Als das Essen geliefert wird, geht Harry zur Tür. In dieser Zeit suche ich im Internet nach Flügen von Tampa nach London. Am liebsten würde ich Nonstop fliegen, aber das nächste Flug ohne Zwischenstopp geht erst in ein paar Tagen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich morgen früh zum Flughafen fahren und ein One-Way-Ticket in der Tasche haben. Das bedeutet nicht, dass ich nicht zurück kommen möchte, das bedeutet nur, das sich keine Termine habe, die ich einhalten muss. Keine Spiele. Keine Pressekonferenzen. Keine Fotoshootings. Nichts.
Harry kommt mit dem Essen wieder und sieht auf mein Handy. „Du solltest wirklich Kenny anrufen, bevor du einen Flug buchst.", meint er und stellt die Kartons auf den niedrigen Sofatisch ab, ehe er sich setzt. „Wieso? Damit ich noch einmal höre, dass ich mir einen neuen Job suchen muss?", frage ich bitter und öffne uns zwei Bier. Harry seufzt. „Versuch es doch bitte." Er lässt nicht locker. „Was soll das Harry? Wieso sollte ich mir Hoffnungen machen?", will ich von ihm wissen und fange an zu essen. „Vielleicht wirst du ja überrascht. Könnte doch sein?" – „Das glaubst du doch selbst nicht.", murmle ich nur und trinke einen Schluck von meinem Bier.
Harry seufzt genervt. „Was?" – „Ich verstehe nicht, wieso du derart in Selbstmitleid versinkst. Wo ist der Sportsgeist hin, den du sonst auf dem Eis immer zeigst?", will er von mir wissen, aber ich verdrehe nur die Augen. „Du übertreibst." – „Tue ich nicht. Du solltest etwas dafür tun, Eishockeyspieler bleiben zu können." Perplex sehe ich ihn an. Ich brauche einen Moment, bis seine Worte und die Bedeutung dahinter zu mir durchgedrungen ist. „Ich sollte etwas dafür tun?!", frage ich aufgebraucht und wütend. „Ich sollte überhaupt nichts dafür tun müssen! Ich bin ein verdammt guter Spieler und nur weil ich nun einmal nicht hetero bin, sollte ich mehr dafür tun müssen, als alle anderen?! Sag mal, geht's noch?!", frage ich aufgebracht und bin unbewusst ein Stück von Harry weggerutscht.
„So meinte ich das nicht. Ich -" – „Ich wäre niemals in dieser Situation, wenn ich hetero wäre! Fuck, mir wäre so viel Stress erspart geblieben!", rege ich mich auf und Harry schließt kurz die Augen. „Ugh. Du verstehst es wieder falsch.", bemerke ich genervt und streiche mir die Haare zurück. „Ich meinte damit nicht unsere Beziehung, Harry. Ich rede von meiner Karriere.", stelle ich klar.
„Wärst du lieber hetero?", fragt er dann plötzlich. „Was?" – „Wärst du lieber hetero? Würdest du lieber auf Frauen stehen?", möchte er wissen. Ich überlege einen Moment. Was soll man auf so eine Frage antworten? Harry bemerkt mein Zögern. Er sieht mich dennoch weiterhin an und wartet auf meine Antwort. Meine Gedanken sind durcheinander, wirr und es dauert einige weitere Sekunden, bis ich anfange zu sprechen: „Wenn es nur um die Karriere geht, auf jeden Fall. Ich hätte letzte Saison sofort mit ja geantwortet." Ich sehe Harry wieder an und sehe, dass er über meine Antwort nachdenkt. „Ich hatte allerdings noch nie so starke Gefühle für jemanden und noch dazu das Glück, dass diese erwidert werden.", spreche ich weiter. „Wenn es also bedeutet, dass ich dich nicht mehr so hätte, wie ich dich jetzt habe, dann lautet die Antwort nein.", entscheide ich mich und meinem Freund ist anzusehen, dass ihm ein Stein vom Herzen fällt.
„Das bedeutet, dass du dich für mich und gegen Eishockey entscheiden würdest.", versteht er. „Das habe ich doch schon längst.", entgegne ich. „Das habe ich in dem Moment getan, als ich Kenny gebeten habe, mit mir zu reden." Er nickt verstehend. Vielleicht ist es mir selbst erst in diesem Augenblick klar geworden, aber es ist so: Ich habe mich gegen meine Liebe zum Sport entschieden und für den wunderbaren, jungen Mann auf meinem Sofa. Herr Gott, wenn mir das jemand vor einem halben Jahr gesagt hätte, hätte ich diese Person augenblicklich für verrückt erklärt.
„Es tut mir leid." – „Was?" – „Es tut mir leid.", wiederholt er nach einiger Zeit. Das Essen ist leer und inzwischen stehen vier luftgefüllte Bierflaschen auf dem Tisch. „Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich hätte Kenny nicht so eingeschätzt, er fand die Kampagne gut und gegen mich hatte er nie etwas. Ich bin davon ausgegangen, dass er anders reagieren würde. Ansonsten hätte ich nicht derart darauf gedrängt, dass du mit ihm sprichst. Es war nie mein Ziel, dass du dich zwischen Eishockey und mir entscheiden musst.", beendet er die kleine Rede und seufzt leise. Ich schweige einen Moment. Was soll ich darauf antworten. „Deswegen kann ich verstehen, wenn er du erst einmal nach England möchtest. Ich würde ja mitkommen, aber naja, ich muss noch arbeiten.", fügt er hinzu.
Ich schüttle den Kopf. „Du musst dir keine Vorwürfe machen, Harry.", stelle ich klar, als ich sehe, dass es ihm deutlich schlechter geht, als er bisher zugegeben hat. Er hat Schuldgefühle und das nicht zu knapp. „Es war schlussendlich meine Entscheidung." Er nickt, aber ich zweifle an, dass er nicht immer noch darüber nachdenkt, was wäre wenn...
„Ich würde es wieder so machen.", sage ich nach einer Weile unüberlegt, eher instinktiv. „Mhm?" – „Ich würde mich wieder für dich entscheiden, wenn ich muss.", erkläre ich und blicke meinen Freund an. Er möchte antworten, schließt nach einige Sekunden den Mund aber wieder und für einen kurzen Moment lang meine ich, seine Augen glitzern zu sehen. Plötzlich zieht er mich in eine enge Umarmung und ehe ich es verhindern kann, (nicht, dass ich es wollte) setzt er sich rittlings auf meinen Schoß und drückt sich an mich. „Ich liebe dich, Louis. So sehr." – „Ich liebe dich auch.", erwidere ich und mein Herz flattert glücklich. Ja, ich würde mich für ihn entscheiden. Es ist keine einfache Entscheidung, habe ich nie behauptet, aber in diesem Moment bin ich mir diesbezüglich absolut sicher. Ich habe genug Geld, ich habe ausgesorgt. Natürlich könnte ich schon wieder eine Wand einschlagen, wenn ich daran denke, nie wieder in ein Stadion einzulaufen, nie wieder die Zuschauer meinen Namen rufen zu hören und nie wieder mit meiner Mannschaft nach einem gewonnen Spiel zu feiern. Aber das alles ohne Harry zu tun, wäre noch viel Schlimmer.
Einen Moment lang schließe ich die Augen und drücke meine Nase in Harrys Halsbeuge. „Ich bin sehr froh, dass du nicht locker gelassen hast.", flüstere ich gegen seine Haut und er nickt. „Ich auch. Glaub mir." Ich drücke ihm einen sanften Kuss auf den Hals. „Aber darf ich dich um etwas bitten?", fragt er, ohne sich von mir wegzubewegen. „Um was geht's?", möchte ich wissen. „Erst stimmst du zu.", verlangt er. „Das ist nicht fair, das ist dir doch klar." – „Bitte, Louis." – „Schön. Ich stimme zu.", gebe ich nach und er setzt sich auf, sodass wir uns wieder ansehen können. „Du rufst Kenny an, bevor du einen Flug buchst.", verlangt er und ich seufze. „Nein." – „Doch, Louis. Es ist wichtig." – „Nein, Harry.", antworte ich und drücke ihn von mir herunter. Harry stöhnt genervt. „Du kannst so stur sein!" – „Du bist stur!", entgegne ich genervt. „Du willst doch vehement, dass ich Kenny anrufe." – „Weil es das Richtige ist!", beharrt er, aber ich verdrehe nur die Augen, stehe auf und hole mir noch ein Bier. „Willst du auch noch eine Flasche?", frage ich aus der Küche laut, aber Harry lehnt ab. Gut, dann nicht.
Als ich wieder das Wohnzimmer betrete, sehe ich, dass Harry sein Handy am Ohr hat. „Wen rufst du – was soll der Mist?!", frage ich laut und will ihm das Handy wegnehmen, aber Harry ist zu schnell. Er steht auf und geht einige Schritte. Ich schnaube und laufe ihm hinterher, aber er ist flink. Ich komme nicht an das Handy, bis er sagt: „Wir sind bei Louis. Komm bitte so schnell es geht vorbei, er weigert sich, dich anzurufen." Erst jetzt schaffe ich es, das Handy zu schnappen und den Anruf zu beenden. „Sag mal, hast du sie noch alle? Geht's noch?!", frage ich aufgebracht und meine Stimme wird lauter. „Du wolltest ihn nicht anrufen!", entgegnet Harry. „Und ich habe einen Grund dafür!", rege ich mich auf. „Es reicht doch, dass -", ich breche ab, aber Harry weiß ganz genau, was gerade beinahe meinen Mund verlassen hätte. Es reicht doch, dass ich mich wegen dir geoutet habe.
Er schweigt, sieht mich nur an und ich stöhne genervt. „Das führt doch zu nichts! Merkst du nicht, dass heute kein guter Tag ist, ein Gespräch zu führen?!" – „Es ist aber notwendig!" – „Es wäre notwendig gewesen, mich nicht zu outen!" – „Du hast doch gerade noch gesagt, du hast es selbst entschieden!" – „Habe ich das etwa gerade bestritten?!", frage ich wütend und tigere durch das Wohnzimmer. Herr Gott, dieser Tag soll nur noch enden.
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Was haltet ihr von der Situation? Und glaubt ihr, es war klug, dass Harry Kenny angerufen hat?
Love, L
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Lightning Strikes Twice
Fiksi PenggemarEr erpresst zwei Menschen damit, sie zu outen, nur damit sein Freund nicht geoutet wird. Grotesk. Er weiß ganz genau, wie mies es von ihm ist, aber gleichzeitig kann er nicht verstehen, weswegen Liam und Zayn so uneinsichtig sind. Zumindest bei den...