|·Zwanzig·|

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Ausdruckslos starrte ich an meine Zimmerdecke. Ich konnte noch immer die mittlerweile getrockneten Tränenspuren auf meinem Gesicht spüren, genau wie meinen pochenden Kopf. Das kleine Kissen, welches neben mir lag, war feucht und müsste jetzt vermutlich in die Reinigung. 

Schniefend zog ich die Nase hoch, dachte an heute Mittag zurück. 

Nachdem ich aus Mr. Maleks Büro gestürmt war, hatte ich mich für den Rest der Freistunde auf der Mädchentoilette eingesperrt. Hatte dort leise wimmernd gegen die Wand getreten. Meine Hände wären zu auffällig gewesen. In Folge dessen war ich dann zu Geschichte gehumpelt, hatte dabei einen höhnischen Blick von Seiten Juliets, sowie einen besorgten Blick von Seiten Luises, Jacks und Stacys bekommen. 

Auf Luises Frage hin, was passiert war, hatte ich nur gemurmelt, dass ich die Treppe herunter gefallen sei, mir jedoch nicht ernsthaft wehgetan hatte. Damit hatte sie sich vorübergehend zufrieden gegeben. 

Geschichte an sich war langweilig wie eh und je gewesen. Das einzig Spannende war das Ende gewesen, an welchem Mr. Wong, unser Geschichts- und gleichzeitig Klassenlehrer uns eine "Überraschung" präsentiert hatte. 

Überraschung in dem Sinne, dass es eine blöde Neuigkeit war. Wie gesagt, ich hasste Überraschungen. 

An unserer Schule war es Tradition, dass es für die Neulinge, also die Fünftklässler, eine Art Mottotag geben sollte. Dabei wurde je eine Klasse, zum Beispiel die 5a von den Schülern der 12a, sowie zwei Lehrern beaufsichtigt. Meistens war das Ganze mit Übernachtung, also eine Art 'Willkommen an der Schule' Fest für die Kleinen. Nachmittags begann es, dann wurde meistens gespielt und Abends durften die Großen Grillen. So war es jedenfalls gewesen, als ich in der fünften Klasse gewesen war. 

Und da ich mich nun in der Zwölften Klasse befand, war es nun die Pflicht unserer Klasse, die Kleinen der Klasse c zu beaufsichtigen. Das Motto lautete: Fasching. 

Als ob ich nichts besseres zu tun hätte, einen ganzen Nachmittag und Abend in einem Kostüm durch die Gegend zu rennen und auf kleine nervige Kinder aufzupassen. 

Ich seufzte und drehte mich auf die Seite, blickte somit aus dem Fenster. Dieser Mottotag, beziehungsweise Mottoabend würde in der ersten Woche nach den Ferien stattfinden und es war nun die Aufgabe innerhalb unserer Klasse, Ideen zu sammeln, was wir mit den Kleinen machen sollten. 

Ich hörte, wie Jaques unten im Flur hin- und herlief. Seufzend erhob ich mich und eilite ins Bad, wo ich mir ein paar Mal Wasser ins Gesicht klatschte, ehe ich runter lief, wo Jaques schon ungeduldig vor der Tür saß.

"Wir machen jetzt los, mein Großer, tut mir leid!", entschuldigte ich mich, während ich mir Jacke und Schuhe anzog. Anschließend legte ich ihm noch die Leine an, ehe wir losmarschierten. 

Da es bereits spät am Abend war, trafen wir so gut wie niemandem. Ab und an mal ein altes Ehepärchen, aber sonst waren die Straßen unbelebt. 

Ich bog mit Jaques in den alten Park ein, wo ich ihn von der Leine ließ. Sofort stürzte die Bulldogge los. Ich trottete seufzend den angelegten Weg entlang. Alles war von einer feinen Schneeschicht überzogen und bei jedem Schritt knirschte es leicht unter meinen Füßen. 

In tiefen Zügen atmete ich die kalte Winterluft ein. Es tat gut, mit Jaques einfach nur unterwegs zu sein. Beziehungsweise nicht nur eine kurze Runde im Viertel, sondern hier im Park. 

Suchend schweifte mein Blick umher, doch als ich die Bulldogge sah wie sie im Schnee umherflitzte, beruhigte ich mich wieder. 

Ich dachte an den Mottoabend. Mr. Wong meinte, dass noch nicht ganz feststehe, welcher Lehrer die zweite beaufsichtigende Lehrkraft sein würde. So lang es nicht Mr. Malek war, sollte es mir egal sein. Doch hatte ich irgendwie im Gefühl, dass das Schicksal auch da nicht mit mir, sondern gegen mich spielen würde. 

Ich seufzte einmal kurz auf, dachte an heute Mittag zurück. Irgendwie taten mir meine Worte im Nachhinein leid, doch auf der anderen Seite wünschte ich mir, dass ich mehr gesagt hätte. Ihm irgendwie aufgezeigt hätte, dass ich dieses Reden brauchte. Das ich das Reden mit ihm brauchte. 

Ich schüttelte den Kopf. Ich sollte definitiv aufhören an ihn zu denken. Dann würde sich das alles schon irgendwie einrenken. 

Jaques kam zu mir getapst und setzte sich vor mir in den Schnee. Ich hockte mich zu ihm runter.

"Na du? Genug getobt?"

Zustimmend hechelte Jaques und gab eine Art zustimmendes Geräusch von sich. Ich schmunzelte und legte ihm die Leine wieder an. 

"Dann auf nach Hause!"

Zuhause angekommen tapste Jaques, nachdem er getrunken hatte, nach oben in mein Zimmer und ließ sich auf meinem Bettvorleger nieder. Ich selbst schloss noch alles ab und setzte mich dann an meinen Schreibtisch. 

Dort nahm ich mir ein Blatt Papier und begann, sämtliche Ideen, die mir für den Mottoabend in den Sinn kamen, zu notieren. Denn einer musste es machen und je eher wir das Ganze weg hatten, desto besser. 

Irgendwann, mitten in der Nacht, lehnte ich mich zufrieden zurück und betrachtete meine Liste. Ja, das könnte was werden, da war ich mir sicher.

Ich machte ein Foto der Liste und schickte es in unseren Klassenchat. Keine fünf Sekunden später hatten sich bereits fünf meiner Mitschüler dazu geäußert. Drei von ihnen hatten noch weitere Ideen genannt, welche ich nun hinzufügte, die anderen beiden hatten nur einen Daumen hoch und ein 'coole Idee xD' geschickt. 

Weshalb die Idioten noch wach waren, wusste ich nicht, jedoch war es mir prinzipiell egal. 

Als ich sah, dass Luise am schreiben war, wechselte ich auf unseren Chat und rief sie per Videocall an.

"Charlie?", erlang kurz darauf ihre Stimme und ich sah, wie sie das Handy etwas von sich weghielt. Im Hintergrund schien eine Straßenlaterne in ihr Zimmer. 

"Hallu!", begrüßte ich sie und grinste leicht. 

"Ist was passiert? Wieso rufst du an?", wollte Lu wissen, während sie sich aufsetzte. Ich zuckte auf ihre Frage hin nur mit den Schultern.

"Darf ich meine beste Freundin etwa nicht anrufen?", fragte ich scherzhaft, weshalb Lu schmunzelte und gespielt streng den Zeigefinger erhob.

"Es ist Ihnen ausdrücklich untersagt mich anzurufen, junge Dame!", sagte sie im drohendem Unterton, weshalb ich leise lachen musste. 

"Weißt du schon, was du zum Mottoabend anziehen wirst?", sprach ich dann den wahren Grund für dieses Telefonat an. Lu zog ein nachdenkliches Gesicht. 

"Ich weiß es noch nicht... Vielleicht geh ich als Natascha Romanoff. Oder als Katze. Oder als ES", überlegte sie, wobei ich leicht grinste.

"Du weißt schon, dass wir auf Fünfklässler aufpassen müssen, oder?", fragte ich sie, jedoch zuckte sie mit den Schultern.

"Egaaaaaal!", rief sie theatralisch, lächelte dann aber abmildernd. 

"Keine Sorge, ich werd schon was finden. Vielleicht geh ich als Hermine Granger.  Und Jack müssen wir dann dazu überreden, dass er als Harry Potter geht!", überlegte sie vor sich und schon allein bei der Vorstellung musste ich lachen. Jack, schwarzhaarig, im Harry Potter Kostüm, mit Zauberstab und Umhang. Und das als jemand, der diese Reihe absolut nicht leiden konnte. 

"Als was wirst du denn gehen?", wollte Luise wissen und rückte so nah an ihr Handy ran, dass nur eines ihrer Augen auf dem Display zu sehen war. 

"Ich denke, ich geh als Pharao!"

✓|Addicted to my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt