Lightning Strikes Twice

63. Kapitel

„Mit anderen Worten, Ian erpresst dich.", schlussfolgert Harry, als ich ihm erzählt habe, was der Rookie mir vorhin eröffnet hat. „Mhm. Scheint so. Wie soll es sonst zu verstehen sein?", entgegne ich und seufze. Das Essen schmeckt wunderbar, aber das Thema schlägt mir auf den Magen und ich habe nach den ersten Bissen kaum noch Hunger. Harry merkt es, aber sagt nichts dazu. „Meinst du nicht, er könnte es gesagt haben, weil er Ellie schützen will?" – „Es kommt aufs Gleiche raus." Ich zucke mit den Schultern. „Er möchte Ellie nicht... sagen wir outen, worum es dabei auch immer geht, und droht mir, das gleiche bei mir zu tun." – „Mhm." – „Ich finde diese Art der Doppelmoral echt beschissen.", murre ich genervt. „Zumal gerade ich doch derjenige im Team bin, dem er in dieser Hinsicht wirklich vertrauen kann. Scheiße, ich tue seit Jahren so, als wäre ich hetero und niemandem ist es aufgefallen!", rege ich mich auf. „Ihm ist es aufgefallen. Und Drew.", merkt Harry trocken an. Ich verdrehe die Augen. „Abgesehen von den beiden. Und außerdem hat Ian und gesehen. Das würde selbst Gibson verstehen." – „Mhm. Stimmt.", antwortet Harry nur nachdenklich.

„Sollte ich es einfach sein lassen?" – „Das mit Ellie und Ian?" – „Mhm. Ja." – „Ich denke, es ist das beste, wenn du einfach nichts mehr dazu sagst.", stimmt Harry zu. „Das ist es, worum er dich gebeten hat und wenn du nichts sagst, tut er es auch nicht." Ich nicke verstehend und lasse meine Gedanken kreisen.

„Findest du es in Ordnung, dass er mich erpresst? Also, um Ellie zu schützen?" – „Es ist irgendwie ein Grund, oder nicht?" – „Schon, aber gleichzeitig – ich finde es nicht cool." – „Was würdest du tun?", fragt Harry mich daraufhin und irritiert sehe ich ihn an. „Ich?" – „Ja, was würdest du machen, in dieser Situation?" – „Keine Ahnung, ist das wichtig?" – „Stell dir mal vor, es wäre andersherum. Sagen wir, du wärst zum Beispiel in meiner Position und jemand würde mich outen wollen." – „Wenn ich dann ein Druckmittel hätte, meinst du?" – „Genau. Würdest du riskieren, dass man mich outet?" Ich denke einen Moment darüber nach. „Ich verstehe was du meinst. Ian möchte nur Ellie schützen, nicht mir etwas Böses tun." – „So kann er sich sicher sein, dass du wirklich das Thema ruhen lässt." – „Trotzdem finde ich, dass er mir vertrauen könnte. Ich könnte nicht mit jemandem befreundet sein, den ich dafür erpressen müsste, die Klappe zu halten. Wie soll man sich so noch auf diese Freunde verlassen können?" – „Mhm. Verstehe ich."

Harry trinkt einen Schluck und ich drehe die Bierflasche in meinen Händen. Die Neugier in mir, die sich fragt, um was es bei Ellie denn nun geht, ist nicht gestillt. Im Gegenteil, aber ich respektiere Ians Entscheidung es Ellie zu überlassen, er es erfährt und wer nicht. Das Gefühl der Neugier verbietet mir dabei schließlich niemand.

„Da gibt es noch etwas.", meine ich nach einigen Augenblicken. „So?" – „Die Jungs... mein Team ist der Meinung, dass ich mich zu sehr abkapsle." – „Inwiefern?" Ich zucke mit den Schultern. „Sie haben mir vorhin gesagt, dass ich wohl in den letzten Wochen so gut wie nie mit ins Hattricks gekommen bin. Oder mich irgendwo anders habe blicken lassen; vom Training und den Spielen abgesehen. Dass ich nach England gereist bin, ohne einen Ton zu sagen, hat das Fass wohl dazu gebracht, überzulaufen." – „Scheiße." – „Ich weiß nicht, was ich machen soll." – „Mit ins Hattricks gehen?" – „Sie sind skeptisch. Alle." – „Du willst damit sagen, dass sich etwas ändern muss." – „Ich schätze schon." – „Das bedeutet?" – „Ich kann nicht mehr direkt nach den Spielen abhauen.", seufze ich. „So gerne ich danach sofort zu dir würde, das wird in nächster Zeit nicht mehr gehen."

Mein Freund nickt verständnisvoll. Ihm wäre es anders lieber, das steht ihm praktisch auf der Stirn geschrieben, aber gleichzeitig merke ich, dass er mir deswegen nicht böse ist. „Glaub mir, mir gefällt das auch nicht." – „Es ist dein Team." – „Und?" – „Du solltest es nicht wegen mit vernachlässigen." – „Das ist doch quatsch. Das tue ich nicht." – „Doch, genau das wollten sie dir sagen.", widerspricht Harry mir. „Wir müssen in Zukunft einen Mittelweg finden." – „So schlimm war es doch nicht." – „Was würdest du davon halten, wenn sagen wir Liam sich nach einem Spiel immer verdrückt, ohne zu erklären, weswegen?", fragt er mich trocken. Ich möchte antworten, aber ich weiß nicht, was. „Cool wäre es nicht.", meint Harry dann. „Es...", er überlegt einen Moment. „Was würdest du davon halten, eine Art Wiedergutmachung zu organisieren." – „Eine Entschuldigung?" – „Quasi.", nickt er. „Und was schwebt dir vor?"