|·Zwei·|

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Ich sah zu Luise, doch auch sie starrte nach vorn zu Mr. Malek.

Dieser trat langsam um sein Pult herum, ehe er sich an dieses lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Eine Abwehrhaltung. Oder ein Haltung, die Menschen mit höherer Stellung einnahmen.

Er sah uns an.

"Ich habe mich bei meinem Vorgänger informiert."

Eine unangenehme Gänsehaut überkam mich. Schon wieder. Schon wieder nutzte er diese gehobene Sprache mit gewählten Worten. Doch erreichte er sein vermeintliches Ziel. Ausnahmslos jeder hing ihm an den Lippen, kam nicht mal in Versuchung, ihn irgendwie zu stören.

"Um es kurz zu halten... Die Komplexität der Mathematik schreckt viele von euch ab..."

Ich musste schmunzeln. Das war die netteste Art, uns zu sagen, wie scheiße wir in Mathe waren, die ich je gehört hatte. Mit einem kurzen Seitenblick zu Jack und zu Luise merkte ich, das die beiden das Gleiche dachten.

"Deshalb stelle ich euch eine Frage.", fuhr Mr. Malek fort und stieß sich leicht von seinem Pult ab. Langsam schritt er zu der ersten Reihe und blieb an der ersten Bank stehen. Sein Blick glitt durch die Klasse.

"Ich möchte wissen... Weshalb ihr denkt, dass ihr... hier seid... In diesem Kurs bei mir..."

Er schritt langsam weiter. Das gedämpfte Aufkommen seines Absatzes auf dem alten Boden war das einzige Geräusch im gesamten Raum.

"Warum... Wird von euch verlangt..."

Er schritt weiter, wissend, dass jeder Blick auf ihn gerichtet war.

Zwischen der Bank von Luise und Mir und der Jacks blieb er stehen und drehte sich zum Rest der Klasse, als er seinen Satz beendete.

"Die Komplexität der Mathematik zu verstehen?"

Sein Blick ging durch die Reihen, suchten nach jemandem, der ihm eine Antwort geben könnte.

Stacy aus der mittleren Reihe hob die Hand. Sie war groß, brünett und hatte die längsten Beine, die ich je an einem Mädchen gesehen hatte. Ich mochte sie, sie war eine gute Freundin, auch wenn sie mit Juliet, einem absolut arroganten Mädchen befreundet war, welches mich hasste, was jedoch auf Gegenseitigkeit beruhte.

Mr. Malek nickte ihr zu.

"Naja... Mathematik steht einerseits auf dem Lehrplan und zusätzlich ist es auch-"

Sie wurde von Marcel, ein breitschultrigen Jungen aus der Wandreihe unterbrochen.

"Stell dir vor, Parker. Mathematik ist sogar 'nh Hauptfach!"

Obwohl sein Witz überhaupt nicht witzig war, lachten er und seine zwei Kumpels -Devon und Jason- los.

Stacy vorn senkte den Blick. Ich wusste, wie empfindlich sie auf Kritik reagierte.

"Halt die Klappe Marcel und fang an, dein Leben auf die Kette zu kriegen, ohne andere in deine eigene Scheiße hineinzuziehen!", fuhr ich ihn unwirsch an. Ein paar meiner Mitschüler lachten wegen meines Kommentares, doch wusste ich, dass sie über Marcel lachten. Dieser funkelte mich böse an, hielt dann aber glücklicherweise die Klappe.

Stacy warf mir einen dankbaren Blick zu, den ich mit einem sanften Lächeln erwiderte.

Mr. Malek, der alles stumm verfolgt hatte, drehte sich nun zu mir.

"Möchten Sie mir eine Antwort auf die gestellte Frage geben?", wollte er wissen und legte kaum merklich den Kopf schief. Aufrichtige Neugierde konnte ich in seinem Blick lesen.

"Mathematik gehört zu den komplexesten Sachen, die wir in der Schule lernen. Sie soll uns nicht nur logisches Denken ermöglichen, sondern auch aufzeigen, dass man mit Geduld und Disziplin ihre Komplexitäten erkennen, durchschauen und lösen kann. Wenn man dies mit dem wahren Leben vergleicht, trainiert sie uns auf Situationen, die uns komplex erscheinen werden, doch wenn wir diese intensiv genug analysieren, können wir auch diese lösen!"

Kurz herrschte Stille. Mr. Malek sah mich mit einem undefinierbarem Blick an, ehe der Schatten eines Lächelns über sein Gesicht huschte.

"Ihre Einstellung der Mathematik ist... Interessant zu hören."

Mit diesen Worten schritt er mit langen Schritten nach vorn zur Tafel und schrieb etwas an sie.

Verwirrt sah ich zu Luise, doch sie zuckte nur mit den Schultern, ehe sie mir einen kleinen Zettel zu schob.

Fand deine poetische Ansprache gut >333

Ich schmunzelte, ehe ich wieder nach vorn blickte.

Mr. Malek hatte zwei Buchseiten an der Tafel notiert. Darunter eine Zeitangabe, 60 Minuten, und die Worte "Wiederholung ist die Mutter der Weisheit - viel Glück"

Erst war ich verwirrt, doch dann fiel der Groschen. Es waren Wiederholungsaufgaben, die wir erledigen sollten, damit er wusste, was er wiederholen musste.

Der Kerl hatte eine Faible für seltsame Sprüche, oder?

Ich sah zu Luise, welche mich belustigt angrinste. Verwirrt legte ich den Kopf leicht schief, woraufhin sie mein Buch auf der Seite mit den Aufgaben, die wir machen sollten, aufschlug.

Sofort war meine Laune im Keller.

Funktionen.

Na toll.

Genervt zog ich das Buch näher zu mir und begann die Aufgabenstellungen durchzulesen.

Ich wusste, dass ich in Mathe keine große Leuchte war, doch wusste ich auch, das ich im Abschnitt Funktionen nicht einmal ein kleines Fünkchen war.

Und jetzt saß ich hier, mit einem Buch voller Aufgaben zu diesem verdammten Thema und hatte nicht den leisesten Schimmer, was genau ich tun sollte. Und wie funktionierte das nochmal mit dem Einsetzungsverfahren? Hä?

"Die Welt der Funktionen scheint nicht die Ihre zu sein... Oder irre ich mich?"

Ich zuckte zusammen, als plötzlich die Stimme des Lehrers neben mir erklang. Ich blickte zu ihm auf.

"Wissen heißt wissen, wo es geschrieben steht.", gab mein Gegenüber von sich und verwirrte blinzelte ich. Hä? Was sollte ich jetzt mit diesem Satz anfangen?

"Albert Einstein.", fügte er noch hinzu, ehe er mein Buch in die Hände nahm und darin nach hinten blätterte, bevor er es wieder vor mich legte. Anschließend ging er weiter.

Stumm sah ich erst ihm hinterher, dann blickte ich ins Buch.

Uii, da wurden ja die Rechenverfahren erklärt.

Seit wann gab es diese Seiten bitte?

Ich schüttelte leicht den Kopf und belas mich über das Vorgehen beim Einsetzungsverfahren, ehe ich mir einen kleinen Klebezettel ins Buch legte und wieder nach vorn zu den Aufgaben blätterte und begann, die erste Aufgabe zu lösen.

Ich war gerade einmal bei d.) von m.) angekommen, als Mr. Malek vorn erneut die Stimme erhob.

"Die Zeit ist abgelaufen... Bitte gebt eure Lösungen nach vorn durch. Und macht euch keine Sorgen, heute wird es keine Noten geben."

Ich blinzelte. Ich war gerade einmal bei 1d.) und wir sollten schon fertig sein?!

Ich sah kurz zu Luise und weitete bei ihrem vollgeschriebenen Blatt die Augen.

Mit einem mulmigen Gefühl gab ich mein Blatt nach vorn.

Das konnte ja heiter werden...

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt