2 - Entführt unter den Sternen

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Mein Herz konnte nicht noch mehr reißen. Es war sowieso schon durch meinen Herzfehler ein einziges Wrack. Egal welche Welle noch kommen mochte, schlimmer konnte es nicht werden.
Das versuchte ich mir zu mindestens ins Gehirn einzubrennen, als ich mich wieder in mein Auto setzte und den Motor startete. Mächtige Gefühle gehörten nicht ans Steuer, also verdrängte ich die Worte meines Vaters und schluckte den Klos im Hals wieder runter. So tat ich es immer. Bis mein Herz irgendwann explodierte...

Auf der Schnellstraße Richtung Krankenhaus lag meine Konzentration auf der Straße und dessen Verkehr. Doch einen kurzen Blick in den Rückspiegel ließ mich erschaudern. Range Rover! Schwarz! Getönte Scheiben!
Nein, das konnte nun unmöglich sein. Fuck. Ruhig bleiben. Gas geben. Der Motor meines Autos wurde lauter, sowie mein Herz, das wild um sich schlug. Ein paar Autos hupten mich an, als ich mich zwischen sie hindurch schlängelte, doch das war mir in diesem Moment egal. Noch einmal warf ich einen nervösen Blick in den Rückspiegel, aber der Range Rover war plötzlich wieder verschwunden. Das gibt es doch nicht! Oder gibt es Geister-Autos doch? Verdammt! Mein Herz beruhigte sich schnell wieder. Irgendwas stimmte nicht mit mir...

Mehrmals schaute ich in die Seitenspiegel und den Rückspiegel, aber es schien alles in Ordnung zu sein. Auf halber Strecke rief Xenia an. Ich schaltete auf Lautsprecher.
„Hey Seph! Sehen wir uns heute Abend im Club?", fragte sie mich mit ihrer lauten, aufgeregten Stimme.
„Xenia, du sollst mich doch nicht so nennen."

Xenia Doukas. Einer meiner Mitbewohner und quasi wie meine kleine Schwester. Sie war anders als ich...also so richtig anders. Abgebrochenes Studium, arbeitete als Barkeeperin im angesagtesten Club Athens und war immer und überall auf Trab. Eine Nachteule durch und durch, doch ihr fehlte niemals die Energie. Man könnte sie mit einem dieser beliebten Cherleeder Mädchen in den High School-Filmen vergleichen, die nichts anderes als diese Miniröcke trugen, steht's ein verführerisches Grinsen präsentierten und durch die Schulflure wie eine verdammte Königin modelten. Die einzige Gemeinsamkeit, die wir teilten waren unsere verstörten Familien.

„Ist das ein Ja?", ignorierte sie meine Bemerkung. Das war typisch Xenia. Sie ließ das Negative erst gar nicht zu, weshalb sie immer die erste Person war zu der ich lief, wenn es mir seelisch mal nicht gut ging.
„Xenia ich..."
„Ok, was ist passiert, Liebes."
„Ich weiß nicht. Mein Vater war wieder betrunken und..."
„Stopp! Du kommst auf jeden Fall heute in den Club!", unterbrach sie mich. Zuhören lag gewiss nicht zu ihren Stärken, auch wenn sie mich vorher fragte, was los sei. Aber ich wusste, dass sie mich nur aufmuntern wollte, indem sie mich mit ihren eher schlechten Cocktails abfüllte (Ja...Cocktails mischen gehört auch nicht zu ihren Stärken). Doch immerhin würde mich das auf andere Gedanken bringen.
„Ja, ich komme heute Abend in den Club", sagte ich mit einem lauten Seufzer hinterher. Ich könnte ihr breites Grinsen bereits durch das Handy spüren, weshalb ich mir selbst nur schwer ein Grinsen unterdrücken konnte. Das meinte ich - mir ging es bereits besser.
„Wir sehen uns heute Abend, Süße! Ich habe bereits ein paar meiner heißen Kumpels geschrieben, dass sie dich doch ein wenig ablenken könnten."
„Xe..!" sie hatte aufgelegt. Na super.

Im Krankenhaus angekommen, schlenderte ich durch das gewohnte kahle Labyrinth von weißen Wänden und dem Geruch von Desinfektionsmittel. Zu oft mussten mein Vater und ich durch diese Flure laufen. Ich klopfte leicht an der Tür und trat in das Zimmer meiner Mutter ein. Sofort strahlte mir ihr wunderschönes Lächeln entgegen. Ihr ging es nicht gut - das sah ich in ihren grünen Augen - aber sie war stark. Sie zeigte ihren Schmerz nicht. Niemals.

„Hey mama, wie gehts dir?", fragte ich sie sanft, ging auf ihr Bett zu und setzte mich behutsam an die Bettkante, wobei ich darauf achtete mich nicht auf die vielen Kabel zu setzen an denen sie angeschlossen war.
„Gut, mein Schatz." Wie schon gesagt, das war definitiv eine Lüge. Ihr Körper lag etwas schlaff auf den zwei Kissen hinter ihrem Rücken, die sie stützen sollten und die Ränder um ihre Augen waren dunkelrot. Wenigstens sah es hier etwas besser aus als Zuhause bei meinem Vater. Die strahlende Nachmittagssonne schien durch das große Fenster und die Blumen auf ihrem Nachttisch waren frisch. Anscheinend war meine Vater hier bevor er sich betrunken hatte.
„Du warst Zuhause, nicht wahr? Und dein Vater war wieder betrunken?" So wie ich, konnte sie einem alles von den Lippen ablesen. Diese Gabe hatte ich von ihr, genau wie das Herunterschlucken und Überspielen von Schmerzen. „Du weißt es also...", murmelte ich und senkte den Kopf. Natürlich wusste sie es.

MIA DEA - Göttin der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt