|·Drei·|

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Kaum, dass alle Blätter bei ihm angekommen waren, klingelte es auch schon zur Pause.

Mr. Malek ließ nochmal den Blick durch die Klasse schweifen, ehe er seine Tasche nahm und das Zimmer verließ.

Stumm sah ich ihm hinterher, die Arme vor der Brust gekreuzt, und kaute leicht auf meiner Unterlippe herum. Ich war mir noch nicht ganz schlüssig, was ich von ihm halten sollte.

"Kommst du mit raus, Charlie?"

Ich blinzelte und sah zu Luise, welche mit Jack neben mir stand und mich erwartungsvoll ansah. In ihren Händen hielt sie bereits ihre Brotbüchse.

"Jetzt nicht... Aber vielleicht später", vertröstete ich sie, weshalb sie kurz schmollend die Lippen verzog, dann jedoch lächelte und mit Jack im Schlepptau das Zimmer verließ. Belustigt sah ich den beiden nach.

Da ich selbst aber auch nicht gerade scharf darauf war, die ganzen zwanzig Minuten Pause hier im Klassenzimmer zu verbringen, stand ich also auch auf und verließ es.

Auf dem Gang befanden sich Schülermassen. Die Meisten von ihnen drängten sich nach draußen, schubbsten einander und brüllten sich irgendwelche unverständlichen Beleidigungen zu. Ein ganz gewöhnlicher Schulltag also.

Mein Weg führte mich kreuz und quer durchs Schulgebäude. Ich lief, ohne einen wirklichen Plan vor Augen zu haben, Treppen hoch und wieder runter, die verschiedenen Flure entlang und wieder zurück. Schließlich hielt ich ganz oben vor einigen Plakaten, die eine Französisch-Klasse angefertigt hatte. Es ging um die verschiedensten Themen: Sehenswürdigkeiten von Paris, französische Musik, französische Gerichte, französische Geschichte.

Schon seit der 6. Klasse, seit Beginn meines Französisch-Unterrichts hier an der Schule interessierte ich mich für diese romanische Sprache. Anfang hatte ich mich ziemlich schwer getan, doch mittlerweile gehörte ich zu den Besten.

"Sie interessieren sich also für die französische Sprache... Das ist wahrlich... überraschend."

Ich fuhr herum und machte vor Schreck einen Satz zur Seite.

Mr. Malek war neben mich getreten, die Hände hinter dem Rücken. Wo kam der denn jetzt plötzlich her?

"Wieso ist es für Sie so überraschend, Sir?", wollte ich neugierig wissen, als sich mein schnell klopfendes Herz wieder beruhigt hatte.

Mr. Malek löste seinen Blick von einem Plakat und sah zu mir herab. Seltsam. Vorhin hatte er noch so klein gewirkt und jetzt musste ich etwas hochgucken. Seine blau-grünen Augen brannten sich in meine und ich blinzelte leicht.

"Ihre Antwort auf die Frage, die ich in der vergangenen Stunde gestellt habe... Sie haben durch sie auf mich wie ein praktisch denkender Mensch mit einer Vorliebe zu logischen Dingen und Sachverhalten gewirkt... Doch habe ich nun das Gefühl, dass ich mich da geirrt habe.", sagte er in seiner gewählten Ausdrucksweise. Während er redete, gestikulierte er etwas mit seinen Händen, unterstrich damit seine Worte auf eine angenehme, nicht zu hektische Weise. Er war, wie ich in diesem Moment für mich feststellte, ein durchaus angenehmer Gesprächspartner.

"Ich stimme Ihnen zu... Logisches Denken und solche Sachverhalte sind nicht meine größte Stärke... Aber ich denke, das haben Sie vorhin in der Stunde auch schon gemerkt!"

Erneut an diesem Tag huschte der Schatten eines Lächelns über das Gesicht von Mr. Malek.

"Sie interessieren sich also für Fremdsprachen?", lenkte er das Gespräch in eine neue Richtung und mein Blick wanderte wieder zu den liebevoll gestalteten Plakaten. Ein Lächeln platzierte sich auf meinen Lippen.

"Ja. Ich finde, dass Sprachen zu den interessantesten Themen unserer Welt gehören", antwortete ich leise.

Aus dem Augenwinkel sah ich, das Mr. Malek leicht nickte. Auch er musterte nun die Plakate, hatte dabei leicht den Kopf zur Seite gelegt.

"Darf ich Sie etwas fragen?"

Er sah zu mir, Interesse und Neugier spiegelten sich in seinen braunen Augen, als er langsam nickte.

"Was ist Sprache für Sie?"

Mr. Malek schien für einen Moment überrascht. Mit so einer Frage hatte er also definitiv nicht gerechnet.

Auf seine mögliche Antwort gespannt, verlagerte ich mein Gewicht auf mein rechtes Bein und kreuzte die Arme vor der Brust.

Er wollte gerade zur Antwort ansetzen, als es klingelte.

Verdammt, wieso ausgerechnet jetzt?

"Sie müssen zum Unterricht, Miss.", teilte Mr. Malek mir mit, weshalb ich es nicht unterdrücken konnte, die Augen zu verdrehen. Das wusste ich auch von selbst. Doch glücklicherweise tat der Lehrer neben mir so, als hätte er es nicht gesehen.

"Keine Sorge, Sie bekommen eine Antwort. Aber nur, wenn Sie sich jetzt auf den Weg zu Ihrem nächsten Unterricht machen.", sagte er und plötzlich hatte ich es eilig, zu gehen.

Ich verabschiedete mich von ihm und machte mich auf den Weg zurück zum Klassenzimmer.

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"Wie war es in der Schule?"

Ich war noch nicht einmal richtig zur Tür herein gekommen, als mir schon diese Frage entgegen kam.

"Ganz in Ordnung, wir haben einen neuen Mathe- und Französischlehrer!", antwortete ich und trat zu meinem Dad in die Küche. Dieser saß am Küchentisch, vor sich sein Laptop aufgeklappt, auf welchem er herum tippte. Dad arbeitete in einer großen Firma als Assistent des dortigen CEO's, weshalb er praktisch nie zu Hause war. Und wenn er doch einmal da war, arbeitete er oder telefonierte.

Ich hatte schon früh gelernt, mich um mich selbst zu kümmern. Seit meine Mum vor vier Jahren gestorben war, hatte Dad sich nur noch mehr in seine Arbeit gestürzt. Eine Beförderung nach der anderen war erfolgt.

Wenn er mal nicht am Arbeiten war, was ziemlich selten vorkam, horchte er mich über die Schule aus. Ihm waren meine Noten wichtig. Ich vermutete, dass er sich erhoffte, das ich irgendwann in derselben Firma anfangen würde, in der er arbeitete. Doch dafür brauchte ich Mathematik und das war, wie wir beide wussten, meine Schwäche. Es kam nicht selten vor, dass er mir eine Standpauke hielt, dass Mathe wichtig sei und ich mich nicht immer mit den "Sinnlosen" Sprachen auseinander setzen sollte.

"Hoffentlich kann der dir Mathe erklären", brummte Dad nur und widmete sich wieder seinem Laptop. Das Gespräch war also beendet.

Ich unterdrückte ein Seufzen und ging in mein Zimmer, wo mir schon Jaques, unsere französische Bulldogge, entgegen kam. Schmunzelnd kniete ich mich zu ihm runter und strich ihm sanft über den weichen Kopf. Jaques hechelte fröhlich und ließ sich die Streicheleinheit gefallen.

"Du hast es einfach, Jaques!", murmelte ich und erhob mich, um zu meinem Schreibtisch zu laufen. Dort öffnete ich mein Mathebuch und versuchte, die Matheaufgaben aus der heutigen Stunde noch einmal zu rechnen. Im Inneren wusste ich, dass es nichts bringen würde, doch mein Ehrgeiz und der Wille, Dad zu beweisen, dass ich es schaffen konnte, siegten.

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GinaMarie2706

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt