20 - Wie ein Lauffeuer

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Eine Stunde war vergangen, als ich Minos Arbeitszimmer auf den Kopf gestellt hatte. Jede Schublade hatte ich durchwühlt, jedes Buch hatte ich mir genau angeschaut, jedes noch so kleine Staubkorn nahm ich genau unter die Lupe. Doch nichts. Allmählich wurde mir heiß und ich begann zu schwitzen. Das kann doch nicht sein! Wo ist dieses blöde Geheimnis?! Hoffentlich war das keine Falle. Angestrengt gab ich auf und ließ mich auf den Drehstuhl fallen.

Ich hatte keine Zeit mehr. Irgendjemand von Minos Leuten würde bald bemerken, dass ich schon länger nicht zu sehen war. Oder sie dachten ich wäre in meinem Zimmer. Hoffentlich. Trotzdem würde ich nicht so schnell aufgeben. Meine Augen schweiften noch ein letztes Mal über jedes noch so kleine Ding in diesem Raum. Doch es war zwecklos. Ich war müde und wütend. Gestresst schlug ich auf Minos Schreibtisch. Warte... Ich schlug noch einmal, jedoch diesmal auf eine andere Stelle. Und dann klopfte ich nochmal dort, wo ich das erste Mal drauf gehauen hatte. Diese Stelle hörte sich irgendwie...hohl an.

Langsam lief ich um den Schreibtisch herum, beobachtete jede kleine Macke und rüttelte an jeder Kante, um einen Weg ins Innere zu finden.
Doch es war schwieriger als gedacht, denn es tat sich nichts. Und wo eine Schublade hätte sein sollen, war kein Griff. Aber vielleicht sollte man auch nur denken, dass es keine Schublade war. Ich nahm einen Brieföffner aus Metall zur Hand und klemmte ihn in die Kanten der ‚Schublade'. Als würde ich mit einem Brecheisen einbrechen, schoss die Schublade mir entgegen. Endlich. Hier drinnen könnte ich das Geheimnis finden. Jedoch bestand das Geheimnis aus einem Wirrwarr von Akten und Papieren.

Aufgeregt suchte ich nach der Akte von mir und wühlte in der Schublade herum, doch ich fand sie nicht. Stattdessen fiel mir eine andere auf, die gleich mit zwei Namen versehen war. Luna & Elio Rinaldi. Noch mehr Rinaldis? Als ich die Akte öffnete, fiel direkt ein Foto heraus, das auf meinen Füßen landete. Ich hob es auf und sah es mir genau an. Es war ein Familienfoto (davon ging ich zumindest stark aus). Auch wenn sie alle auf dem Bild etwas jünger aussahen, erkannte ich Mino, Stella, Adone und vermutlich Luna und Elio. Sie sahen Adone und Stella sehr ähnlich, aber auch mit Mino entdeckte ich Gemeinsamkeiten in den Gesichtszügen. Sind sie weitere Rinaldi-Geschwister von denen ich noch nichts weiß? Oder vielleicht Verwandte anderer Art?

Ich blätterte in der Akte weiter, entdeckte dabei etwas beunruhigendes. Eine Sterbeurkunde. Von Luna und Elio Rinaldi. Geboren und gestorben jeweils am selben Tag. Sie waren also Zwillinge. Zwillinge, die in Unglück geraten sind. Es folgten einige Berichte mit Theorien über ihr Verschwinden und die darauffolgende Todesursache. Hat das Mino geschrieben? Traurig.
Eilig legte ich die Akte weg und holte eine weitere aus der Schublade heraus. Diese war mit dem Namen Cora De Rose beschriftet. Ein schöner Name, dachte ich mir. Jedoch waren meine Erwartungen etwas interessantes zu finden vergebens, denn in der braungefärbten Mappe lagen lediglich ein Paar ausgeschnittene Artikel über den De Rose-Clan. Eine Mafia-Familie, die vor zwanzig Jahren vernichtet wurde. Das einzige Foto, das ich dazu fand, war ein großes abgebranntes Herrenhaus.

Gerade wollte ich auch diese Akte wieder schließen, als mir auffiel, dass sich noch etwas darin befand. Zwischen den Artikeln schaute ein Olivenzweig heraus. Gepresst und getrocknet in einem sanften Grün. Das wurde vor kurzem hier reingelegt, sonst wären die Blätter viel blasser. Ich nahm den Zweig in die Hand, hielt ihn gegen die Sonnenstrahlen und drehte ihn zwischen meinen Fingern. Sofort musste ich an den Blumenstrauß denken, den ich zu meiner Hochzeit in die Hände gedrückt bekommen hatte. Weiße Rosen...und Olivenzweige. Seltsam...

Plötzlich unterbrach ein kalter Luftzug und das Quietschen einer Tür meine Gedanken. Schnell legte ich wieder alles einigermaßen schön zusammen und stopfte die Akten wieder in die Schublade. Den Brieföffner aus Metall umgriff ich fest, während ich mich nervös hinter der geöffneten Tür ‚versteckte'.
Mein Herz schlug stark und wild. Ich hoffte so sehr, dass ich niemanden erstechen musste. Aber was würde passieren, wenn mich Mino entdecken würde? So nah an seinen Geheimnissen. Auch wenn ich diese immer noch nicht gelöst hatte. Doch das werde ich.

MIA DEA - Göttin der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt