27. Kapitel

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„Du musst das nicht machen.", sagt Harry leise zu mir, als wir im Uber sitzen. Gemma hat vorne platzgenommen. „Möchte ich aber gerne.", erwidere ich und denke für einen kurzen Moment darüber nach, ihn zu küssen. Gerade hatte ich nicht noch einmal die Chance dazu. Gemma hat ein Restaurant herausgesucht, irgendwo bei Hillsborough Bay. Es dauert ein wenig, bis wir es durch den dichten Verkehr geschafft haben, aber schließlich kommen wir an. „Haben Sie einen Tisch für drei?", möchte Gemma vom Kellner wissen und dieser führt uns zu einem freien Platz, ehe kurz darauf die Getränkekarte gebracht wird.

Ich lege instinktiv eine Hand auf Harrys Oberschenkel, als wir uns setzen und er sieht für einen Augenblick lächelnd zu mir. Wir beide bemerken den skeptischen Blick seiner Schwester fast sofort und Harry seufzt. „Gemma, bitte." – „Ich mache doch überhaupt nichts.", antwortet sie nur, aber Harry verdreht die Augen. „Ich weiß genau, was du gerade denkst." – „Das würdest du in meiner Situation auch." – „Gib ihm eine Chance, okay?" Wie ich es vermutet habe, sie sprechen über mich. Gemma mustert mich skeptisch und seufzt dann. „Gut." Ich lächle kurz und uns werden die Getränke gebracht, ehe wir etwas zu essen bestellen. Ich habe meine Hand wieder von Harrys Bein genommen und drehe das kühle Glas mit der Cola in meinen Händen. „Wieso gerade mein Bruder?", möchte Gemma dann plötzlich von mir wissen. „Wieso ich ihn liebe? Er ist der Wahnsinn!", antworte ich, ohne darüber nachzudenken. „Um ganz ehrlich zu sein, hat er mir von Anfang an den Kopf verdreht.", erzähle ich und zucke schmunzelnd mit den Schultern. „Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, wusste ich überhaupt nicht, dass er für Lightning arbeiten wird und trotzdem ist er mir nicht aus dem Kopf gegangen. Ich weiß nicht, ob Harry es dir erzählt hat, aber am Anfang habe ich versucht, so zu tun, als wäre da nichts zwischen uns. Er hat zum Glück nicht aufgegeben, sonst wären wir wahrscheinlich gar nicht zusammen. Ich stelle mich, was dieses Thema angeht, etwas dumm an.", gebe ich zu. „Tust du nicht.", widerspricht Harry mir amüsiert, aber wir wissen beide, dass es durchaus die ein oder andere Situation gab, in der ich mich wie ein vollkommener Idiot verhalten habe.

„Wenn ich an den Spruch vor der Kneipe denke, tut er das wohl.", entgegnet Gemma nur und ich nicke stumm. „Wir haben das geklärt, Gem, du musst wirklich nicht weiter darauf herumreiten.", sagt Harry genervt. „Schon gut, sie hat recht.", sage ich etwas leiser, aber Harry schüttelt den Kopf. „Nur weil er noch nicht so viel Erfahrungen mit Beziehungen hat, bedeutet das doch nicht direkt, dass alles schlecht ist und er nur Mist baut!", verteidigt er mich gegenüber seiner Schwester. „Es war ein Missverständnis und dabei können wir es jetzt auch belassen." Es ist keine Frage und er lässt keine Widerworte zu, das ist kaum zu überhören.

„Scheiße, du bist echt heftig verliebt.", grinst Gemma und Harry seufzt. „Ja, ich liebe ihn." – „Ich dich auch.", antworte ich unüberlegt, Harry sieht zu mir und lächelt glücklich. Wie gerne ich ihn in diesem Moment küssen würde. Meinem Freund steht auf der Stirn geschrieben, dass er sich daran erinnern muss, dass es hier nicht geht und dass er mich nicht küssen kann. Es versetzt mir einen Stich in die Brust, in seinem Blick zu sehen, wie sehr er es sich in diesem Augenblick wünscht, unsere Beziehung offen zeigen zu können und schnell wende ich meinen Blick ab. Ein Kellner, der unser Essen bringt, rettet mich aus der Situation und kurz darauf steht ein gut duftendes Mittagsessen auf dem Tisch.

„In Tampa lässt es sich also leben?", möchte Gemma wenig später von Harry wissen. „Es ist viel besseres Wetter, als in New York." – „Das ist alles?" – „Ich habe Louis hier kennengelernt." – „Vermisst du den Big Apple gar nicht?", möchte sie wissen und es klingt fast, als wäre sie enttäuscht, dass Harry sein Leben hier gefällt. „Ab und zu, du weißt doch, dass es komisch für mich ist, so weit weg von meiner Familie und meinen Freunden zu sein, aber es klappt. Außerdem war ich doch vor ein paar Wochen erst in New York.", entgegnet er. „Wieso fragst du?", möchte er dann wissen und kurz sieht Gemma zu mir, antwortet ihm dann aber doch. „Es ist eine neue Stelle frei, in New York versteht sich, und ich dachte, du könntest dich nach der Saison darauf bewerben." – „Wieso sollte ich?", möchte Harry verwundert wissen.

„Du wolltest nie für ein Sportteam arbeiten.", antwortet Gemma nur und überrascht sehe ich Harry an. Er seufzt. „Stimmt und doch mache ich es." – „Ich habe Robin vorgeschlagen, dass du die Stelle annehmen könntest." – „Du hast was?" – „Wieso denn nicht?", verwundert sieht Gemma ihren Bruder an. Harry möchte etwas sagen, wartet dann aber doch einen Moment. „Wieso fragst du mich nicht, bevor du mich für eine neue Stelle vorschlägst?" – „Ich bin davon ausgegangen, dass du keine Lust mehr auf Tampa hast. Als du das letzte Mal Zuhause warst, hieß es noch, dass du nicht glaubst, dass du mehr als eine Saison hier im Süden durchhalten wirst."

Verwundert sehe ich meinen Freund an. Er war an Weihnachten zuletzt bei seiner Familie, so lange ist es also noch nicht her. Er möchte zurück? Mein Brustkorb zieht sich bei dem Gedanken zusammen, dass er bald mehrere Flugstunden weit entfernt von mir sein könnte. Mag er es wirklich so wenig hier in Tampa zu sein und für Lightning zu arbeiten?

Moment, du möchtest wegen Louis hierbleiben.", bemerkt Gemma und ertappt sieht Harry mich an. „Ist das dein Ernst?", frage ich leise. „Sonst würdest du zurück nach New York ziehen?" Es ist keineswegs vorwurfsvoll gemeint, ich möchte lediglich wissen, ob Gemma recht hat. Harry seufzt. „Meine Aufgabe war, diesen Job eine Saison lang sehr gut zu machen, dann kann ich mir mehr oder weniger eine Stelle bei TAA aussuchen. Ich bin in New York aufgewachsen, ich liebe diese Stadt, aber inzwischen habe ich eben auch einen guten Grund, meinen Vertrag bei Lightning zu verlängern.", erklärt er mir. „Harry..., nur wegen mir solltest du nicht hierbleiben, wenn du das nicht möchtest. Es gibt Flugzeuge und Wochenenden und -" – „Wir wissen beide, dass das nicht funktioniert. Du hast unregelmäßige Arbeitszeiten, bist mehr oder weniger ständig unterwegs und ich würde in New York sitzen und auf dich warten, nein dann bleibe ich hier.", erwidert er. „Du hast dich schon längst entschieden.", bemerkt Gemma und Harry nickt.

„Habe ich ja." – „Robin wird das nicht gefallen. Du hattest mit ihm abgemacht, nach der Saison zurückzukommen.", bemerkt sie und Harry seufzt. „Das ist mir klar, aber irgendwie werde ich das schon schaffen." Gemma schweigt einen Moment und ich verstehe, dass es wohl nicht so einfach zu sein scheint, wie Harry es darstellt. „Kannst du nicht einfach in einer anderen Agentur arbeiten?", frage ich daher, aber Gemma verneint. „Wie lange hast du noch? Zwei Jahre?" – „Eins.", korrigiert Harry sie. „Ein Jahr muss ich auf jeden Fall noch bei TAA arbeiten, also ein Jahr nach dieser Saison." – „Und du kannst deinen Vertrag bei uns nicht verlängern?", möchte ich verwundert wissen, denn Harry macht seine Arbeit wirklich sehr gut. Wieso also sollte man ihn nicht weiter bei Lightning haben wollen? „Nicht, wenn unser Boss das nicht möchte.", seufzt mein Freund und stochert in seinem Essen herum. Verdammte Scheiße.

„Das hat noch Zeit.", beendet Harry das Thema einen Moment später. „Ich will da nicht drüber nachdenken." – „Sieh nur zu, dass Robin da keinen Wind von bekommt." – „Was soll er machen, mir die Wohnung wegnehmen?", fragt Harry trocken und ohne darüber nachzudenken, werfe ich ein: „Dann wohnst du eben bei mir."

Gemma sieht mich verwundert an. „Du würdest mit Harry zusammenziehen wollen?" Ich stocke und sehe zu meinen Freund. Wie konnte es passieren, dass wir von einem ungünstigen Thema zum nächsten kommen? „Wenn... also wenn er sonst keine Wohnung hat.", stottere ich vor mir hin. „Natürlich würde ich ihn bei mir wohnen lassen." – „Du bist süß.", lächelt Harry und drückt sein Knie gegen meins. Augenblicklich flattert mein Herz etwas höher.

„Ist das nicht etwas früh?" – „Wieso sollte es?", entgegnet Harry. „Findest du es nicht zu früh?", möchte Gemma wissen und Harry zuckt mit den Schultern. „Möglich, aber ich denke nicht, dass Louis und ich noch länger als ein Jahr damit warten werden." – „Nicht?", frage ich mit dünner Stimme und meine Handflächen werden feucht. Meine Knie sind schon längst weich wie Pudding und meine Gedanken vollkommen durcheinander. „Es sei denn du möchtest länger warten.", schmunzelt Harry. Er weiß ganz genau, dass ich dazu nicht ja sagen werde, es ist ihm anzusehen.

„Alles klar. Hauptsache, ihr ladet mich auf eure Hochzeit ein." Perplex blicke ich zu Gemma, aber sie sieht nur zwischen Harry und mir hin und her. „Ich denke, du bist der Richtige für meinen Bruder, Louis, und ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr nicht schon übers Heiraten gesprochen habt."

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Was haltet ihr von der Situation? Wird Harry nach der Saison zurück nach New York ziehen müssen? 

Love, L 

Lightning Strikes TwiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt