehr schon!" zurück brüllte. Ich schmunzelte, ihr Akzent war manchmal wirklich ziemlich amüsant.
"Wie war es 'eute?", wollte sie wissen, als wir später am Tisch saßen und die Pizza, die wir bestellt hatten, aßen. Ich hatte mich, nachdem ich Jaques seine tägliche Streicheleinheit gegeben und Béatrice begrüßt hatte, auf mein Zimmer verzogen und versucht, die Rechnungen der letzten Mathestunde noch einmal nach zu rechnen. Und es hatte sogar einen kleinen Erfolg gegeben! Ich hatte zwei Aufgaben in zehn Minuten rechnen können - wovon eine falsch gewesen war.
"Ging schon.", antwortete ich und biss von meiner Schinkenpizza ab.
Béatrice zog - wie so oft, wenn ihr die Antwort nicht genügte, die ich von mir gab - die Augenbraue hoch, während sie sich das nächste Stück ihrer Pizza Hawaii abschnitt und sich mit der Gabel in den Mund steckte.
Ich seufzte.
" 'ast du mit Monsieur Malek gesprochen?", fragte sie schonungslos nach, weshalb ich mich verschluckte. Hustend sah ich über den Tisch hinweg zu ihr, ehe ich zu meinem Wasserglas griff und eilig ein paar große Schlucke trank. Kaum, dass ich mich beruhigt hatte und wieder normal atmen konnte, sagte Béatrice "Also doch... Stimmt's oder 'abe isch Rescht?"
Ich erzählte ihr von dem heutigen Vorfall. Dabei entging mir allerdings nicht, dass sie sich, als ich ihr von Mr. Maleks und meinem Zusammenstoß erzählte, ein Schmunzeln sichtbar verkniff. Freundlich.
"Ma fille", seufzte meine Tante, bevor sie einen Schluck ihres Orangensaftes trank. Fragend sah ich zu ihr, während ich auf meinem letzten Pizzastück herum kaute.
"Irgendwie 'abt ihr beide nur solsche... situations étranges, oder?"
(AN: 'situations étranges' bedeutet soviel wie 'seltsame Situationen')
Ich seufzte, stimmte ihr im Stillen jedoch zu. Unsere Situationen waren manchmal wirklich etwas... seltsam.
"Du musst wirklisch mit ihm reden, Charlie", beschwor sie mich, hielt dabei ihre Gabel fest in der Hand und zeigte dabei immer wieder auf mich. Anschließend aß sie weiter.
"Aber Béatrice... Denkst du nicht, dass es etwas... komisch rüberkommt, wenn ich mit ihm über die Situationen reden möchte, die wir haben, nachdem ich heute und letztens diese Nummer abgezogen habe?", sprach ich meine Bedenken aus, doch meine Tante schüttelte Energisch den Kopf.
"Papperlapapp, ma fille! Natürlisch solltest du mit Bedacht vorgehen... Be'utsam, nischt zu aufdringlisch, as-tu compris?"
(AN: As-tu compris? = Hast du (das) verstanden?)
Ich seufzte. "Ja, Béatrice!"
Zufrieden nickte sie, ehe sie fertig aß.
Schweigend sah ich ihr dabei zu. Schon wieder drifteten meine Gedanken zu Mr. Malek ab.
Sollte ich morgen vielleicht mit ihm sprechen? Nach Mathe? Oder wäre das zu aufdringlich?
Das es morgen komplett anders kommen würde, damit hätte ich nicht einmal im Traum gerechnet...
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✓|Addicted to my Teacher
Teen Fiction»Die Maske verrät mehr über den Menschen als sein Gesicht« Jeder Mensch trägt eine Maske mit der er versucht, sein wahres inneres Ich vor der Außenwelt zu verstecken. Auch Charlotte -kurz Charlie- ist so jemand. Immer ein Lächeln auf den Lippen läss...