Ich kann die Nacht kaum schlafen. Immer wieder denke ich darüber nach, was geschehen ist und wie ich es wieder gut machen kann. Verdammt, wieso musste ich auch erst reden und dann nachdenken? Harry hat sich am nächsten Morgen immer noch nicht gemeldet und auch, wenn es mich nicht wundert, habe ich etwas anderes gehofft. Eigentlich wollten wir unseren freien Tag heute gemeinsam verbringen, aber im Augenblick gehe ich davon aus, dass das nichts wird. Unschlüssig, ob ich ihm schreiben oder ihn anrufen soll, trinke ich meinen Tee und mache mir ein kleines Frühstück. Viel lieber würde ich in diesem Moment bei Harry sein, mit ihm etwas essen oder vielleicht noch im Bett liegen und kuscheln. Ach fuck.
Was er jetzt wohl macht? Ob er schon wach ist? Ich kann nicht aufhören an ihn zu denken. Ob ich will oder nicht, Harry lässt sich nicht aus meinen Gedanken verbannen. „Ach, scheiß drauf.", sage ich leise zu mir selber, nehme mir mein Handy und rufe ihn an. Er hebt nicht ab. Ich stöhne genervt. Das kann doch nicht wahr sein. Einen Moment lang stehe ich nur in die Küche, dann stelle ich mein nur halb gegessenes Frühstück bei Seite, gehe nach oben und ziehe mich an, ehe ich mir meine Sachen schnappe und aus dem Haus verschwinde. Nicht weit von hier ist ein Florist. Ich stelle den Wagen in der zweiten Reihe ab und betrete den Laden.
„Schönen guten Morgen, was kann ich für Sie tun?", fragt ein junger Mann mich lächelnd. „Ich hab Mist gebaut und brauche einen schönen Strauß mit Blumen, mit denen man sich gut entschuldigen kann.", sage ich direkt und er nickt verstehend. „Budget?" – „Egal.", winke ich ab und sehe mich um. Irgendwie denke ich, dass Harry die Bedeutungen einzelner Blumen weiß, ich hingegen habe keine Ahnung, nur bei der Rose bin ich nicht ganz aufgeschmissen. „Möchten Sie einen gemischten Strauß oder lieber nur eine Blumenart?" – „Am besten Bunt.", entscheide ich und der Florist nickt, ehe er durch den Laden geht und immer wieder aus einigen Vasen ein paar Blumen herauszieht. Rosen sind auch dabei, gelbe und rote.
Er bindet einen schönen, farbenfrohen Strauß zusammen und zufrieden nicke ich, als er ihn mir fragend hinhält. Schnell habe ich bezahlt und verlasse den Laden. In diesem Moment bleibe ich perplex stehen und brauche einen Moment, um zu verstehen, was gerade passiert. „Das darf doch nicht wahr sein!", fluche ich und laufe zu meinem Auto, das gerade abgeschleppt wird. „Entschuldigen Sie, das ist mein Wagen, ich fahre jetzt weg, ich musste nur kurz etwas besorgen.", spreche ich einen Mann in gelber Weste an. Er blickt zu mir. „Das Auto hängt schon dran." – „Können Sie es nicht bitte wieder herunter lassen?" Er zuckt mit den Schultern. „Tut mir leid, das sind die Vorschriften. Ich seufze und zücke mein Portemonnaie, nur um das festzustellen, dass ich nicht genug Bargeld mithabe, um den Kerl von etwas anderem zu überzeugen.
„Ich muss wirklich dringend wohin, ich brauche den Wagen.", versuche ich es noch einmal, aber wieder bringt es nichts. „Sie können ihn ab heute Abend abholen.", wird mir nur geantwortet und ich bekomme eine Visitenkarte mit Adresse des Autohofs. „Na ganz toll.", murre ich und sehe unbeholfen zu, wie mein Auto hinter der nächsten Kreuzung verschwindet. Kurz denke ich darüber nach, nach Hause zu gehen, aber dann entschließe ich mich, zu Harry zu laufen. Etwas später stellt sich heraus, dass ich die Strecke deutlich unterschätzt habe. Ich bin von zehn, vielleicht fünfzehn Minuten ausgegangen, es sind inzwischen mehr als dreißig, aber ich biege endlich in die Straße ein, in der Harry wohnt. Es ist halb elf, ich hoffe nur, er ist noch Zuhause.
Ich atme tief durch, bevor ich klingle. Ich brauchte einen Moment, bis ich den Mut dafür gefunden habe. Obwohl Harry und ich schon länger zusammen sind, bin ich doch jedes Mal nervös, bevor wir uns treffen. „Hallo?", höre ich über die Gegensprechanlage. „Äh, hier ist Louis.", antworte ich Gemma und kurz darauf lässt sie mich ins Haus. „Harry ist einkaufen.", sagt sie direkt und ihr Blick fällt auf den Strauß. „Gut, komm rein. Wie ich sehe, hast du ein schlechtes Gewissen.", sagt sie dann trocken und tritt zur Seite. „Wie lange ist er noch weg?", möchte ich wissen. Sie zuckt mit den Schultern. „Eine halbe Stunde? Vielleicht weniger, ich weiß es nicht." – „Mhm. Okay, weißt du zufällig, wo ich hier eine Vase finde?" – „So schwierig sollte es nicht sein, eine zu finden.", antwortet sie mir und schaut im Wohnzimmer in einigen Schränken nach.
„Du weißt also, dass du Scheiße gebaut hast?" – „Allerdings.", antworte ich angespannt. „Harry hat das völlig falsch verstanden, ich habe das nicht so gemeint." – „Vielleicht hast du dich auch nur falsch ausgedrückt.", antwortet sie. Es könnte kaum auffälliger sein, dass sie nicht weiß, was sie von mir halten soll. „Das auch.", lenke ich ein und Gemma reicht mir eine Vase aus Glas, die ich in der Küche befülle, ehe ich die Blumen hineinstelle und auf dem Wohnzimmertisch platziere. „Hat er was dazu gesagt?" – „Erst nicht.", meint sie und zögert. „Wie ernst meinst du es mit meinem Bruder?" – „Sehr.", antworte ich sofort und ohne zu zögern. „Ich liebe ihn." – „Aber du outest dich nicht.", merkt sie an und ich schüttle den Kopf. „Nein, kann ich nicht. Irgendwann mache ich es wahrscheinlich, aber noch nicht jetzt." – „Du weißt, wie sehr ihm das zusetzt?", fragt sie mich und ich seufze. „Dass er es gerne anders hätte, weiß ich, aber er hat mir versichert, dass er wartet. Und ich versuche wirklich, es irgendwie auszugleichen." – „Die Dates.", bemerkt sie und ich nicke. „Er hat dir davon erzählt?" – „Allerdings."
„Und?", hake ich weiter nach. „Er hat sich gefreut.", antwortet sie schulterzuckend. „Solltest du das nicht wissen?" – „Schon. Keine Ahnung." – „Es hat sich sehr verletzt, was du gesagt hast, Louis.", meint sie dann und ich schließe kurz die Augen. „Ich weiß." – „Es war gelinde gesagt, beschissen. Er hat mir von dir erzählt, also vorher und du machst ihn ansonsten offenbar sehr glücklich, aber seitdem Harry getraut hat, sich zu outen, hat er sich geschworen, sich nie wieder zu verstecken und du musst ihm wirklich viel bedeuten, wenn er es für dich trotzdem macht. Dass du gestern gesagt hättest, dass du dir wünscht, das alles wäre nie passiert, war wie ein Schlag mitten ins Gesicht und so etwas hat Harry nicht verdient." – „Du musst mir nicht sagen, dass er zu gut für mich ist, das weiß ich auch so schon.", antworte ich unüberlegt, aber es ist nun einmal die Wahrheit.
„Gut, dann ist das ja geklärt. Ich weiß allerdings nicht, ob ein Strauß Blumen das wieder gut machen wird. Auch wenn er wirklich schön ist." – „Ich wollte eigentlich fragen, ob ihr Lust habt essen zu gehen. Harry hat mir schon vor Wochen gesagt, dass er mich dir gerne vorstellen würde, aber ich wollte nicht, weil... ich hatte Schiss, habe ich auch immer noch, aber gestern war wohl kaum zu übersehen, wer ich bin." Gemma nickt. „Und deine anderen Teamkollegen haben keine Ahnung?" – „Bis auf Zayn und Liam weiß es niemand."
„Ich werde nicht sagen, Louis. Ich weiß noch nicht, ob ich dich mag, aber ich bin auch kein Arschloch.", stellt sie klar und ein Stein fällt mir vom Herzen. „Danke, Gemma, ehrlich." Sie nickt nur, ehe sie dann fragt: „Und wieso können wir gleich nicht essen gehen?" – „Mhm?" – „Du meintest, dass du das eigentlich, fragen wolltest, das klingt nicht danach, als wäre es noch aktuell.", erklärt sie mir. „Ach so, ja. Meine Auto wurde gerade abgeschleppt. Ich habe in zweiter Reihe vor dem Blumenladen geparkt und musste dann leider zusehen, wie es mitgenommen wurde.", erzähle und merke, dass Gemma schmunzelt. Fragend sehe ich sie an. „Irgendwie hast du das nach gestern verdient; ausgleichende Gerechtigkeit würde ich sagen." Nun muss ich auch grinsen und zucke mit den Schultern. „Wohlmöglich hast du recht. Aber jetzt habe ich leider kein Auto mehr, zumindest nicht für heute."
Nur ein paar Augenblicke später höre ich, wie die Tür aufgeschlossen wird. Ich drehe mich um und sehe Harry die Wohnungstür aufstoßen. Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich auf ihn zu und nehme ihm die offenbar schweren Einkaufstaschen ab. „Äh, hi.", sagt er verwundert, aber da bin ich schon in die Küche verschwunden. Um die Taschen abzustellen. „Was macht er hier?", höre ich Harry seine Schwester fragen und warte noch einen Moment in der Küche, auch wenn sich lauschen nicht gehört. „Frag ihn das lieber selber.", antwortet Gemma ihm und bevor ich meinen Mut zusammenkratzen, und zurück ins Wohnzimmer gehen kann, kommt Harry schon in die Küche. Er beginnt damit den Einkauf auszuräumen und einen Moment lang warte ich, ob er etwas sagt. Tut er nicht.
„Ich bin hier, um mich zu entschuldigen.", durchbreche ich also die Stille und sehe ihn an. Er blickt kurz zu mir, ehe er den Kühlschrank öffnet und einige Lebensmittel einräumt. „Das was ich gesagt habe, war nicht okay und ich habe es nicht so gemeint. Es war auf den Abend im Hattricks bezogen, nur auf die viertel Stunde, als wir vor der Tür waren, nicht auf alles andere.", erkläre ich ihm und warte auf eine Reaktion, aber er antwortet mir nicht.
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Was meint ihr, wird Harry sagen? Und wie ist euer Eindruck von Gemma?
Love, L
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Lightning Strikes Twice
FanficEr erpresst zwei Menschen damit, sie zu outen, nur damit sein Freund nicht geoutet wird. Grotesk. Er weiß ganz genau, wie mies es von ihm ist, aber gleichzeitig kann er nicht verstehen, weswegen Liam und Zayn so uneinsichtig sind. Zumindest bei den...