6 - Das Feuer in seinen Augen

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Mino

„Der blöde Rabe ist gegen die Scheibe geflogen", jammerte meine Schwester, während sie sich die blonden Haare aus dem Gesicht strich. Derweil versuchte meine Verlobte ständig meine Hand zu greifen, doch ich steckte sie schnell in die Hosentaschen. Mann, nervt die! Auf dem Flugplatz war es sehr windig. Eilig stiegen wir in mein Privatjet ein und ließen uns in die beigen Ledersitze fallen. Natürlich musste sich meine nervige Verlobte neben mich setzen. Das wird ein anstrengender Flug. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und wendete mich wieder meiner Schwester zu.

„Hat die Kamera wenigstens etwas eingefangen?", fragte ich sie. Vor zwei Tagen hatte ich meinem Spion in Sizilien meinen Raben geschickt, mit der Hoffnung er würde mir ein paar Aufnahmen von dieser mysteriösen Frau machen von der gerade alle sprachen. Es gab keinen besseren Spion als ein Vogel mit einer kleinen Kamera unter den Federn. Und Raben waren sehr intelligent.

„Die Kamera ging bei dem Aufprall leider kaputt, aber Bruder...ich sah wunderschöne feuerrote Haare. So wie es in der Legende erzählt wird", informierte mich meine Schwester eifrig. Interessiert zog ich meine Augen zu Schlitzen zusammen, legte meine Unterarme auf meine Oberschenkel ab und lehnte mich etwas zu ihr rüber. „War nichts weiter zu sehen?"

„Mino, was willst du überhaupt von der? Du bist mit mir verlobt, vergiss das nicht!", mischte sich meine Verlobte aufsässig ein und verdrehte dabei die Augen. Ich schnaubte genervt und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
„Macht, Alisia! Das will er", antwortete meine kleine Schwester für mich und grinste meine Verlobte teuflisch an. Ja, sie war keine Frau mit der man sich anlegen sollte und das liebte ich an ihr, auch wenn sie eigentlich ‚nur' meine Halbschwester war. Ab diesem Zeitpunkt hielt Alisia endlich die Klappe. Ich hätte nie diesen blöden Deal mit ihrem Vater eingehen sollen.

„Wir starten nun den Flieger, Signor Rinaldi", teilte mir der Pilot mit. Ich nickte ihm zu, versank meinen Körper in den weichen Ledersitz und schaute aus dem ovalen Fenster hinaus. Meine Verlobte richtete mal wieder mit ihrem kleinen Spiegel ihr Make-Up und meine Schwester bestellte sich bei der Flugbegleiterin einen Rotwein. Ich hatte absolut keine Lust nach Sizilien zu fliegen. Aber ich muss wissen, ob sie es wirklich ist...

Persephone

„Was hat dein Name für eine Bedeutung?", fragte ich Valencia und ruhte meinen Kopf auf ihren.
„Die Kräftige. Passt nicht wirklich oder?", säuselte sie und kicherte leise. Valencia war einen ganzen Kopf kleiner als ich, war sehr schlank, hatte lange dunkelbraune Haare und haselnussbraune Augen. Kräftig war sie wohl nicht, aber von innen war sie stark. Da war ich mir sicher. Sie erinnerte mich an eine Mischung aus Helena und Xenia. Wie sehr ich sie gerade vermisse.
„Immerhin besser als meine Bedeutung", sagte ich und schmunzelte.
„Ich kenne viele Namens-Bedeutungen, aber deinen Namen höre ich zum ersten Mal. Abgesehen von der griechischen Mythologie."
Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wie meine Eltern auf den Namen Persephone kamen, vor allem da diese nicht wirklich den elegantesten Ruf in der Mythologie hatte.
„Der Mord", gab ich ihr trocken die Bedeutung. Sie sagte nichts. Ich auch nicht, denn es erinnerte mich an gestern Mittag, als Angelo einen seiner Männer erschoss...wegen mir.

Stunden vergingen, ich war müde, aber schlafen konnte ich einfach nicht. Es war kalt, ein lauter Wind pfiff durch die Zellen hindurch und ständig tropfte es von der Decke. Valencia erging es genauso. Sie wälzte sich ein paar Male auf dem harten Boden hin und her und zischte jedes Mal, wenn sie sich auf das linke Bein drehte, schmerzvoll auf.
„Valencia?", flüsterte ich vorsichtig, denn ich wollte sie nicht aufwecken, falls sie doch eingeschlafen war. Sie öffnete jedoch die Augen und schaute mich an.
„Kann ich mir deine Wunde anschauen?" Sie nickte und richtete sich langsam auf. Behutsam öffnete ich das Verband und betrachtete den Streifschuss. Ich war erstaunt, denn die Wunde wurde sauber zugenäht und gereinigt. „Wer hat dich verarztet?", fragte ich Valencia neugierig und schloss das Verband wieder.
„Angelo's Arzt." Angelo hat einen eigenen Arzt. Interessant.
„Aber wieso lässt man einen so ordentlich verarzten, wenn man ihn doch vorher angeschossen hat?", dachte ich laut. Das macht wirklich keinen Sinn...

MIA DEA - Göttin der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt