62. Kapitel

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Ach fuck. Ich schließe die Augen und seufze. „Tomlinson, was soll das heißen?", will Ian mit der Nachdruck wissen. Damit lenkt er die Aufmerksamkeit fast aller Teammitglieder auf uns und es dauert nur einen kurzen Augenblick, bis alle anderen ihre Blicke ebenfalls auf uns gerichtet haben. „Können wir das wo anders besprechen?", bitte ich ihn etwas leiser. Verwundert und skeptisch blickt er mich an, zögert erst einen Moment und nickt schließlich. „Wir treffen uns draußen.", beschließt er lediglich. Verdammt.

Gedanklich gehe ich mögliche Antworten durch, die ich Ian gleich geben kann. Auch, wenn ich es liebsten würde, sang und klanglos kann ich heute nicht abhauen. Die Stimmung im Team ist schon angespannt genug. Nein, die Stimmung zwischen dem Team und mir, so sollte man es wohl besser ausdrücken. Vor der Tür wartet Ian bereits auf mich. Er steht an der Seite und schaut auf sein Handy, als ich auf ihn zugehe. Er sieht auf. „Ich gehe davon aus, du hast eine Erklärung für die Aussage gerade?" Ich schweige zunächst. „Und du wolltest es nicht vor dem Team sagen.", fügt er hinzu. Ich nicke. Das hätte nicht sein müssen.

„Es... hat dein Vater dir erzählt, dass wir uns auf der Gala getroffen haben?", schneide ich das Thema an. Er nickt. „Kurz, ja, aber wieso ist das wichtig?", fragt er verwirrt. „Äh... er hat mich gefragt, wie..." Ich stöhne genervt. Wieso muss ich derart anfangen zu stottern? „Sag es doch einfach, Louis.", fordert er und verschränkt die Arme vor der Brust. „Er hat mich gefragt, wie ich zum Thema Diskriminierung stehe. Er hatte nicht damit gerechnet, mich auf der Gala zu sehen. Um ehrlich zu sein, war ich genauso überrascht, ihn dort zu treffen." Ian nickt und lässt ich weitersprechen. „Deswegen habe ich ihn gefragt, was seine Meinung geändert hat." Augenblicklich spannt Ian sich an. „Was hat er dir gesagt?", möchte er wissen und mustert mich kritisch und skeptisch. „Nicht viel.", entgegne ich. „Nur, dass es wohl mit deiner Freundin Ellie zu tun hätte." Ian schüttelt den Kopf und geht einige Schritte hin und her.

„Ich wollte es nicht vor dem Team ansprechen, weil ich nicht genau weiß, worum es geht." Ian scheint überrascht zu sein. „Du... was?" – „Ich weiß nicht worum es geht. Ich kann nicht sagen, ich hätte mir keine Gedanken darüber gemacht, aber mehr auch nicht. Du weißt genauso gut wie ich, wie die Jungs reagiert hätten, wenn ich es laut angesprochen hätte.", merke ich an. „Allerdings.", murmelt er und streicht sich die blonden Haare aus der Stirn. „Fuck." – „So schlimm?" – „Es ist nicht an mir, es dir zu sagen. Um genau zu sein, ist es nicht an mir, es irgendjemandem zu sagen. Das ist allein Ellies Aufgabe.", stellt er klar. „Klingt ja fast, als würde es um ein Outing gehen.", antworte ich unbedacht und merke es in dem Moment, als ich es ausspreche. „Vergiss es. Das war dumm." – „Du denkst, dass sie nicht hetero ist? Bi- oder pansexuell oder so?" Ich zucke mit den Schultern. „Das war meine Vermutung, ja. Und deine Aussage gerade passt doch irgendwie dazu, oder nicht?"

„Mhm. Schon. Aber es ist nicht meine Aufgabe, es dir zu sagen. Denk, was du willst, aber wehe, du sprichst es noch einmal an, wenn irgendjemand aus der Sportwelt dabei ist.", droht er. „Werde ich nicht.", verspreche ich ihm kopfschüttelnd. „Besser ist es." Ich möchte antworten, lasse es dann aber. Stattdessen sehe ich Ian irritiert an. „Besser ist es?" – „Ja." – „Klingt ja fast, als würdest du etwas gegen mich in der Hand halten.", witzle ich, aber Ian verzieht keine Miene. Nicht einmal ein kleines Schmunzeln ist zu sehen. „Scheiße, was habe ich bitte gemacht?", frage ich etwas ernster. Er zuckt mit den Schultern. „Bluffst du?", will ich wissen und merke, wie ich nervöser werde. Aber ich will es mir nicht anmerken lassen, also warte ich danach auf seine Antwort.

„Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob du es hören willst." – „Was soll ich nicht hören wollen? Raus mit der Sprache!" – „Ihr solltest alle etwas... vorsichtiger sein?" – „Wen meinst du verdammt?" – „Ich bin sicher, das weißt du.", antwortet er mir. „Was denkst du, weswegen ich vorhin so wenig gesagt habe? Ich bin mir ziemlich sicher, zu wissen, weswegen du in letzter Zeit so oft früher abgehauen bist." Mein Herz setzt einen Schlaf aus und mir wird augenblicklich eiskalt Kalter Schweiß bedeckt meine Haut und meine Gedanken überschlafen sind. „Was glaubst du bitte, zu wissen?" Er schweigt. „Ian!" – „Ich sag's mal so. Ellie hat sich vor ein paar Tagen neue Kräuter gekauft. Und ich war dabei." – „Was haben Kräuter damit-", ich breche den Satz mitten drin ab. „Eigentlich wollten wir kurz Hallo sagen, aber dann... naja, dann haben wir es gelassen." – „Du... ihr..." – „Korrekt.", nickt er.

„Fuck.", fluche ich leise und gehe einige Schritte hin und wieder her. „Louis, beruhig dich." – „Beruhigen? Ist das dein scheiß Ernst?", frage ich aufgebracht und schüttle den Kopf. „Du sagst mir gerade, dass du... dass Ellie und du von mir... dass ihr von uns wisst und noch dazu benutzt du diese Information, damit ich meine Klappe halte." Ich drücke Zeigefinger und Daumen gegen meine Nasenwurzel. „Auf der einen Seite erklärst du mir, dass du nicht sagst, was mit Ellie ist, weil es nicht deine Aufgabe sei und direkt danach erklärst du mir, dass du mich... dass du mich outen würdest?" – „Es ist nicht fair, das weiß ich." – „Nicht fair?" Ich lache bitter. „Ian, das ist echt das Letzte. Meinst du nicht, gerade ich akzeptiere es, wenn du mir sagt, dass es niemandem etwas angeht?" Ian seufzt. „Können wir uns nicht darauf einigen, dass weder du noch ich etwas sagen werden." – „Schön." – „Gut. Ich muss los.", verabschiedet er sich.

Meine Gedanken überschlagen sich. Verdammte Scheiße! Ian und Ellie waren nicht wirklich im Gartencenter, oder? Wie unwahrscheinlich ist es, dass gerade ein Teamkollege zeitgleich mit mir dort ist und sehen muss, wie ich meinen Freund küsse?

Mit gemischten Gefühlen schließe ich meine Haustür auf. Entgegen meiner Erwartung, stehen Harrys Vans unter der Garderobe. „Love?", frage ich laut, aber bekomme keine Antwort. Ist er doch nicht Zuhause? „Harry?!" Wieder keine Antwort. Meine Schuhe kicke ich zur Seite und gehe durch ins Wohnzimmer. Sein Laptop steht auf dem Tisch und der Bildschirmschoner ist auf dem Display zu sehen. Gerade möchte ich ein drittes Mal rufen, als ich bemerke, dass die Terrassentür geöffnet ist. Lächelnd trete ich hinaus ins Freie. Harry sitzt zwischen einigen Pflanzen und klopft gerade die Erde um eine dieser Pflanzen fest. Die Hochbeete sind bereits fertig und auch der Olivenbaum steht fest in der Erde. Ich stelle fest, er ist so gut wie fertig damit, alles einzupflanzen. „Wann hast du denn anfangen, den Garten zu machen?"

Harry dreht seinen Kopf zu mir und sieht mich irritiert an. „Was machst du hier?" – „Was?" – „Hast du nicht noch Training?" – „Was denkst du, wie spät es ist?", frage ich amüsiert. „Ich habe mein Handy nicht mir hier.", entgegnet er. „Oh Shit, so spät schon?" – „Scheint so." – „Verdammt, ich wollte doch nur in meiner Mittagspause schon einmal anfangen." Er sieht sich um. „Du bist fast fertig." Er nickt. „Scheiße." – „Ich finde, es sieht ziemlich gut aus. Und außerdem hast du sowieso einen Haufen Überstunden." – „Danke." Er steht auf, klopft sich die Erde ab und kommt auf mich zu. „Wie war das Training?" Ich schüttle den Kopf und küsse ihn sanft. „Gut, aber ich muss dir etwas erzählen." – „Du klingst nicht gerade positiv." Ich lasse es so stehen. „Lass uns den Garten erst einmal fertig machen.", beschließe und lasse mir von Harry sagen, was noch zu tun ist.

Die Sonne geht gerade unter, als ich Harry das Vogelhäuschen anreiche. „Schau, da sind schon ein paar Insekten.", entdeckt er begeistert und tatsächlich entdecke ich einen Schmetterling zwischen den Blumen und Sträuchern. „Du hast den Garten verdammt gut hinbekommen." – „Findest du?" – „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier mal so... lebendig sein könnte." – „Danke.", lächelt er, zieht mich zu sich und streicht mir die Haare aus der Stirn. Mir ist egal, dass er Erde an den Fingern hat, das habe ich auch und trotzdem kann ich meine Finger nicht von ihm lassen. Außerdem muss ich gleich sowieso duschen. Harry seufzt leise, als mein Griff um ihn fester wird und ich ihn enger an mich ziehe.

Zu meinem Bedauern kommt Harry nicht mit mir unter die Dusche. Er kocht stattdessen. Als das heiße Wasser auf mich hinabprasselt, kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken wieder zu dem Gespräch mit Ian abwandern. Verflucht, ich muss mit Harry darüber sprechen. Und darüber, was mein Team mir heute an den Kopf geknallt hat. Wieso stellen die sich alle nur so an? Was ist daran schlimm, dass ich einige Male nicht mit im Hattricks war? Frisch geduscht und in warmen Joggingklamotten, die eventuell nicht mir gehören, gehe ich wieder nach unten in die Küche. „Mhm, das riecht gut.", stelle ich fest. Lächelnd sieht Harry zu mir und schmiegt sich an mich, als ich ihn von hinten umarme. „Ich hoffe, es schmeckt dir." – „Bestimmt." Ich drücke einen Kuss in seinen Nacken.

„Du wolltest mir noch etwas erzählen.", erinnert er mich. Ich seufze. „Ich muss." – „So schlimm?" – „Mhm. Schon." – „Lass uns das beim Essen besprechen, deckst du den Tisch?"

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Was meint ihr, wird Harry dazu sagen? Habt ihr damit gerechnet, dass sie jemand gesehen hat? Wie findet ihr es, dass Ian die Info dazu verwendet, dass Louis nicht mehr über Ellie spricht?

Love, L 

Lightning Strikes TwiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt